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Vorbild China

Kuba: Die Sonderwirtschaftszone Mariel wartet auf Investoren aus aller Welt. Interesse auch bei deutschen Firmen

Am Rande des Gipfeltreffens der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft (CELAC), das am heutigen Mittwoch beendet wird, haben der kubanische Präsident Raúl Castro und seine brasilianische Kollegin Dilma Rousseff am Montag den Containerhafen in der 45 Kilometer westlich von Havanna gelegenen Bucht von Mariel eingeweiht. Damit wurde auch der erste Abschnitt der dortigen neuen Sonderwirtschaftszone ZEDM (Zona Especial de Desarrollo Mariel) seiner Bestimmung übergeben. An der Zeremonie hatten unter anderem die Präsidenten Boliviens, Venezuelas, Guyana und Haitis sowie die Premierministerin Jamaikas teilgenommen.

Das 465 Quadratkilometer große Areal in der Provinz Artemisa wurde von den Regierungen Kubas und Brasiliens gemeinsam entwickelt und ist das bedeutendste wirtschaftspolitische Projekt der sozialistischen Karibikinsel seit dem Sieg der Revolution vor 55 Jahren (siehe jW-Thema vom 25.10. 2013). Zu den Gesamtkosten von bislang mehr als 957 Millionen US-Dollar hatte die brasilianische Entwicklungsbank BNDES (Banco Nacional de Desenvolvimento Economico e Social) einen Kredit von 682 Millionen Dollar beigesteuert. »Dieser Hafen wird immer ein Symbol unserer dauerhaften Freundschaft sein«, sagte Dilma Rousseff bei der Einweihung und kündigte zugleich die Fortsetzung der finanziellen Beteiligung ihres Landes mit über 200 Millionen Dollar an der zweiten Ausbaustufe an.

Die Präsidentin berichtete vom »großen Interesse zahlreicher heimischer Unternehmen«, sich in der neuen Sonderwirtschaftszone niederzulassen, um künftig in Kuba produzieren und ihre Waren von dort exportieren zu können. Zu den Interessenten sollen unter anderem die Bushersteller Marcopolo und Busscar sowie der Glashersteller Fanavid gehören. Nach der offiziellen Statistik des Landes war das Handelsvolumen zwischen Brasilien und Kuba von 91,99 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf 624,79 Millionen im Jahr 2013 gestiegen.

Die Entwicklung Mariels folgt dem chinesischen Erfolgsrezept der Sonderwirtschaftszonen, die Ende der 70er Jahre starke Impulse für die dortige wirtschaftliche Entwicklung gegeben hatten. Die kubanische Regierung möchte mit der ZEDM einerseits mehr ausländische Investitionen ins Land holen und sie gleichzeitig räumlich begrenzen. Ihre Vision ist es, Mariel zum Produktionsstandort und Logistikzentrum für Mittelamerika und die Karibik zu machen. Sollte das Modell erfolgreich sein, würden weitere Sonderwirtschaftszonen folgen, kündigte Rodrigo Malmierca Díaz an, der kubanische Minister für Außenhandel und Auslandsinvestitionen.

Nach Auskunft der dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zugeordneten bundeseigenen Gesellschaft »Germany Trade and Invest« (GTAI) wächst das Interesse an Mariel auch bei hiesigen Firmen. »Deutsche Unternehmen überlegen etwa Reparatur- oder Montagearbeiten für die ganze Karibik in diese Zone zu verlegen«, teilte die GTAI Ende November letzten Jahres mit.

Konkretere Pläne hat der expandierende chinesische Automobil- und Motorradhersteller »Geely«, der in Europa vor allem durch die Übernahme der schwedischen Nobelmarke »Volvo« im Jahr 2010 bekannt wurde. Nach einem Bericht des chinesischen Onlineportals Global Times vom 25. Dezember 2013 will das Unternehmen in Kuba ein Montagewerk errichten, um von dort weitere Marktanteile in der Karibik und Mittelamerika zu erobern. Der Konzern hatte sein erstes Werk auf dem amerikanischen Kontinent 2012 in Uruguay eröffnet, in dem mittlerweile pro Jahr 20000 Fahrzeuge – vor allem für die Region Mercosur, Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay – vom Band laufen.

Obwohl der Standort der neuen Autofabrik bisher weder von der kubanischen noch der chinesischen Seite offiziell bestätigt wurde, kommt dafür nur Mariel in Frage. Die Sonderzone bietet mit ihrem Tiefseehafen und Containerterminal ideale Transportbedingungen, ausreichende Flächen, moderne Verkehrsanbindung und steuerliche Anreize. Neu angesiedelte Projekte werden dort zum Beispiel für zehn Jahre von der Unternehmenssteuer befreit, die im Rest des Landes 30 Prozent beträgt und müssen im ersten Jahr noch keine Umsatzsteuer entrichten. Keine Befreiung gibt es für die Sozialversicherungsabgaben, die 14 Prozent der Lohnsumme ausmachen.

Nach Angaben der Hersteller rollen mittlerweile über 10000 Geelys der Kompaktmodelle CK und EC7 sowie der Mittelklassefahrzeuge EC8 auf Kubas Straßen. Die chinesische Marke, die zunächst für die Fuhrparks von Polizei und Staatsunternehmen sowie Verleihfirmen importiert wurde, läuft inzwischen den sowjetischen Ladas und uralten US-Straßenkreuzern die Spitzenposition ab. Das Unternehmen dürfte auch auf eine künftig steigende Nachfrage im kubanischen Binnenmarkt nach der Freigabe des Imports und Ankaufs von Neuwagen zu Beginn dieses Jahres spekulieren, die zur Zeit durch ein zu geringes Angebot und extrem hohe Preise gedämpft ist. Viele Kubaner hoffen, daß das Geely-Werk in Mariel mittelfristig zu sinkenden Preisen und erweiterten Angeboten auf dem sich gerade erst entwickelnden Automarkt beitragen kann. Nach den feierlichen Reden zur Eröffnung werden in Zukunft konkrete Resultate über Akzeptanz und Erfolg des Modells der Sonderwirtschaftszonen in Kuba entscheiden.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 29.01.2014