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Dokumente aus Kuba

Dokumente, Regierungserklärungen, Reden und Reflektionen, Erklärungen des kubanischen Außenministeriums, Veröffentlichungen der Nationalversammlung, Berichte der kubanischen Regierung sowie Beiträge Kubas vor den Vereinten Nationen.



Díaz-Canel: Unter der Führung und auf ständiges Betreiben der Vereinigten Staaten wird eine gefährliche internationale Spaltung vorangetrieben

Rede des Präsidenten der Republik Kuba, Miguel Díaz-Canel, in der Generaldebatte der 76. Sitzungsperiode der Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Díaz-Canel in der Generaldebatte der Vereinten Nationen
Herr Generalsekretär,

Herr Präsident,

wir leben in unsicheren Zeiten, unter den verheerenden Auswirkungen einer Pandemie, die die strukturellen Ungleichheiten und die globale Krise verschärft hat, Zeiten in denen die Rolle des Multilateralismus und der Vereinten Nationen immer wichtiger werden und die internationale Zusammenarbeit unzureichend war.



Die jahrzehntelange Anwendung neoliberaler Rezepte hat die Fähigkeit der Staaten verringert, die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung zu befriedigen. Die Schwächsten bleiben ungeschützt, während reiche Nationen, Eliten und transnationale Pharmakonzerne ihre Gewinne steigern.

Die Bündelung der Kräfte und des Willens zum Wohle der Menschheit ist heute nicht nur dringend, sondern auch moralisch geboten.

Mehr als 4,5 Millionen Menschen sind an den Folgen der Pandemie gestorben, die die Lebensbedingungen auf dem Planeten verschlechtert hat. Die Folgen und Auswirkungen auf alle Gesellschaften sind heute noch nicht absehbar, aber es ist bereits bekannt, dass sie nicht von kurzer Dauer sein werden. Der Bericht über die Ziele für nachhaltige Entwicklung 2021 bestätigt dies, während die Internationale Arbeitsorganisation vorhersagt, dass es im Jahr 2022 weltweit 205 Millionen Arbeitslose geben wird. Das Ziel der nachhaltigen Entwicklung, die Armut bis zum Jahr 2030 zu beseitigen, ist bereits ernsthaft gefährdet. Bis dahin soll die weltweite Armutsquote bei 7 Prozent liegen, was etwa 600 Millionen Menschen entspricht.

In dieser trostlosen Situation waren die Covid 19-Impfstoffe die Hoffnung. Bis August 2021 waren weltweit mehr als 5 Milliarden Dosen verabreicht worden. Mehr als 80 Prozent davon wurden jedoch in Ländern mit mittlerem und hohem Einkommen durchgeführt, deren Bevölkerung weit weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung ausmacht. Hunderte von Millionen Menschen in einkommensschwachen Ländern warten noch immer auf ihre erste Dosis und können nicht einmal abschätzen, ob sie diese jemals erhalten werden.

Während all dies geschieht, ist es beinahe unvorstellbar, dass sich die weltweiten Militärausgaben im Jahr 2020 auf fast zwei Billionen US-Dollar beliefen. Wie viele Leben hätten gerettet werden können, wenn diese Mittel für die Gesundheit oder die Herstellung und Verteilung von Impfstoffen eingesetzt worden wären? Die möglichen Antworten auf diese Frage liegen in einem Paradigmenwechsel und in der Umgestaltung einer zutiefst ungleichen und undemokratischen internationalen Ordnung, die den Egoismus und die engstirnigen Interessen einer Minderheit über die legitimen Bestrebungen von Millionen von Menschen stellt.

Wir werden nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Verschwendung natürlicher Ressourcen und die irrationalen Produktions- und Konsummuster des Kapitalismus, die Raubtiere der Umwelt und Verursacher des Klimawandels sind, der die Existenz der menschlichen Gattung bedroht, beendet werden müssen. Die Anstrengungen müssen gemeinsam unternommen werden, aber die Industrieländer haben die moralische Verpflichtung, die größte Verantwortung zu übernehmen, da sie die Hauptverursacher der derzeitigen Situation sind und über die entsprechenden Mittel verfügen.

Wir müssen uns um Solidarität, Zusammenarbeit und gegenseitige Achtung bemühen, wenn wir wirksam auf die Bedürfnisse und Wünsche aller Völker eingehen und das Wertvollste bewahren wollen: das Leben und die Würde des Menschen. Unsere Völker haben das Recht auf ein Leben in Frieden und Sicherheit, auf Entwicklung, auf Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Eine wiederbelebte, demokratisierte und gestärkte UNO ist aufgerufen, eine zentrale Rolle in diesem Bemühen zu spielen.

Herr Präsident,

unter der Führung und auf ständiges Betreiben der Vereinigten Staaten wird eine gefährliche internationale Spaltung vorangetrieben.

Durch den schädlichen Einsatz und Missbrauch von wirtschaftlichem Zwang, der zu einem zentralen Instrument der US-Außenpolitik geworden ist, bedroht und erpresst die US-Regierung souveräne Staaten und setzt sie unter Druck, damit sie sich gegen diejenigen stellen und gegen sie vorgehen, die diese Regierung als Feinde betrachtet. Sie verlangt von ihren Verbündeten, Koalitionen zu bilden, um rechtmäßige Regierungen zu stürzen, Handelsverpflichtungen zu brechen, bestimmte Technologien aufzugeben oder zu verbieten und ungerechtfertigte gerichtliche Maßnahmen gegen Bürger von Ländern zu ergreifen, die sich ihnen nicht unterwerfen.

Der Begriff "internationale Gemeinschaft" wird häufig verwendet, um die kleine Gruppe von Regierungen zu definieren, die dem Willen Washingtons bedingungslos folgen. Die übrigen Länder, die große Mehrheit dieser Organisation, scheinen in der von den Vereinigten Staaten vertretenen Definition der "internationalen Gemeinschaft" keinen Platz zu haben.

Es handelt sich dabei um ein Verhalten, das mit ideologischer und kultureller Intoleranz verbunden , ausgeprägt rassistisch beeinflusst ist und hegemoniale Ziele verfolgt. Es ist weder möglich noch akzeptabel, das Recht einer Nation auf wirtschaftliche und technologische Entwicklung als Bedrohung zu bezeichnen; ebenso wenig kann man das Recht eines Staates in Frage stellen, das von seinem Volk souverän gewählte politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle System zu entwickeln.

Kurzum, wir sind heute Zeugen inakzeptabler politischer Praktiken im internationalen Kontext, die der universellen Verpflichtung zur Einhaltung der Charta der Vereinten Nationen, einschließlich des souveränen Rechts auf Selbstbestimmung, zuwiderlaufen.

Unabhängige und souveräne Staaten werden auf vielfältige Weise unter Druck gesetzt, sich dem Willen Washingtons und einer auf dessen willkürlichen Regeln basierenden Ordnung unterzuordnen.

Herr Präsident,

seit mehr als 60 Jahren hat die US-Regierung ihre Angriffe gegen Kuba nicht eine Minute lang eingestellt, aber in diesem für alle Nationen entscheidenden und herausfordernden Moment überschreitet ihre Aggressivität alle Grenzen.

Die grausamste und längste Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die jemals gegen ein Land verhängt wurde, ist inmitten der Pandemie auf opportunistische und kriminelle Weise verschärft worden; und die derzeitige demokratische Regierung hält die 243 Zwangsmaßnahmen, die von der Regierung Donald Trumps beschlossen wurden, unverändert aufrecht, einschließlich der Aufnahme Kubas in die illegitime und unmoralische Liste der Länder, die angeblich den Terrorismus unterstützen.

In diesem Zusammenhang wird ein nicht-konventioneller Krieg gegen unser Land geführt, für den die US-Regierung öffentlich und notorisch mehrere Millionen Dollar bereitstellt, um durch Manipulations- und Lügenkampagnen, die neue Informationstechnologien und andere digitale Plattformen nutzen, nach innen und außen ein völlig falsches Bild der kubanischen Realität zu vermitteln, Verwirrung zu stiften, das Land zu destabilisieren und zu diskreditieren und die Doktrin des Regimewechsels zu rechtfertigen.

Sie haben alles getan, um die kubanische Revolution von der politischen Landkarte der Welt zu tilgen. Sie akzeptieren keine Alternativen zu dem Modell, das sie sich für ihren Hinterhof vorstellen. Ihr Plan ist pervers und unvereinbar mit der Demokratie und der Freiheit, die sie predigen.

Aber unsere Feinde müssen sich darüber im Klaren sein, dass wir unser Land und die Revolution, die uns mehrere Generationen aufrechter Patrioten hinterlassen haben, nicht preisgeben werden.

Heute möchte ich vor der respektablen und wirklichen Gemeinschaft der Nationen, die jedes Jahr fast einstimmig gegen die Blockade stimmt, wiederholen, was Armeegeneral Raúl Castro vor einigen Jahren gesagt hat, und ich zitiere: "Kuba hat keine Angst vor Lügen, noch beugt es sich Druck, Zwängen oder Auflagen, woher auch immer sie kommen mögen...".

Herr Präsident,

die kolossalen Herausforderungen schrecken uns nicht ab. Wir schaffen weiterhin etwas für Kuba. Wir üben selbstlose Solidarität mit denjenigen, die unsere Unterstützung brauchen, und wir nehmen sie auch dankbar von Regierungen, Völkern, Freunden und der kubanischen Gemeinschaft im Ausland entgegen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um allen für ihre Unterstützung in dieser Phase zu danken, die die Werte der Menschlichkeit und der bedingungslosen und sich nicht einmischenden internationalen Zusammenarbeit hervorhebt.

Gleichzeitig hat Kuba aufgrund von eingegangenen Ersuchen und geleitet von seiner tiefen Berufung zur Solidarität und zum Humanismus mehr als 4.900 Mitarbeiter, die in 57 medizinischen Brigaden organisiert sind, in 40 von COVID-19 betroffene Länder und Gebiete entsandt.

Die engagierten Mitarbeiter des Gesundheitswesens haben im Kampf gegen die Pandemie innerhalb und außerhalb Kubas nicht eine Minute geruht. Es sind dieselben, die nach dem verheerenden Erdbeben vor wenigen Wochen auf die Straße gingen, um der haitianischen Bevölkerung zu helfen. Sie sind diejenigen, die aus dem entlegensten Ort in eine kubanische Provinz reisen und, ohne den Staub der Reise zu entfernen, ihr Fachwissen und ihre Kenntnisse in den Dienst der Lebensrettung stellen. Sie sind viel mehr als Helden des Alltags, sie sind der Stolz unserer Nation und Symbole für ihre Berufung zur Gerechtigkeit. Dutzende von Persönlichkeiten und Tausende von Menschen haben ihre Kandidatur für den Friedensnobelpreis unterzeichnet.

Ebenso stolz sind wir auf die kubanische Wissenschaftsgemeinde, die inmitten enormer Engpässe drei Impfstoffe und zwei Impfstoffkandidaten gegen COVID-19 entwickelt hat. Sie stehen für die konkrete Umsetzung der Idee des Comandante en Jefe der kubanischen Revolution, der 1960 erklärte, dass "die Zukunft unseres Landes notwendigerweise eine Zukunft von Männern und Frauen der Wissenschaft sein muss...".

Dank der Unterstützung unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie des Gesundheitspersonals wurden in den ersten zehn Tagen dieses Monats mehr als 15,8 Millionen Dosen der Impfstoffe Abdala, Soberana 02 und Soberana Plus verabreicht, und 37,8 Prozent der kubanischen Bevölkerung sind vollständig geimpft. Wir streben eine vollständige Immunisierung der Bevölkerung bis Ende 2021 an, was uns ermöglichen wird im Kampf gegen das Wiederaufflammen der Pandemie voranzukommen.

Herr Präsident,

wir bekräftigen das Streben nach völliger Unabhängigkeit für Unser Amerika und die Zugehörigkeit zu einer wirtschaftlich und sozial integrierten Region Lateinamerikas und der Karibik, die in der Lage ist, die Verpflichtung der Proklamation Lateinamerikas und der Karibik als Zone des Friedens gegen das Ansinnen zur Wiedereinführung der Monroe-Doktrin und der neokolonialen Herrschaft zu verteidigen.

Wir widersetzen uns den Versuchen, die verfassungsmäßige Ordnung und die zivil-militärische Union zu destabilisieren und zu untergraben und die vom Kommandanten Hugo Chávez Frías begonnene und von Präsident Nicolás Maduro Moros fortgesetzte Arbeit zugunsten des venezolanischen Volkes zu zerstören. Wir bekräftigen, dass die Bolivarische Republik Venezuela sich immer auf die Solidarität Kubas verlassen kann.

Wir betonen nachdrücklich unsere Unterstützung für das brüderliche nicaraguanische Volk und seine Regierung der Versöhnung und der nationalen Einheit unter der Führung von Comandante Daniel Ortega, die ihre Errungenschaften angesichts der Drohungen und Einmischungen der Regierung der Vereinigten Staaten mutig und würdevoll verteidigen.

Wir stehen an der Seite der karibischen Nationen in ihrer Forderung nach gerechter Entschädigung für die Schrecken der Sklaverei und des Sklavenhandels. Wir unterstützen ihr Recht auf eine gerechte, besondere und differenzierte Behandlung, die unerlässlich ist, um die Herausforderungen des Klimawandels, der Naturkatastrophen, des ungerechten internationalen Finanzsystems und der schwierigen Bedingungen, die durch die Covid-19-Pandemie entstanden sind, zu bewältigen.

Wir bekräftigen, dass das brüderliche Volk von Puerto Rico nach mehr als einem Jahrhundert der kolonialen Herrschaft frei und unabhängig sein muss.

Wir sind solidarisch mit der Republik Argentinien in ihrem legitimen Anspruch auf Souveränität über die Malwinen, Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln sowie die umliegenden Seegebiete.

Wir bekräftigen unser Engagement für den Frieden in Kolumbien. Wir sind davon überzeugt, dass eine politische Lösung und ein Dialog zwischen den Parteien der richtige Weg ist, ihn zu erreichen..

Wir fordern außerdem ein Ende der Einmischung von außen in Syrien und die uneingeschränkte Achtung der Souveränität und territorialen Integrität des Landes, während wir gleichzeitig die Suche nach einer friedlichen und auf dem Verhandlungsweg erzielten Lösung für die Situation unterstützen, die dieser Schwesternation aufgezwungen wurde.

Wir fordern eine gerechte, umfassende, integrale und dauerhafte Lösung des Nahostkonflikts, einschließlich der Beendigung der israelischen Besetzung der usurpierten palästinensischen Gebiete und der Ausübung des unveräußerlichen Rechts des palästinensischen Volkes auf die Errichtung eines eigenen Staates in den Grenzen von vor 1967 mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem.

Wir verurteilen die gegen die Islamische Republik Iran verhängten einseitigen Zwangsmaßnahmen.

Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Solidarität mit dem saharauischen Volk.

Wir verurteilen nachdrücklich die einseitigen und ungerechten Sanktionen gegen die Demokratische Volksrepublik Korea.

Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Unterstützung für den Grundsatz "Ein Einziges China" und wenden uns gegen jeden Versuch, die territoriale Integrität und Souveränität der Volksrepublik China zu untergraben, sowie gegen die Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten.

Wir lehnen sowohl die Absicht ab, die NATO-Präsenz auf die Grenzen Russlands auszudehnen als auch die Einmischung in die souveränen Angelegenheiten Russlands und die Verhängung einseitiger und ungerechter Sanktionen gegen das Land..

Wir fordern ein Ende der ausländischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Republik Weißrussland und bekräftigen unsere Solidarität mit Präsident Alexander Lukaschenko und dem brüderlichen weißrussischen Volk.

Die Vereinten Nationen können die Lektion von Afghanistan nicht ignorieren. Es bedurfte zweier Jahrzehnte der Besatzung mit Tausenden von Toten, 10 Millionen Vertriebenen und Milliarden von Dollar an Kosten, die zu Profiten für den militärisch-industriellen Komplex wurden, um zu dem Schluss zu kommen, dass Terrorismus nicht mit Bomben verhindert oder bekämpft werden kann, dass Besatzung nur Zerstörung hinterlässt und dass kein Land das Recht hat, souveränen Nationen seinen Willen aufzuzwingen. Afghanistan ist kein Einzelfall. Es hat sich gezeigt, dass dort, wo die USA intervenieren, Instabilität, Tod und Leid zunehmen und dauerhafte Narben hinterlassen werden.

Herr Präsident,

wir bekräftigen die Entschlossenheit Kubas, seine Wahrheiten auch weiterhin klar auszusprechen, egal wie sehr sie einige stören mögen, die Grundsätze und Werte zu verteidigen, an die wir glauben, gerechte Anliegen zu unterstützen, Missständen entgegenzutreten, wie wir es mit ausländischer Aggression, Kolonialismus, Rassismus und Apartheid getan haben, und unermüdlich für mehr Gerechtigkeit, Wohlstand und Entwicklung für unsere Völker zu kämpfen, die eine bessere Welt verdienen.

Vielen Dank.


23.09.2021, Díaz-Canel in der Generaldebatte der Vereinten Nationen