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Rezepte gegen die Korruption

Kubas Gesundheitsministerium reagiert auf Probleme bei der Versorgung mit Medikamenten.

In Kuba soll es ab dem heutigen Montag Arztrezepte nur noch auf standardisierten Vordrucken und mit offiziellen Stempeln geben. Bisher konnten Verordnungen handschriftlich und auf Schmierzetteln ausgestellt werden, eine Unterschrift des Arztes genügte. Nun müssen auf jedem Rezept die Personalausweisnummer des Patienten sowie die medizinische Diagnose vermerkt werden. Am Fuß des Scheins steht künftig der Hinweis »Die medizinischen Dienstleistungen in Kuba sind gratis – aber sie kosten Geld.« Damit will das Gesundheitsministerium die Bevölkerung dafür sensibilisieren, dass die Leistungen, die nicht selten als Selbstverständlichkeit empfunden werden, vom Staat bezahlt werden.

Die ärztlichen Rezepte dürfen zudem nur noch in der Provinz eingelöst werden, in der sie ausgestellt wurden. Das neue Modell wird bereits seit einigen Wochen in Havanna getestet, mehr als 7.000 Apotheken nahmen im Zuge dessen an Fortbildungen teil. Um die Planung und Verwaltung der Lagerbestände genau zu erfassen, sollen in den kommenden Jahren zudem alle Apotheken des Landes an das landesweite Netzwerk »Infomed« angeschlossen werden. Nachbestellungen von Medikamenten sollen dann halbautomatisch erfolgen, wie derzeit in einer Pilotfiliale in der Provinz Camagüey getestet wird.

Schon als Kubas Parlament kurz vor Jahresende in Havanna tagte, stand neben den von Hurrikan »Irma« im Oktober angerichteten Schäden die seit Monaten andauernde Medikamentenknappheit im Mittelpunkt der Diskussionen. Kubas Gesundheitswesen zählt zu den besten der Region. Trotz der bereits seit über 50 Jahren andauernden US-Blockade erreicht das Land mit einer Lebenserwartung von 79,5 Jahren einen besseren Wert als die Supermacht. Nach einer Phase der Konsolidierung wuchsen zuletzt jedoch wieder die Probleme bei den medizinischen Dienstleistungen. Durch die anhaltende Devisenknappheit, auch aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation des engsten Verbündeten Venezuela, mussten im vergangenen Jahr viele Importe gestrichen werden. Die Verantwortlichen des staatlichen Pharmakombinats BioCuba-Farma mussten sich im Dezember einer peinlichen Befragung durch die Abgeordneten stellen, warum es nun auch bei der medizinischen Versorgung zu Engpässen kommt.

Rita María García Almaguer, wirtschaftliche Leiterin des Unternehmens, legte damals vor den Parlamentariern Rechenschaft ab. Von den 801 in Kuba zugelassenen Medikamenten produziere die Insel 505 in Eigenregie, während lediglich rund ein Drittel eingeführt werden müsse. Allerdings sei auch die heimische Produktion von Importprodukten wie Glasampullen und Verpackungsmaterial abhängig. Die finanziellen Engpässe hätten zu Schwierigkeiten mit den Lieferanten geführt. Bereits seit mehreren Jahren sucht Kuba deshalb nach Investoren, die sich für die Herstellung der notwendigen Teile in der 2014 eröffneten Sonderwirtschaftszone von Mariel interessieren. »Die größten Probleme gibt es beim Schmerzmittel Dipirona (Bei uns bekannt unter dem Wirkstoffnamen Metamizol; jW), von dem die Bevölkerung jedes Jahr eine Milliarde Tabletten verbraucht. Das bedeutet, dass wir jeden Monat zwischen 84 und 86 Millionen Tabletten herstellen müssen«, so García Almaguer.

Zudem machen Schwarzmarkt und Korruption dem kubanischen Gesundheitswesen zu schaffen. Während mancherorts Tabletten schon in der Produktion unterschlagen werden, sind gefälschte Rezepte ein häufiges Mittel, um die subventionierten Medikamente zu erschleichen und diese anschließend für teures Geld zu verkaufen. Medizin, die in der Apotheke zu einem Symbolpreis über den Tresen wandert, kann auf dem Schwarzmarkt mehrere US-Dollar einbringen – um so mehr, je knapper gerade die Verfügbarkeit ist. Das wiederum befördert weitere Hamsterkäufe mit gefälschten Rezepten. Ein Teufelskreis, den Kubas Gesundheitsministerium jetzt durchbrechen will.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Marcel Kunzmann
junge Welt, 19.02.2018