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Interesse an Kuba
Handelsmesse in Havanna: Die Gastgeber sind mit den Ergebnissen zufrieden.
Die 32. Internationale Messe von Havanna (FIHAV 2014), die größte Handelsmesse Kubas und der Karibik, wurde am Sonnabend (Ortszeit) auf dem Messegelände Expocuba in der kubanischen Hauptstadt beendet. Mit der Teilnahme von Tausenden in- und ausländischen Unternehmen aus mehr als 60 Ländern ist die FIHAV zugleich eine der wichtigsten derartigen Veranstaltungen in Lateinamerika. Zum Abschluss der diesjährigen Messe zeigten sich die kubanischen Veranstalter am Wochenende mit den Ergebnissen zufrieden.
Zum ersten Mal seit ihrer Premiere im Jahr 1983 war die FIHAV 2014 schwerpunktmäßig auf die Gewinnung ausländischer Investoren ausgerichtet. Zur Eröffnung am 2. November hatte der Minister für Außenhandel und Auslandsinvestitionen, Rodrigo Malmierca, einen Katalog von knapp 250 Projekten angekündigt, für die in den nächsten Jahren rund neun Milliarden US-Dollar benötigt werden. Gemeinsame Vorhaben mit ausländischen Partnern würden vor allen in den Bereichen der erneuerbaren Energie, der pharmazeutischen Industrie, der Biotechnologie, der Nahrungsmittelerzeugung, der Verpackungsindustrie, dem Bausektor und im Tourismus angestrebt. Für den Fünfjahresplan zur wirtschaftlichen Entwicklung von 2015 bis 2020 wird von einem durchschnittlichen jährlichen Bedarf an ausländischen Direktinvestitionen in Höhe von zwei bis 2,5 Milliarden Dollar ausgegangen. Von deren Realisierung ist das Land zur Zeit zwar noch ein gutes Stück entfernt, doch die diesjährige FIHAV wird als wichtiger Schritt zur Annäherung an die hochgesteckten Ziele gesehen. Der Vizepräsident des Ministerrats, Ricardo Cabrisas, kündigte weitere Veranstaltungen zur Intensivierung der Handelsbeziehungen an.
Die meistbesuchten nationalen Aussteller waren in diesem Jahr die Informationsstände des Büros der Anfang des Jahres eingeweihten »Sonderentwicklungszone Mariel« (ZEDM) und des dortigen Tiefwasserhafens und Containerterminals. Wie ZEDM-Direktorin Ana Teresita Igarza am Mittwoch vor der Presse in Havanna mitteilte, haben während der Messe Unternehmen aus über 30 Ländern Interesse an Investitionen in Mariel angemeldet. Die bedeutendsten Projekte kämen von Investoren aus Spanien, Kuba, Italien, Vietnam, China, Russland, Frankreich, Brasilien, Mexiko, den Niederlanden und Kanada.
Zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern der Insel – Venezuela, China, Russland, Brasilien und Spanien – sollen möglichst weitere auch aus der EU hinzukommen. Von dort war Spanien auf der diesjährigen Messe mit 132 ausstellenden Firmen das am stärksten vertretene Land. Die rechtskonservative Regierung in Madrid will die Beziehungen zügig weiter ausbauen. Außenminister José Manuel García-Margallo hatte Ende Oktober seinen offiziellen Antrittsbesuch in Havanna noch bis Ende dieses Jahres angekündigt.
Während der Messe hatten sich bereits Repräsentanten anderer EU-Länder die Klinke in die Hand gegeben. So sondierte der stellvertretende Premierminister Portugals, Paulo Portas, an der Spitze einer hochrangigen Unternehmerdelegation das Terrain für Investitionen in Kuba. In einem Gespräch mit Vizepräsident Miguel Díaz-Canel Bermúdez betonte er am 3. November das Interesse seines Landes an einer Intensivierung der Beziehungen. Den gleichen Wunsch übermittelte der italienische Vizeminister für Wirtschaftliche Entwicklung, Carlo Calenda, bei einem Messebesuch im Namen seiner Regierung. Rom strebe Mitte 2015 – bei einem weiteren Besuch des Politikers zusammen mit Vertretern großer Bankhäuser und Unternehmen – die Vereinbarung konkreter gemeinsame Vorhaben an. Selbst Großbritannien, engster Verbündeter der USA, sah sich veranlasst, seine Aufwartung in Havanna zu machen. Zum ersten Mal seit zehn Jahren war mit Staatsminister Hugo Swire Ende Oktober ein Repräsentant der Londoner Regierung nach Kuba gereist, um über Im- und Exporte sowie Investitionen zu verhandeln. Er setzte damit die Reihe von Besuchen hochrangiger Vertreter aus EU-Ländern fort, die zu Beginn des Jahres von Hollands Außenminister Frans Timmermans und seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius eingeleitet worden waren.
Die Bundesrepublik, als wirtschaftlich bedeutendstes Land der Europäischen Union, spielt dagegen auch in der Entwicklung der Handelsbeziehungen eher eine Bremserrolle. Die konservativ-reaktionäre Ausrichtung der bundesdeutschen Außen- und Wirtschaftspolitik droht auf längere Sicht allerdings den Interessen der eigenen Wirtschaft mehr Schaden zuzufügen als denen Kubas. Während der einflussreiche Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) auf seiner Homepage die FIHAV 2014 als »wichtigste Veranstaltung für deutsche Investitionsgüterhersteller für das Kubageschäft« empfahl, schickt Berlin derzeit bestenfalls Hinterbänkler auf die sozialistische Karibikinsel. Der VDMA bedauert, dass trotz eines Anstiegs deutscher Maschinenlieferungen nach Kuba um 18 Prozent im Jahr 2013, Spanien, Italien und China »den Markt unter sich ausmachen«.
Während die Bundesregierung weiter bremst, sucht die EU zielstrebig die Annäherung an Kuba. Auf einer Konferenz zum Thema »Herausforderungen und Chancen beim Export in die Europäische Union« kündigte der Botschafter der EU in Havanna, Herman Portocarero, am Donnerstag auf der Messe an, die EU wolle Kuba mit allem, was in ihren Möglichkeiten liege, unterstützen. Dazu gehörten auch Maßnahmen, um Kubas Exporte in den europäischen Markt zu erleichtern und zu fördern.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf, Havanna
junge Welt, 10.11.2014