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Kasernen zu Schulen

Kuba feiert 60 Jahre Sieg über den Analphabetismus. Vorausgegangen war von Freiwilligen getragene Bildungsoffensive.

Ein Grund zu feiern: In Kuba ist am Mittwoch der 60. Jahrestag des Abschlusses einer Bildungsoffensive begangen worden, mit der die Geißel des Analphabetismus in wenigen Monaten beseitigt werden konnte. Nur knapp zwei Jahre nach dem Sieg der Rebellen über den US-freundlichen Diktator Fulgencio Batista hatte Revolutionsführer Fidel Castro das Land am 22. Dezember 1961 zum ersten vom Analphabetismus befreiten Territorium auf dem amerikanischen Kontinent erklärt. »Es war der Auftakt zu Veränderungen, durch die in Kuba landesweit Schulen, Institute, polytechnische Einrichtungen, Zentren für Sonderpädagogik, Sport, Pädagogik und Universitäten eingerichtet wurden«, erinnerte die Agentur Prensa Latina aus Anlass des Jubiläums an die Kampagne. In Rekordzeit war Kuba zu einem der Länder mit der niedrigsten Analphabetenrate der Welt geworden.

Auf einer Veranstaltung von Wissenschaftlern und Kulturschaffenden wies der deutsche Historiker Rainer Schultz am Dienstag auf die internationale Dimension dieses »entscheidenden Moments« hin, »in dem das Vertrauen und die massive und freiwillige Beteiligung des Volkes sowie das Organisationstalent der Regierung ausschlaggebend für den Erfolg waren«, berichtete Prensa Latina. Schultz, der seit rund 20 Jahren in Kuba lebt, hatte eine akademische Tagung anlässlich des Jahrestages der Alphabetisierungskampagne im Kulturinstitut Casa de las Americas in Havanna geleitet. Dabei wurden neben deren beispiellosem pädagogischen Erfolg auch andere Auswirkungen der damaligen Bildungsoffensive hervorgehoben. Marta Núñez, eine emeritierte Professorin der Universität Havanna, wies auf die Bedeutung der Kampagne für Frauen hin, die mit dem Zugang zu Bildung »einen der wichtigsten Räume der Gleichberechtigung in Kuba eröffnete«. Der Schriftsteller Víctor Fowler beschrieb die Alphabetisierung als ein »kulturelles Ereignis innerhalb des revolutionären Prozesses«. Zu Beginn der Veranstaltung hatte Schultz eine ähnliche Laterne angezündet wie die, mit denen Tausende Freiwillige – nur mit Fibeln, Heften und großen Bleistiften bewaffnet – bis in die entlegensten Dörfer gezogen waren, um ihren Landsleuten Lesen und Schreiben beizubringen.

Vor der Revolution gab es in Kuba bei einer Gesamtbevölkerung von 5,8 Millionen Menschen mehr als eine Million Analphabeten. Eine halbe Million Kinder gingen nicht zur Schule, 10.000 Lehrer waren arbeitslos. Die Beendigung des Bildungsnotstands war eines der zentralen Ziele, für die der junge Rechtsanwalt Fidel Castro und seine Mitstreiter am 26. Juli 1953 mit den Angriffen auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba und die Céspedes-Kaserne in Bayamo den bewaffneten Kampf zum Sturz des Diktators aufgenommen hatten. Nach dem Sieg der Guerilleros am 1. Januar 1959 wurden innerhalb kurzer Zeit 69 Kasernen in Schulen umgewandelt. Im September 1960 kündigte Fidel Castro vor den Vereinten Nationen an, den Analphabetismus in Kuba zu beseitigen. Am 1. Januar 1961 begann die Kampagne, an der sich mehr als 300.000 Freiwillige beteiligten. In nur zwölf Monaten konnte die Analphabetenrate auf 3,9 Prozent der Bevölkerung gesenkt werden.

Gegner der neuen Ordnung versuchten, die Kampagne zu sabotieren. Erstes Opfer war der 18jährige Lehrer Conrado Benitez, der am 5. Januar 1961 von Konterrevolutionären im Escambray-Gebirge ermordet wurde. Nach ihm ist die erste Alphabetisierungsbrigade benannt worden. Trotz weiterer Morde und dem in nur 72 Stunden zurückgeschlagenen Invasionsversuch von CIA-Söldnern in der Schweinebucht im April 1961 konnte Fidel Castro am 22. Dezember auf dem Platz der Revolution in Havanna verkünden, dass »mit viereinhalb Jahrhunderten der Unwissenheit Schluss gemacht wurde«. Vor Zigtausenden Bildungsbrigadisten meldete er: »Wir haben eine große Schlacht gewonnen!«

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 23.12.2021