Dokumente aus Kuba
Dokumente, Regierungserklärungen, Reden und Reflektionen von Fidel Castro, Erklärungen des kubanischen Außenministeriums, Veröffentlichungen der Nationalversammlung, Berichte der kubanischen Regierung sowie Beiträge Kubas vor den Vereinten Nationen.
Díaz-Canel: "Eine historisch verspätete Welt wartet auf unsere Vereinbarungen und Aktionen"
Rede des kubanischen Präsidenten Miguel Díaz-Canel Bermudez auf dem XVIII. Gipfel der Bewegung der blockfreien Staaten in Baku, Aserbaidschan.
Sehr geehrter Präsident Ilham Aliyev,
sehr geehrte Staats- und Regierungschefs,
Teilnehmer und Gäste,
mit aufrichtiger Ergriffenheit danke ich Ihnen für die herzliche Begrüßung durch das Volk und die Regierung der Republik Aserbaidschan, mit denen uns 27 Jahre ununterbrochener Beziehungen verbinden. Es war eine lange, aber wichtige Reise.
Wir trafen in dem schönen und blühenden Baku ein, nachdem wir mehr als 11.300 Kilometer zurückgelegt hatten, die Blockade brechend, die sich in den letzten Monaten brutal verschärft hat. Denn die gegenwärtigen ernsten Herausforderungen machen es erforderlich, dass wir wieder die Rolle in der internationalen Arena übernehmen, die der Bewegung der blockfreien Staaten als Bewegung, der die Mehrheit des Planeten angehört, zukommt.
Wie schon im Jahr 1961 ist es auch hier von entscheidender Bedeutung, dass wir gemäß den Grundprinzipien von Bandung für den Frieden und die Entwicklung der Völker zusammenarbeiten. Denn es ist unsere Verantwortung als Politiker und niemand sonst wird es für uns tun.
Angesichts der offenen Verachtung der Vereinigten Staaten und anderer Regierungen für die gerechten Ansprüche der Nationen des Südens; angesichts der obszönen Politisierung der Menschenrechte und der offenkundigen Missachtung des Rechts der Völker, über ihr politisches, sozioökonomisches und kulturelles System zu entscheiden, angesichts des fehlenden Engagements für Multilateralismus und internationale Verträge können andere gleichgültig sein. Nicht wir. Denn all diese Aktionen sind gegen unsere Völker gerichtet.
Die Nationen, die mit ihrem Blut, ihrem Schweiß und ihrem Leiden den höchsten Preis für den Fortschritt gezahlt haben und die aus der kolonialen Ausbeutung und Plünderung hervorgegangen sind, mit jahrhundertelanger wirtschaftlicher und sozialer Rückständigkeit, haben das Recht zu fragen:
• Warum steigen die Militärausgaben weiterhin irrational an, während die Investitionen für Entwicklung und Zusammenarbeit reduziert werden?
• Warum wird der Ernst des Klimawandels unterschätzt, der die Existenz kleiner Inselstaaten und das Überleben der Menschheit gefährdet?
• Warum werden die Waffen nicht zum Schweigen gebracht und die rückständigsten und verarmten Nationen nicht mit fairer, besonderer und differenzierter Behandlung für die Plünderungen entschädigt?
Exzellenzen,
Kuba war das erste lateinamerikanische Land in der MNOAL. Dieses Konzert freier Nationen, das unter demokratischen Regeln und ohne Veto abläuft, ist das, was wir verteidigen und von dem wir träumen, es eines Tages in den Vereinten Nationen zu sehen. Wir bekräftigen hier die Werte, auf deren Kraft wir uns stützen:
• Unsere Solidarität mit allen kämpfenden Völkern, damit ihr freies Recht auf Selbstbestimmung anerkannt wird.
• Unsere Ablehnung der einseitigen Entscheidungen der Vereinigten Staaten zur Unterstützung Israels und gegen den Iran, die die Instabilität in der volatilen Region des Nahen Ostens erhöhen.
• Unsere Forderung, den Krieg gegen das syrische Volk zu beenden und eine umfassende, faire und dauerhafte Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt zu finden.
• Wir begrüßen den Prozess der interkoreanischen Annäherung und des Dialogs und verurteilen die einseitigen Sanktionen gegen die DVRK.
• Unsere entschiedene Ablehnung der US-Kampagnen gegen politische Kräfte, linke Führer und fortschrittliche Regierungen in Lateinamerika und der Karibik.
• Unsere feste Solidarität mit dem verfassungsmäßigen Präsidenten Venezuelas, Nicolás Maduro, der Bolivarischen und Chavistischen Revolution und sowie der zivil-militärischen Union seines Volkes, die es verstanden haben, die Souveränität des Landes gegen die größten Bedrohungen und Gefahren zu verteidigen.
• Wir bekräftigen gleichermaßen unsere Unterstützung und Solidarität mit der nicaraguanischen Regierung angesichts der Versuche der USA, diese Schwesternation zu destabilisieren.
• Unsere Glückwünsche an das Volk des Plurinationalen Staates Bolivien für seine aktive Teilnahme am Wahlprozess und an Präsident Evo Morales Ayma für seine Wiederwahl.
• Wir verurteilen den Staatsstreichversuch und die Kampagne von Falschdarstellung, Destabilisierung und Gewalt, die von Teilen der Opposition entfacht und von den Vereinigten Staaten gegen den Frieden und die Sicherheit der Bürger in Bolivien angestiftet wird. Das Bolivien der Eingeborenen und jahrhundertelang verächtlich Behandelten, das unter seinem außerordentlichen Führer zu einem der Länder mit dem schnellsten Wachstum und den größten Reserven in unserer Region wurde.
• Und wegen der ernsten Risiken für unsere Region und die Welt lehnen wir insbesondere die Entscheidung ab, den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitige Unterstützung (TIAR) zu aktivieren, um den US-amerikanischen Wunsch nach einer Wiederbelebung der Monroe-Doktrin in dem abgestandenen Bestreben, „Amerika groß zu machen“, militärisch zu unterstützen, auf Kosten der Wiederverwandlung der freien Nationen des Kontinents in ihren Hinterhof.
Liebe hier anwesende Führungskräfte,
während des Kalten Krieges nannten sie uns Dritte Welt. Es war anzunehmen, dass wir frei von Kriegen wären, wenn wir nicht zu dem einen oder anderen Block gehörten. Aber unsere Völker wissen, weil wir die Toten und die Verluste stellen mussten, dass, wenn sich die Waffen jemals abkühlten, es nur unter den Mächtigen war.
In Afrika, Asien und Lateinamerika gibt es praktisch keine Nation, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bis heute nicht unter den schmerzhaften Kosten von Kriegen, Befreiungskämpfen oder Interventionen von geringer, mittlerer oder hoher Intensität gelitten hat.
Selbst dort, wo es keinen Tod und keine Zerstörung gab, gab es hohe Kosten, als die Preise für das, was wir gekauft hatten, in die Höhe schnellten und die Preise für das, was wir verkauften, sanken. Als die Diktatur des Dollars und missbräuchlichen Finanzinstitutionen eingeführt wurden, die aus den sogenannten Bretton-Woods-Abkommen hervorgegangenen sind, diesem großen Betrug, der die Welt dazu brachte, sich um die Höhen und Tiefen der imperialen Politik zu drehen.
Die Mächtigen haben von ihren bequemen gepanzerten Räumen aus unsere Länder in Labors und Märkte ihrer Waffen verwandelt und uns als Bilanz Millionen von Toten, Vertriebenen, Flüchtlingen, Hungernden und Verletzten hinterlassen.
Sie haben universelle Verhaltensregeln diktiert, gegen die sie selbst ständig verstoßen, und Listen aufgestellt, um uns auszuschließen oder zu bestrafen, wenn wir uns nicht den blinden Gesetzen des Marktes und der imperialen Hegemonie unterwerfen.
Der Dritte Weltkrieg ist nicht der nächste Krieg. Es ist der Krieg ohne Anfangsdatum oder berechnetem Ende, der jahrelang edle und friedliche Nationen ausblutet, mit Waffen imperialer Armeen, Söldnern und Terroristen, die als Befreier verkleidet sind, im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus, der Verteidigung von Demokratie, Freiheit oder Menschenrechten. Lüge!
Er ist noch nie so viel gelogen worden, mit größter Unverschämtheit und furchtbaren Kosten für die große Mehrheit der Menschheit, im Sinne der Interessen einer Minderheit, die ihren Luxus zu atemberaubenden Exzessen getrieben hat.
Im 21. Jahrhundert wüten Drohungen und Aggressionen in unterschiedlichem Ausmaß über alle souveränen Regierungen, die es ablehnen, der Hegemonialmacht zu dienen, indem sie Militärstützpunkte errichten, Ressourcen bereitstellen oder ihrem Mandat nachgeben.
Da ist das heldenhafte Venezuela, dem jahrzehntelang seine fast unendlichen Energiereserven geplündert wurden, bis die Bolivarische Revolution sie rettete, um sie in den Dienst seines Volkes und der regionalen und internationalen Solidarität und Zusammenarbeit zu stellen.
Gegen Venezuela, das sich wehrt, werden die perversesten Vorwürfe erhoben, psychologische Kampftechniken angewendet und die Destabilisierung gefördert. Ein tausendfach gescheiterter Versuch, einen internen Konflikt auszulösen.
Auf dem Höhepunkt von Schande und Zynismus wirft das Imperium der Bolivarischen Regierung vor, ein Instrument Kubas zu sein.
Da sie Solidarität weder praktizieren noch kennen, beschuldigen sie, blind vor Bosheit und Impotenz, unsere Mitarbeiter des Gesundheitswesens, getarntes Militärpersonal zu sein, und verfolgen und blockieren den Handel zwischen unseren Nationen, was die Vitalität unserer Volkswirtschaften beeinträchtigt.
Sie brechen Vereinbarungen, entfesseln kommerzielle, elektronische und Medienkriege. Sie schließen Türen, errichten Mauern, beschlagnahmen Vermögenswerte, stehlen Gelder, verbieten den Austausch. Sie ignorieren und verletzen internationale Gesetze. Sie versprechen, Amerika groß zu machen, ihr Amerika, das nicht unser ist, auf Kosten der Reduzierung des verbleibenden Platzes für den Rest des Planeten.
"Sie bewegen sich Welten verschlingend durch den Himmel", würde unser José Martí sagen.
Es ist Zeit, ihnen zu antworten.
Die Blockfreien repräsentieren mehr als zwei Drittel der Vereinten Nationen und ungefähr 55 Prozent der Weltbevölkerung. Wir gruppieren Nationalitäten, Kulturen, Identitäten, menschliche und politische Kräfte aller Art, Friedensliebhaber und Entwicklungswillige, jedoch ohne Ausschlüsse oder Hegemonismen.
Ein Rückblick auf unsere gemeinsame Geschichte, auf die Worte und Vereinbarungen unserer Führer in über sechs Jahrzehnten zeigt uns zuallererst die libertäre und antiimperialistische Berufung der Bewegung und die außergewöhnliche Kraft, die aus unserer Solidarität und Zusammenarbeit entstehen kann.
Gemeinsam haben wir Kolonialismus und Apartheid besiegt, haben wir uns Aggressionen und Einmischung, Hungersnöten und Naturkatastrophen, Epidemien sowie wirtschaftlichen und politischen Blockaden entgegengestellt.
Wir danken der Bewegung der blockfreien Staaten für ihre historische Position der Verurteilung und Ablehnung der mehr als fünf Jahrzehnte andauernden Blockade gegen unser Land und des Helms-Burton-Gesetzes, das einen ausgeprägten exterritorialen Charakter hat, der das verschärfte Maß an Aggressivität der Vereinigten Staaten gegen den Widerstand unseres Volkes zum Ausdruck bringt .
Diese verbrecherische Politik ist das Haupthindernis für unsere Entwicklung, aber sie ist auch Ausdruck der Missachtung seitens der Großmacht der Menschenrechte der Kubaner, des Völkerrechts und des freien Handels.
Gegen jede menschliche Logik des Zusammenlebens unter Achtung der Unterschiede verschärft sich die Blockade täglich. Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass neue Maßnahmen zur Strangulierung unserer Wirtschaft angekündigt werden.
Wie die Piraten anderer Zeiten hat die derzeitige Regierung der Vereinigten Staaten ihre Belagerungspolitik auf das Meer ausgedehnt und verfolgt und bestraft bösartig Unternehmen, Schiffe und Schifffahrtsunternehmen, die am Treibstofftransport nach Kuba beteiligt sind.
Wir möchten heute vor Ihnen noch einmal betonen, dass wir Drohungen und Druck nicht nachgeben werden und dass wir die Anstrengungen, unser Projekt zum Aufbau einer prosperierenden und nachhaltigen Nation voranzutreiben, nicht aufgeben werden. Umso prosperierender und nachhaltiger, je freier, unabhängiger, sozialistischer und souveräner.
Exzellenzen,
im Namen Kubas möchte ich die Arbeit der Präsidentschaft Venezuelas an der Spitze der Bewegung anerkennen, inmitten der komplexesten und rauesten Umstände unter der imperialen politischen Belagerung.
Gleichzeitig verpflichten wir uns, die Arbeit der Republik Aserbaidschan im Dreijahreszeitraum 2019-2021 voll zu unterstützen.
Wenn Sie mir erlauben, nehme ich ein kleines Blatt der langen Geschichte der Blockfreien, um zu ihren Essenzen zurückzukehren. Es ist Teil einer Rede von Fidel Castro, dem historischen Führer der kubanischen Revolution und einem der mutigsten und kühnsten Verteidiger der Blockfreiheit. Fidel sagte 1979 auf dem VI. Gipfel von Havanna (und ich zitiere):
"Die Stärke unserer vereinten Länder ist sehr mächtig. Wir, die hier Versammelten, repräsentieren die große Mehrheit der Völker der Welt. Lassen Sie uns alle zusammenkommen und die wachsenden Kräfte unserer starken Bewegung bei den Vereinten Nationen und in allen internationalen Foren zur Geltung bringen, um wirtschaftlich Gerechtigkeit zu fordern für unsere Völker, damit die Herrschaft über unsere Ressourcen und der Diebstahl unseres Schweißes aufhören! Fordern wir gemeinsam unser Recht auf Entwicklung, unser Recht auf Leben, unser Recht auf Zukunft!"
Warten wir nicht ab, dass die Bomben auf Venezuela oder Kuba fallen, wie sie bereits auf Syrien und zuvor auf den Irak und Libyen gefallen sind, um dessen Wiederaufbau zu unterstützen. Verhindern wir Aggressionen! Lassen Sie uns den außer Kontrolle geratenen Ehrgeiz und die Arroganz des Imperiums rechtzeitig stoppen!
Kuba ist stolz darauf, Schauplatz der Proklamation Lateinamerikas als Friedenszone gewesen zu sein, und darauf, dass unser Vaterland die Gespräche für das Ende des langen Konflikts in Kolumbien aufgenommen hat, deren Ergebnisse heute auch durch die von den Vereinigten Staaten geförderten ständigen Versuche, die Region zu destabilisieren, gefährdet sind. In Kolumbien unterhalten die USA 9 ihrer 76 Militärbasen in ganz Lateinamerika.
Ich möchte Sie auch an die ständige Bereitschaft unseres Landes zum bedingungslosen Dialog auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts erinnern. Vor drei Jahren, während des vorangegangenen Gipfels, waren erst 21 Monate vergangen, seit die Beziehungen zwischen den USA und Kuba wiederhergestellt waren.
Dort auf der Insel Margarita in Venezuela bekräftigte unser Armeegeneral:
"... den Willen, mit den Vereinigten Staaten Beziehungen eines zivilisierten Zusammenlebens zu unterhalten", warnte aber gleichzeitig: "Kuba wird nicht auf ein einziges seiner Prinzipien verzichten und auch keine seine Souveränität und Unabhängigkeit betreffenden Konzessionen machen. Es wird nicht bei der Verteidigung seiner revolutionären und antiimperialistischen Ideale zurückweichen und auch nicht bei seiner Unterstützung der Selbstbestimmung der Völker"
Wir bestätigen die Entscheidung, weiterhin mit den Völkern zusammenzuarbeiten, die dies wollen, nach dem Prinzip, das mit ihnen zu teilen, das wir haben, und nicht zu geben, was wir übrig haben, denn im Überfluss haben wir nur Mut.
Wir sind gekommen, um der MNOAL zu bestätigen, dass die neuen Generationen von Führern Kubas den Prinzipien, die wir seit fast 60 Jahren im Konzert der Nationen der Bewegung aufrechterhalten haben, Kontinuität verleihen werden und dass wir vor der Herausforderung stehen und die Kraft haben, die Ungleichgewichte zu korrigieren, die heute den Weltfrieden gefährden.
Ich wende mich an unsere Länder, die die Bewegung der blockfreien Staaten integrieren, wie José Martí in Bezug auf Unser Amerika sagte:
"Wir können nicht länger der Wald von Bäumen sein, die in der Idylle leben, mit blütenreichen Kronen, die knistern oder summen, je nachdem, wie sie die Laune des Lichts liebkost oder die Stürme schlagen oder fällen. Die Bäume müssen sich in Reih und Glied aufstellen, damit der Riese mit den Siebenmeilenstiefeln nicht hindurch kann! Es ist die Zeit der Abrechnung und des gemeinsamen Marsches, und wir müssen eng beieinander marschieren."
Sie haben die Stärke der Waffen. Wir sind die Stärke der Völker.
Es gibt eine historisch verspätete Welt, die auf unsere Vereinbarungen und Aktionen wartet.
Ich schlage vor, uns auszurichten, aber gemäß unserem Konsens:
Nein zum Krieg, ja zum Frieden!
Nein zu Hegemonismen, ja zum Multilateralismus!
Nein zur Einmischung, ja zur Souveränität!
Nein zum Ausschluss, ja zur Einbeziehung!
Nein zum Hass, ja zur Solidarität!
Nein zur Kontrolle der Welt durch die Mächtigen, ja zur wahren Freiheit und der Demokratisierung der Vereinten Nationen und der internationalen Beziehungen!
Nur die Einheit kann uns retten. Wir sind mehr. Lassen Sie uns mehr tun!
Vielen Dank!
Rede des kubanischen Präsidenten Miguel Díaz-Canel Bermudez auf dem XVIII. Gipfel der Bewegung der blockfreien Staaten in Baku, Aserbaidschan.
25.10.2019, Havanna
Quelle: Granma