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Dokumente aus Kuba

Dokumente, Regierungserklärungen, Reden und Reflektionen, Erklärungen des kubanischen Außenministeriums, Veröffentlichungen der Nationalversammlung, Berichte der kubanischen Regierung sowie Beiträge Kubas vor den Vereinten Nationen.



Kuba wird weiterhin seine Stimme gegen die Vorherrschaft und den Hegemonismus erheben

Rede des Außenministers der Republik Kuba, Bruno Rodríguez Parrilla, in der Generaldebatte des hochrangigen Segments der Generalversammlung der Vereinten Nationen. New York, 21. September 2022.



Herr Präsident,

sehr geehrte Delegierte,

die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben wie nie zuvor das wahre Wesen der herrschenden ungerechten und unhaltbaren internationalen Ordnung offenbart.

Noch nie zuvor hatte die Menschheit ein so gewaltiges wissenschaftliches und technisches Potenzial, eine so außergewöhnliche Fähigkeit, Wohlstand und Wohlergehen zu schaffen, und doch war die Welt noch nie so ungleich und die Ungleichheit noch nie so tiefgreifend.

828 Millionen Menschen, d. h. 10 % der Weltbevölkerung, leiden an Hunger, und fast 50 Millionen Kinder leiden an Auszehrung, der tödlichsten Form der Unterernährung.

Im Jahr 2022 werden 207 Millionen Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sein, 21 Millionen mehr als im Jahr 2019. Mitten in der vierten industriellen Revolution können 773 Millionen Menschen weder lesen noch schreiben.

Fast 6,5 Millionen Menschen sind an den Folgen der COVID-19 Pandemie gestorben. Impfstoffe dagegen sind für eine Milliarde Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen unerreichbar. Im Jahr 2021 erwirtschafteten die transnationalen Pharmakonzerne 84.588 Millionen Dollar Gewinn.

Die Auslandsschulden sind bereits mehrfach bezahlt worden, aber sie werden immer größer. Paradoxerweise steigen die weltweiten Militärausgaben sprunghaft an und übersteigen zum ersten Mal zwei Billionen Dollar.

Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass die Menschheit weiterhin durch die Existenz von fast 13.000 Atomwaffen bedroht wird. Wir setzen uns für die Universalität des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen ein.

Wie viel mehr könnten wir tun, wenn diese Mittel zur Förderung von Gesundheit und Entwicklung eingesetzt würden? Wie viele Todesfälle durch COVID-19 und andere Ursachen hätten vermieden werden können? Wie viele Kinder wären vor Hunger und vermeidbaren oder heilbaren Krankheiten bewahrt worden?

Herr Präsident,

bei den Treibhausgasen wurden 2021 Rekordkonzentrationen gemessen, und dies wird auch 2022 der Fall sein. Der durchschnittliche Meeresspiegel hat einen neuen Höchststand erreicht. Die letzten sieben Jahre sind die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen.

Wir können so nicht weitermachen.

Wir können die Warnungen vor einer drohenden Klimakatastrophe nicht länger ignorieren. Wir haben nur eine Erde, die einzige Heimat für uns alle. Wir müssen ohne weitere Verzögerung handeln.

Die "Philosophie des Krieges und der Ausplünderung" und die irrationalen Produktions- und Konsummuster des Kapitalismus werden zur Katastrophe führen.

Die internationalen Beziehungen bewegen sich auf sehr gefährlichen Wegen. Die Offensive der USA, die darauf abzielt, Staaten durch Drohungen und wirtschaftlichen, militärischen und politisch-diplomatischen Zwang zu unterwerfen, um sie einer Ordnung zu unterwerfen, die auf ihren willkürlichen Regeln beruht, führt zusammen mit der Erweiterung der NATO und der Entwicklung einer aggressiven Doktrin und einer nichtkonventionellen Kriegsführung der fünften Generation unweigerlich zu einem Klima der Spannung und zu Konflikten, dessen Folgen nicht vorhersehbar sind.

Herr Präsident,

Kuba, ein kleiner Inselstaat,der sich in der Entwicklung befindet, hat einen hohen Preis für die Verteidigung seines legitimen Rechts auf Existenz als souveräne und unabhängige Nation gezahlt.

Seit mehr als sechs Jahrzehnten leisten wir Widerstand gegen eine erbarmungslose und einseitige Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die sich seit 2019 und während der Pandemie auf ein noch nie dagewesenes Niveau verschärft hat.

Dreißig Jahre nach der ersten Resolution dieser Versammlung gegen die Blockade ignoriert die Regierung der Vereinigten Staaten weiterhin die fast einhellige Forderung der internationalen Gemeinschaft, ihre illegale und grausame Politik gegen Kuba einzustellen.

Die Entschlossenheit, materiellen Mangel, Knappheit und Leid zu erzeugen, Entmutigung und Unzufriedenheit zu säen und dem kubanischen Volk Schaden zuzufügen, hält an.

Die US-Regierung erhöht den Druck auf Regierungen, Bankinstitute und Unternehmen in der ganzen Welt, die an Beziehungen zu Kuba interessiert sind, und verfolgt obsessiv alle Einnahmequellen und Devisen, die ins Land kommen, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu provozieren.

Infolgedessen ist die kubanische Wirtschaft einem außerordentlichen Druck ausgesetzt, der sich in der Industrie, im Dienstleistungssektor, in der Lebensmittel- und Medikamentenknappheit sowie in der Verschlechterung des Konsumniveaus und des allgemeinen Wohlstands der Bevölkerung niederschlägt.

Der menschliche Schaden, den diese Politik allen kubanischen Familien zufügt und den man unmöglich beziffern kann, ist enorm, grausam und unmoralisch.

Die Blockade ist ein Akt der wirtschaftlichen Kriegsführung in Friedenszeiten.

Die derzeitige Regierung der Vereinigten Staaten hält die aggressivsten Druckmaßnahmen gegen unser Land aufrecht, die von der Regierung des Präsidenten Donald Trump eingeführt wurden.

Die ungerechtfertigte Aufnahme Kubas in die willkürliche und einseitige Liste der Länder, die angeblich den Terrorismus unterstützen, die das State Department herausgibt, bleibt bestehen.

Diese verleumderische Einstufung führt zu einer Stigmatisierung unserer Einrichtungen und Institutionen und erschwert Finanz- und Handelsgeschäfte, Zahlungen und Kredite erheblich.

Kuba, das Opfer des Staatsterrorismus war, fördert nicht den Terrorismus und wird dies auch niemals tun. Im Gegenteil, wir verurteilen ihn in all seinen Formen und Ausprägungen.

Die Regierung der Vereinigten Staaten manipuliert opportunistisch hochsensible Themen wie Terrorismus, Religion, Demokratie, Justiz, Korruption und Menschenrechte.

Messen mit zweierlei Maß, Inkonsequenz, Selektivität und politische Manipulation schaden der Sache der Menschenrechte.

Die gerade vorher gehaltene Rede des tschechischen Außenministers, der es nicht gewagt hat, das Verbrechen der Blockade Kubas zu erwähnen, ist dafür ein trauriges Beispiel.

Wir haben die US-Regierung deutlich darauf hingewiesen, dass die Faktoren, die die irreguläre Migration begünstigen und zu Todesfällen führen, angegangen werden müssen, wie z. B. die Tatsache, dass sie seit 2017 ihrer Verpflichtung aus bestehenden bilateralen Abkommen nicht nachgekommen ist, nicht weniger als 20.000 Visa pro Jahr für Migranten zu erteilen, das Bestehen des Cuban Adjustmenr Acts, die politisch motivierte Vorzugsbehandlung, der restriktive Druck auf Länder mit regulärem Transit und die verschärfte Wirtschaftsblockade.

Die heutige Ankündigung, dass die Bearbeitung von Migrantenvisa wieder in der US-Botschaft in Havanna erfolgen soll, ist ein positiver Schritt.

Kuba bekräftigt seine Bereitschaft, sich trotz tiefgreifender Unterschiede auf ein besseres Verständnis mit der Regierung der Vereinigten Staaten hinzubewegen und auf der Grundlage gegenseitiger Achtung und souveräner Gleichheit zivilisierte und sogar kooperative Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu entwickeln.

Wir möchten das wertvolle Engagement und die jüngsten Demonstrationen von Kubanern und Nachkommen von Kubanern in allen Breitengraden und in diesem Land hervorheben, die fordern, die souveränen Rechte Kubas zu respektieren und die rücksichtslose Aggression der Vereinigten Staaten, insbesondere die Wirtschaftsblockade, zurückweisen.

Ich bin auch zutiefst dankbar für die Erklärungen der Staats- und Regierungschefs in dieser Generaldebatte, die historische Unterstützung dieses Hauses und die Solidaritätsbekundungen von Regierungen, Persönlichkeiten, politischen Organisationen und Solidaritäts-, Sozial- und Volksbewegungen in aller Welt.

Diese Solidarität und Unterstützung für Kuba sind auch heute noch unbedingt nötig.

Herr Präsident,

trotz der enormen Herausforderungen haben das kubanische Volk und die Regierung in ihrer Entschlossenheit nicht nachgelassen, beim Aufbau einer gerechteren, demokratischen, prosperierenden und nachhaltigen sozialistischen Gesellschaft voranzukommen.

Wir haben COVID-19 mit Ressourcen, unseren eigenen Impfstoffen und der Stärke unseres öffentlichen Gesundheits- und Wissenschaftssystems überwunden. Wir konnten in bescheidenem Umfang mitwirken, indem wir zum schlimmsten Zeitpunkt der Pandemie 58 medizinische Brigaden in 42 Länder und Gebiete entsandten.

Wir arbeiten daran, das wirtschaftliche und soziale Leben des Landes wiederzubeleben, die Umwandlung unserer Gemeinden zu unterstützen und Sozialprogramme aufrechtzuerhalten und zu erweitern.

Wir arbeiten weiter an der Verbesserung unseres Rechtssystems, unseres sozialistischen Rechtsstaates und der sozialen Gerechtigkeit, um allen Kubanern den vollen Genuss aller Menschenrechte zu gewährleisten und das System der sozialen Gerechtigkeit, das mehrere Generationen bereits erfahren haben, zu bereichern.

Am 25. September findet nach einem breit angelegten Prozess der Beteiligung und Konsultation der Bevölkerung das Referendum über ein neues und integratives Familiengesetzbuch statt. Es wird eine Ausübung echter direkter Demokratie und tatsächlicher Macht des kubanischen Volkes sein.

Herr Präsident,

die vom damaligen Präsidenten Raúl Castro vorgeschlagene "Einheit in der Vielfalt" ist in den Ländern des Südens und in der Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik immer stärker geworden und schafft die Voraussetzungen dafür, dass unsere Region auf der Grundlage der Postulate der Proklamation Lateinamerikas und der Karibik als Zone des Friedens zu höheren Formen der Integration und Zusammenarbeit gelangt.

Wir sind dankbar für die würdevolle Haltung, die mehrere Länder unserer Region angesichts willkürlicher Ausschlüsse in Foren der Hemisphäre eingenommen haben.

Wir erneuern unsere Unterstützung und Solidarität mit der Bolivarischen Republik Venezuela, ihrem verfassungsmäßigen Präsidenten, Nicolás Maduro Moros, und der zivil-militärischen Einheit ihres Volkes angesichts der Versuche, die innere Ordnung dieses brüderlichen Landes zu destabilisieren und zu untergraben. Wir lehnen die Anwendung von einseitigen Zwangsmaßnahmen gegen Venezuela ab.

Wir verurteilen die imperialistischen Versuche, die Regierung der Versöhnung und nationalen Einheit Nicaraguas zu destabilisieren. Wir bekräftigen unsere feste Unterstützung für das brüderliche nicaraguanische Volk und seinen Präsidenten Daniel Ortega.

Wir sind solidarisch mit den Schwesternationen in der Karibik und unterstützen ihre legitime Forderung nach Wiedergutmachung für die schädlichen Auswirkungen von Kolonialismus und Sklaverei. Sie benötigen und verdienen eine faire, besondere und differenzierte Behandlung.

Wir bekräftigen unser historisches Engagement für die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit des Volkes von Puerto Rico.

Haiti braucht einen besonderen Beitrag der internationalen Gemeinschaft für seinen Wiederaufbau und seine Entwicklung. Die Menschheit steht in der Schuld dieser Republik.

Wir unterstützen die legitime Forderung von Präsident Alberto Fernández und des Volkes nach der Souveränität der Republik Argentinien über die Malwinen, die Süd-Sandwich- und die Süd-Georgien-Inseln sowie die umliegenden Seegebiete.

Wir bringen unsere uneingeschränkte Solidarität mit der argentinischen Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner zum Ausdruck, die vor kurzem Opfer einer unrechten und unfundierten Schikane der Justiz und der Medien wurde und auf die ein Mordanschlag verübt wurde.

Wir bekräftigen unser festes Engagement für den Frieden in Kolumbien. Der offensichtliche Friedenswille des derzeitigen Präsidenten Gustavo Petro und der betroffenen Parteien verdient die Unterstützung der Region und der internationalen Gemeinschaft.

Die notwendigen Mittel müssen bereitgestellt werden, um die Agenda 2063 der Afrikanischen Union zu unterstützen, die den Fahrplan für die Entwicklung dieses Schwesterkontinents festlegt.

Wir befürworten die Suche nach einer friedlichen und auf dem Verhandlungsweg erzielten Lösung für die Syrien aufgezwungene Situation und fordern die Beendigung der Einmischung von außen und die uneingeschränkte Achtung der Souveränität und territorialen Integrität des Landes.

Wir unterstützen eine gerechte, umfassende und dauerhafte Lösung des Nahostkonflikts, die die tatsächliche Ausübung des unveräußerlichen Rechts des palästinensischen Volkes auf die Errichtung eines eigenen Staates in den Grenzen von vor 1967 mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem und die Beendigung der israelischen Besetzung der besetzten palästinensischen Gebiete gewährleistet.

Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Solidarität mit dem saharauischen Volk.

Wir lehnen die gegen die Islamische Republik Iran verhängten einseitigen Zwangsmaßnahmen ab.

Wir verurteilen die Verhängung ungerechter einseitiger wirtschaftlicher Maßnahmen gegen die Demokratische Volksrepublik Korea und die Einmischung von außen in ihre Angelegenheiten.

Wir wenden uns gegen eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Republik Weißrussland.

Wir bekräftigen unsere Ablehnung gegen die Verhängung einseitiger Sanktionen gegen die Russische Föderation.

Wir verurteilen die unbegründeten Verleumdungskampagnen gegen die Volksrepublik China und die Versuche, ihre territoriale Integrität und Souveränität zu untergraben. Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Unterstützung für das Prinzip des einen China.

Wir treten für eine ernsthafte, konstruktive und realistische diplomatische Lösung des gegenwärtigen Krieges in der Ukraine mit friedlichen Mitteln und im Einklang mit den Normen des Völkerrechts ein, die die Sicherheit und Souveränität aller garantieren.

Herr Präsident:

Kuba wird weiterhin seine Stimme erheben, um Vorherrschaft und Hegemonismus, einseitige Zwangsmaßnahmen, völkermörderische Blockaden und den Versuch, der Welt eine einzige Kultur und ein einziges Modell aufzuzwingen, abzulehnen.

Wir werden niemals auf die Verteidigung der Unabhängigkeit, der Souveränität und der Selbstbestimmung der Völker ohne ausländische Einmischung oder Intervention verzichten.

Für unsere ruhmreiche Vergangenheit, für die Gegenwart und die Zukunft der neuen Generationen von Kubanern werden wir unter der Führung von Präsident Miguel Díaz-Canel kreativ Widerstand leisten und unermüdlich kämpfen, bis wir unsere Träume von Frieden und Entwicklung, von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit für Kuba und die Welt verwirklicht haben.

Ich danke Ihnen vielmals.

Außenministers der Republik Kuba, Bruno Rodríguez Parrilla
21.09.2022, Vereinten Nationen. New York

Quelle: Granma