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Das letzte Aufgebot

Harte Bandagen im teuersten Kongresswahlkampf aller Zeiten. Demokraten wollen mit kubanischem Berufsoppositionellen punkten.

Mit den Zwischen Wahlen der USA am morgigen Dienstag beginnt die zweite Hälfte der letzten Amtszeit Barack Obamas. Zur Wahl stehen alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 33 der 100 Plätze im Senat. In 36 Staaten wird zudem ein neuer Gouverneur gewählt. Für die Demokraten steht ihre Mehrheit auf dem Spiel, ohne die Obama in den nächsten zwei Jahren kaum noch ein Gesetz durchbringen dürfte. In dem ,mit rund vier Milliarden Dollar teuersten Kongresswahlkamp aller Zeiten wurde mit harten Bandagen gekämpft. Als letztes Aufgebot ließ der demokratische Abgeordnete Joe García ausgerechnet den kubanischen Systemgegner Fariñas in Fernsehspots für seine Wiederwahl werben und provozierte damit heftige Kontroversen in Florida.

Dem über 18 Millionen Einwohner zählenden Bundesstaat, der den größten Anteil unentschiedener Wähler hat, messen beide Parteien eine Schlüsselstallung für den Kampf ums Weiße Haus im Jahr 2016 bei. Der 51jährige Joe García versucht, im bevölkerungsreichsten 26. Wahldistrikt sein Mandat gegen den 34jährigen republikanischen Herausforderer Carlos Curbelo, wie García kubanischer Abstammung, zu verteidigen. Gemeinsam mit Charlie Crist, dem demokratischen Kandidaten für den Gouverneursposten in Florida, setzte García sich im Wahlkampf für eine Lockerung von US-Sanktionen gegen Kuba und mehr Reisefreiheit für US-Bürger, die die sozialistische Karibikinsel besuchen wollen ein. Trotz enger Verbindungen zu der von antikommunistischen Exilkubanern im Jahr 1981 gegründeten Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung, die für zahlreiche terroristische Aktionen verantwortlich ist, gilt García deswegen bei Hardlinern als Risiko. Bei einem Wahlsieg der Demokraten in Florida befürchten etliche der dortigen Anti-Castro-Gruppen Einnahmeverluste in Millionenhöhe. Ende Oktober forderte die einflussreiche Tageszeitung Nuevo Herald, ein Sprachrohr ultrarechter Exilgruppen, zur Wahl des republikanischen Gouverneutskandidaten Rick Scott auf und empfahl im Distrikt 26, Garcías republikanischen Konkurrenten Carlos Curbelo in den Kongress zu wählen.

Doch García glaubte, noch ein As im Ärmel zu haben. In einem dramatischen Fernsehspot wurde der durch über 20 Hungerstreiks in den rechten Exilgruppen als »Kämpfer gegen die Castros« verehrte Systemgegner Guillermo Fariñas bildfüllend in Szene gesetzt und erklärte: »Schon seit Jahrzehnten ist Joe García als Landsmann unserem Kampf verpflichtet.« Der im Jahr 2010 von der Europäischen Union mit dem Sacharow-Preis für Menschenrechte und 50.000 Euro bedachte Fariñas sollte die republikanischen Attacken parieren. Doch der vermeintliche Coup wurde zum Bumerang.

Die Medien in Florida kritisierten den Auftritt des »Dissidenten« als »noch nie dagewesenen Präzendenzfall« und Carlos Curbelo holte zum Gegenschlag aus. Er verwies darauf, dass Fariñas Reisen um die Welt aus Miami finanziert würden. »Alle Welt weiß, dass die Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung und die Leute von Joe García es sind, die Guillermo Fariñas bezahlen«, erklärte er letzten Dienstag im Nuevo Herald. Deshalb sei es »ungeschickt und unmoralisch, einen kubanischen Oppositionellen in eine Wahlkampagne in den USA einzubinden«, das sei eine »Beleidigung der Opposition in Kuba«, empörte er sich. Aus Kuba meldete sich der »Dissident« Jorge Luis Garcá Pérez (bekannt als Antúnez) zu Wort. Er sei über Fariñas Auftritt im Wahlkampf »besorgt«, sagte er dem Nuevo Herald. Schließlich würde sich der Kongressabgeordnete Joe García ebenso wie Präsident Barack Obama »bedauerlicherweise mehr dem Regime als der Opposition« in Kuba annähern. Joe García hielt den Kritikern entgegen, dass Fariñas selbst ihm die Beteiligung an seiner Wahlkampagne vorgeschlagen hatte.»Coco (Spitzname für Fariñas, V.H.) hat mich angerufen und gesagt, (…) dass er uns auf jede erdenkliche Art unterstützen will«, erklärte der Abgeordnete.

In Floridas Bevölkerung ruft der Auftritt des aufdringlichen Hungerstreikrekordhalteers überwiegend Ablehnung hervor. In einer Umfrage des Nuevo Herald vom Wochenende erklärten rund dreiviertel (73,77 Prozent) der Teilnehmer, dass sie eine Empfehlung »kubanischer Dissidenten« ablehnen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf, Havanna
junge Welt, 03.11.2014