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Dokumente aus Kuba

Dokumente, Regierungserklärungen, Reden und Reflektionen von Fidel Castro, Erklärungen des kubanischen Außenministeriums, Veröffentlichungen der Nationalversammlung, Berichte der kubanischen Regierung sowie Beiträge Kubas vor den Vereinten Nationen.



4. Parteitag der KP Kubas

IV. Parteitag der Kommunistischen Partei Cubas, Oktober 1991

BESCHLUSS ÜBER DAS PROGRAMM DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI KUBAS



Ausgehend von den Äußerungen des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees, des Genossen Fidel Castro, hat der IV. Parteitag das Problem der programmatischen Orientierung der Revolution im Kontext einer Ausnahmeperiode zu Friedenszeiten aus den verschiedensten Blickwinkeln heraus untersucht.

Die Analyse des Programms führt zu dem Schluß, daß wenngleich der vom III. Parteitag beschlossene Text, dem ein weitreichender Prozeß der massiven Befragung zu Grunde liegt, Formulierungen enthält, die politisch wesentlich sind und die auch weiterhin volle Gültigkeit behalten, da sie unter der Perspektive der Notwendigkeit des Aufbaus des Sozialismus in Kuba abgefaßt worden sind, einer Notwendigkeit, die auf einer rigorosen Untersuchung des historischen Prozesses und der neokolonialen und unterentwickelten Struktur der kubanischen Gesellschaft beruht, so entspricht das Programm jedoch nicht vollkommen den Konzepten, die sich im Laufe des Prozesses der Berichtigung von Fehlern und negativen Tendenzen, der nach dem 19. April 1986 anlief und der teilweise bereits Monate vorher im Bericht an den III. Parteitag angedeutet wurde, herausgebildet haben, besonders was den Übergang zum Sozialismus unter den konkreten kubanischen Bedingungen angeht.

Bei der detaillierten Betrachtung des Textes des Programms bekräftigt der IV. Parteitag die Kriterien und Einschätzungen, die sich auf die historische Begründung der kubanischen Revolution beziehen, auf die Epoche, in der sie zum Sieg gelangt, auf ihren Charakter und auf ihr Anliegen. Es wird bestätigt, daß ihr Ziel darin liegt, eine neue sozialistische Lebensweise zu schaffen und ausgehend von den Konzepten und den Erfahrungen unserer Partei sowie von der Rechtmäßigkeit ihrer Bestrebungen, die ihren Ausdruck in der Sozialpolitik finden, werden die Tendenzen bestätigt, die diese neue sozialistische Lebensweise charakterisieren müssen. In diesem Sinne unterstreicht der IV. Parteitag, daß es notwendig ist, die Einstellungen sowie die Dringlichkeiten dahingehend zu aktualisieren, daß es uns auf der Grundlage der Mittel, über die wir verfügen, und des wirtschaftlichen Wachstums, das wir zu erreichen in der Lage sind, möglich ist, standzuhalten und uns gleichzeitig weiterzuentwickeln.

Wie die Parteileitung erklärt, wurde auf dem Parteitag wiederholt festgestellt, daß wir dank der Gerechtigkeit und des Humanismus unserer revolutionären Gesellschaft sowie dank der kubanischen Auffassung vom Sozialismus in der Lage sein werden, den Widerwärtigkeiten zu begegnen, und in einem Klima der Gleichheit, Brüderlichkeit und der Solidarität, in dem kein einziger Mann, keine einzige Frau, kein einziges Kind und kein einziger Greis je seinem Schicksal überlassen werden wird, standzuhalten und siegreich aus ihnen hervorzugehen.

Wir verdanken die Revolution niemand anderem als uns selbst. Wir haben niemanden um Erlaubnis gefragt, um sie durchführen zu können. Wir lieben unser Werk viel zu sehr, als daß wir es mit dem kleinsten Schwanken entehrten. Die hauptsächlichsten Bestrebungen des Programms auf dem Gebiet der sozialwirtschaftlichen Entwicklung basierten auf den Garantien, die die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu den sozialistischen Ländern für unser Land darstellten, und darunter besonders das gerechte und gleichberechtigte Wesen der Zusammenarbeit und des Austausches mit der Sowjetunion.

Gleichzeitig führte die fehlerhafte Tendenz, die Kritik in den Manifestationen des Idealismus als Verneinung der Erfolge und Konzepte der ersten Jahre der Revolution zu verstehen zur Verherrlichung, zur Übernahme und sogar zur Nachahmung der europäischen sozialistischen Erfahrung.

Ab 1976 wurde ein System der wirtschaftlichen Leitung eingeführt, dessen Fundamente von anderen sozialistischen Ländern kopiert wurden, dieses System wurde in vielerlei Hinsicht von Che! in Frage gestellt, womit er einen Beweis seiner großen Scharfsinnigkeit und seiner politischen Weitsicht lieferte, denn wenngleich es in jenen Ländern unter den schwierigen Bedingungen der Nachkriegszeit in der Praxis tatsächlich spürbare materielle Ergebnisse hervorrief, so führte es doch zur Bewußtseinsentfremdung und zu einer beträchtlichen Zerstörung der Ideologie.

Mit seiner Einführung, die einen exzessiven Drang nach persönlichen Einnahmen und nach Geld mit sich brachte, begingen wir hier, unter den konkreten und ureigenen Bedingungen unseres Landes nur 90 Meilen vom reichsten und mächtigsten Imperium der Erde entfernt, einen politischen Fehler, der in der Konzeption des Systems selbst bestand.

Seine Anwendung erwies sich andererseits als fehlerhaft und unvollständig, und es wurde die Unfähigkeit einer solchen Konzeption deutlich, nicht nur die Wirtschaft wirksam zu leiten, sondern auch die Unterentwicklung zu überwinden und das qualitative Wachstum zu erreichen, daß für das Anliegen der Revolution erforderlich war.

Die bewußte und aktive Beteiligung der Massen und ihr immenses Potential für die Entwicklung des Landes wurde im Zuge eines plumpen und blinden Vertrauens in gewisse Mechanismen, die wie im Kapitalismus die Hauptrolle in der wirtschaftlichen Aktivität zu spielen schienen, praktisch außer Acht gelassen.

Im Programm selbst war bereits davor gewarnt worden, daß in der Konzeption und der Anwendung dieser ökonomischen Mechanismen eine strategische Gefahr für die Revolution liegen könnte.

Trotzdem fanden diese pseudo-ökonomischen und technokratischen Ideen in gewisser Weise doch Eingang in den Wortlaut des Programms der Partei.

Die politische Arbeit und das Handeln der revolutionären Vorhut wurden in dieser Konzeption auf bloßen Formalismus reduziert.

Dennoch bleiben die Grundlagen und Leitungsprinzipien der ideologischen Tätigkeit auch weiterhin ein gültiger Anhaltspunkt, selbst wenn sie in einem historischen Moment konzipiert wurden, den wir bereits überwunden haben, und in ihrer Gesamtheit stellen sie die Prämisse für eine konsequente Weiterentwicklung des Denkens und für die Praxis unserer Partei unter den gegenwärtigen Umständen dar.

Einige Reflexionen, die angesichts der Defekte und Unzulänglichkeiten der ideologischen Tätigkeit auf ihre Verbesserung hinzielten, da sie diese als einen organischen Teil des wirtschaftlichen Aufbaus und der Demokratisierung unserer Gesellschaft auffaßten, drangen jedoch nicht bis zu den tiefliegendsten Gründen vor, nämlich dem Mißbrauch der Mechanismen und der wirtschaftlichen Hebel derart, daß sie die ideologische Entwicklung, die angestrebt wurde, strategisch gefährdeten.

Der damals an unsere Partei gerichtete Aufruf, eigene Lösungen und Antworten auf die ideologischen Phänomene zu geben, die wir in der Lage waren ausfindig zu machen, gewinnt so angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen erneut an Gültigkeit.

Der IV. Parteitag stimmt den im Programm zum Ausdruck kommenden Konzepten zu, die sich auf die gesellschaftliche Funktion der Organe der Massenmedien beziehen und unterstreicht die Verantwortlichkeit der Presse und der Journalisten bei der ständigen Erhöhung des Informationsniveaus der Bevölkerung als entscheidendes Element bei der Förderung eines bewußten Verhaltens, bei der ständigen Bereicherung der politischen Bildung des Volkes und bei seiner ideologischen Entwicklung. In diesem Sinne ist der IV. Parteitag der Ansicht, daß es der Presse unter den exzeptionellen Umständen der Ausnahmeperiode zukommt, eine unersetzliche Rolle bei der Orientierung hinsichtlich der Prioritäten und der entscheidendsten und dringlichsten Aufgaben zu spielen; von den Journalisten und den Kadern dieses Sektors verlangt dies, daß sie bei der Kundgebung und Verteidigung des Anliegens der Revolution und den Anstrengungen, die unternommen werden, einen jedesmal professionelleren, kompetenteren und strengeren Einsatz leisten.

Außerdem berücksichtigte der Parteitag, daß der Einfluß von Rundfunk und Fernsehen bei der Orientierung und der ideologischen Erziehung des Volkes, der sich in der gegenwärtigen Situation noch vergrößert hat, nach Lösungen verlangt, die auf der Ebene der künstlerischen Schöpfung und bei den Kriterien zur Programmation dafür sorgen, daß Äußerungen und Tendenzen schlechten Geschmacks kein Raum gewährt wird und daß keine exzessive und kritiklose Präsenz von ausländischen Materialien zustandekommt, sondern daß diese in gewöhnlichen Abständen auftreten, da sie neben ihrem ästhetischen Anliegen Anschauungsobjekte für die moralische Dekadenz der kapitalistischen Gesellschaften darstellen und entfremdend wirken durch die Verherrlichung einer Lebensweise, die auf Ausbeutung und Ungerechtigkeit basiert.

Der IV. Parteitag erhält die Gültigkeit und die Aktualität der im Programm vorgebrachten Doktrin des Krieges des gesamten Volkes aufrecht, deren Forderungen sich in der Praxis dieser Jahre bestätigt haben und bereichert worden sind. Der Parteitag kann anhand der unbestreibaren Stärkung der Verteidigungskraft des Landes einschätzen, daß die Richtlinien, die wir verfolgen, nicht nur authentisch sind, weil sie über Wurzeln aus der Zeit der Mambises (2) und der Rebellen verfügen, sondern daß sie auch die einzig geeignete Front gegenüber den Realitäten darstellen, die uns von der Geografie und der internationalen Konjunktur aufgezwungen werden.

Was die Entwicklung der Wissenschaft anbelangt, deren Einfluß auf die Zukunft des Landes gewachsen und mittlerweile entscheidend ist, so macht es sich erforderlich, die im Programm geäußerten Ziele und Entwürfe zu überarbeiten, sie den gegenwärtigen Bedingungen anzupassen, dabei die positiven Erfahrungen einzubeziehen, die im Laufe des Prozesses der Berichtigung von Fehlern gesammelt wurden, und nachdrücklich auf ihre Verbindung mit den dringenden Programmen, die das Land im Rahmen seiner Wirtschaftsstrategie vorantreibt, hinzuweisen, um so die Umwandlungen zu unterstützen, die sich aus der aktiven Beteiligung des Wissenschaft als direkte Produktivkraft ableiten. All dies erfordert die maximale Aufopferung der Professionellen, Kader und Angestellten dieses Sektors.

Bei der Untersuchung der Entwürfe des Programms im Bereich der Erziehung bekräftigt der Parteitag die Notwendigkeit, nachdringlicher auf Qualität zu bestehen aus dem Verständnis heraus, zu dem uns der Prozeß der Berichtigung von Fehlern selbst geführt hat, daß, um dies zu erreichen, die Kapazität und die Beispielhaftigkeit der Lehrer, Dozenten und Basiskader ein entscheidendes Element darstellen, und daß das Hauptziel in der Heranbildung einer neuen Generation von Revolutionären besteht, die durch die Arbeit und zur Arbeit erzogen wird, einer Generation mit der angebrachten technischen und kulturellen Kapazität und mit tiefen patriotischen und politischen Überzeugungen. Eine grundlegende Verantwortung bei der Erziehung dieser neuen Generationen liegt bei der Familie, und da an erster Stelle, bei Vater und Mutter, die dafür Sorge tragen sollten, diese Verantwortung mit der erforderlichen Beharrlichkeit und den besten Erziehungsmethoden auf sich zu nehmen. Wir werden weiter voranschreiten bei der Ausbildung von Professionellen mit weitreichendem Profil und mit den notwendigen praktischen Fähigkeiten, desgleichen wird die Entwicklung der Bedingungen weiter vorangetrieben, die es gestatten, die Universitäten in Forschungszentren zu verwandeln.

Die Werte der kubanischen Identität und der Nationalkultur, die diese verkörpert und ständig bereichert, müssen als eine Waffe der Bekräftigung und der Verteidigung des Vaterlandes, seiner Souveränität und Unabhängigkeit, seiner Ethik und seines transzendentalen Anliegens verfochten und angeregt werden. Der IV. Parteitag ist gleichfalls der Ansicht, daß die Rolle dieser Identität, die eng verbunden ist mit der der kubanischen Nation eigenen Natur, mit der Geschichte, die sie gestählt hat, und mit ihrer zeitgenössischen Erscheinung, dazu führt, daß die kubanische Kultur eine der wichtigsten Bastionen des Bewußtseins und seiner literarischen und künstlerischen Ausdrucksfindung ist, daß sie ein Umfeld der Suche, der Forschung und der Erfahrungen schafft, wie es nur eine Revolution zu tun in der Lage ist und das sich gleichzeitig in der Revolution widerspiegelt. Der IV. Parteitag bekräftigt den Willen der Partei, unermüdlich an der Weiterentwicklung der kubanischen Kultur zu wirken, deren Ziel es ebenfalls sein wird, ausgehend von der Mannigfaltigkeit unserer eigenen und Achtung der anderen Kulturen, zur geistigen und kulturellen Integration Lateinamerikas und der Karibik sowie zur schöpferischen Suche, zur Bekanntmachung und zur Gegenüberstellung ihrer literarischen und künstlerischen Manifestationen beizutragen.

Für den IV. Parteitag bleibt das revolutionäre, antiimperialistische und solidarische Wesen unserer Außenpolitik und ihre Orientierung auf gegenseitigen Respekt und brüderliche Einheit mit den Völkern, die den Aufbau des Sozialismus vorantreiben, unveränderlich bestehen, ebenso wie ihre Treue gegenüber den Interessen und Bestrebungen der unterentwickelten Länder und der Integration mit unseren Brudervölkern in Lateinamerika und der Karibik.

Der IV. Parteitag unterstreicht ebenfalls die erwiesene Berufung Kubas und seinen Kompromiß, sich im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen und anderer internationaler Foren konstruktiv zu beteiligen an der Suche nach Lösungen für die weltweiten zeitgenössischen Probleme, an den Bemühungen, regionale Konflikte und Streitigkeiten auf politischen Wegen zu lösen und am Streben um die ständige Sicherung des Friedens, um die Demokratisierung der UNO und um Sicherheit für alle Völker auf gerechten und gleichberechtigten Grundlagen.

Entgegen der Politik der Vorherrschaft, die gegenwärtig von der einpoligen Hegemonie des nordamerikanischen Imperialismus verfolgt wird, die versucht, sich in Form einer neuen Ordnung durchzusetzen, erhält Kuba den Respekt gegenüber der Entscheidungsfreiheit als einem wesentlichen Bestandteil der Unabhängigkeit der Völker ohne Zweideutigkeiten aufrecht.

Heute mehr denn je, bestätigen wir unsere unbeschränkte Unterstützung der Gültigkeit des universellen Rechts, das allen Nationen unübertragbar die Selbstbestimmung, die Souveränität und die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten ihres Staates gewährt.

Der IV. Parteitag anerkennt die Richtigkeit der wesentlichsten Gesichtspunkte über die Partei, die in den Kapiteln VIII und IX des Programms zum Ausdruck kommen und in den prinzipiellen Formulierungen über ihre Rolle in der Gesellschaft, die absolute Gültigkeit haben. Trotzdem erweist sich der Text jetzt als unvollständig in bezug auf wichtige Schlußfolgerungen, die sich aus dem Prozeß der Berichtigung von Fehlern und der Debatte um den Aufruf zum Parteitag ableiten lassen, da viele dieser Schlußfolgerungen von großer Tragweite sind, weil sie sich unter anderem auf die Notwendigkeit beziehen, die weitere Vervollkommnung unseres politischen Systems in Angriff zu nehmen und die Wirksamkeit der Tätigkeit der Partei als Protagonist der Revolution weiter zu steigern.

Die Aufgabe, die im Zusammenhang mit der Aktualisierung und der Neuerarbeitung des Parteiprogramms steht und die infolge des Prozesses der Berichtigung von Fehlern dem IV. Parteitag von jeher zugekommen wäre, bisher aber leider nur oberflächlich formuliert wurde, ist in der gegenwärtigen Konjunktur bedingt durch eine kritische Realität: Im Augenblick existieren nicht einmal die elementarsten Bedingungen, um jenen Teil des Programms, der sich auf eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung bezieht, deren Durchführbarkeit materiell abgesichert werden kann, sei es auch auf längere Sicht hin, mit einer Reichweite und so umfassend neu zu formulieren, wie es erforderlich scheint. Das Verschwinden des Sozialistischen Lagers, die Auflösung des RGW und die Transformationen, die in der Sowjetunion stattgefunden haben, treten mit allen ihren wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen in einem Moment der außergewöhnlichen Reife des kubanischen revolutionären Prozesses auf, und zwar gerade als wir Kritik an den Mißbildungen übten, die von jahrzehntelang vorherrschenden Kriterien und Praktiken verursacht wurden, und im Geiste der Schöpferkraft und der Suche nach neuen Lösungen für alte und neue Probleme die Berichtigung von Fehlern und negativen Tendenzen vorantrieben, noch bevor jene Ereignisse ausgelöst wurden. Heute liegt das Wesentlichste darin, sich des Augenblicks, den wir durchleben, völlig bewußt zu werden und sich den Aufgaben zu verschreiben, die die Ausnahmeperiode verlangt, um das Vaterland, die Revolution und den Sozialismus zu retten und gleichzeitig um die Perspektiven einer zukünftigen Entwicklung zu bewahren und zu schaffen.

Der Prozeß der Berichtigung von Fehlern war Ausdruck eines strategischen Gegenangriffs der Revolution. Er selbst verkörperte eine tiefgreifende und umfassende konzeptionelle Revolution, die in unserer Gesellschaft einen außergewöhnlichen Umschwung bewirkte und es ermöglichte, daß wir unseren Ursprung wiederentdeckten und die Prinzipien und die echten und soliden ideologischen und ethischen menschlichen Werte, die dem Sozialismus in unserem Vaterland mit eigenen Charakterzügen Antrieb und Leben verliehen. Dies bedeutete neben anderen entscheidenden Beiträgen:

- den Bruch mit den mangelhaften Praktiken der bürokratischen Planung, der irrationalen Zersplitterung der Mittel und veralteten Entwicklungsschemen, sowie die Kritik und die Bekämpfung einer Mentalität des Imports, die ersetzt wurde durch den Willen, eigene Lösungen zu finden und die wirtschaftliche Abhängigkeit so weit wie möglich zu reduzieren;
- die allgemeine Vervollkommnung des Investitionsprozesses, um Schluß zu machen mit der Großartigkeit der Projekte, mit ‚der Verschwendung beim Materialverbrauch und den Vorhaben, die übermäßig hinausgezögert oder nie beendet werden, sowie die Wiederaufstellung des Konzepts und der Praxis der Integrität der Investitionen, indem den sozialen Aspekten die gebührende Bedeutung beigemessen wird;
- die Priorität, die von Anbeginn an der Nachfrage nach Wohnungen, nach Krankenpflegezentren, nach Einrichtungen der Ersten medizinischen Hilfe, nach Kinderkrippen und -gärten zukam, die sich im Laufe der Geschichte angestaut hat und durch die Stagnation der gesellschaftlichen Entwicklung im Zeitraum vor dem Prozeß der Berichtigung von Fehlern noch vergrößert wurde, weil sie nicht die gesamte Aufmerksamkeit erhielt, die ihr zu geben möglich gewesen wäre;
- Entscheidungen der Wirtschaftspolitik, die sich daran orientieren, daß die Interessen des Landes über denen der einzelnen Betriebe liegen und daß jene Denk- und Verhaltensweisen ausgerottet werden müssen, die jahrelang verlangten, ein Konsumniveau besonders an Industriewaren aufrechtzuhalten, daß völlig abwich von der Produktionskapazität und der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Vaterlandes;
- die Beseitigung grober Fehler hinsichtlich von Arbeit und Lohn und jener Vergütungsformen wie übermäßig hohe Löhne ohne Produktionsrückhalt und die Verbreitung aller Arten von Prämien, die in Wirklichkeit Vorwand waren für Lohnerhöhungen, die nicht durch die Menge und die Qualität der Produktion gerechtfertigt waren;
- die Schaffung einer Infrastruktur - einige ihrer lebenswichtigen Elemente wurden vernachlässigt oder buchstäblich liegengelassen - mit Hilfe der Wiedererschaffung des Trinkwasserpotentials, des Straßenbaus, der Wiederbelebung der Baustoffindustrie und anderen Anstrengungen mehr, die in den letzten Jahren unternommen wurden;
- die erneute Durchführung von freiwilliger Arbeit in ihrer doppelten Bedeutung als revolutionäre und sozialistische Alternative beim Einsatz der überschüssigen Arbeitskräfte für wirtschaftliche und soziale Zwecke und als Schmiede eines kommunistischen Bewußtseins;
- die Wiederbelebung der Bewegung der Mikrobrigaden (3) und ihre Ausdehnung auf soziale Vorhaben;
- die Unterstützung der Kontingente (4) als rationellste, produktivste und fortschrittlichste Form der Organisation von Arbeitskollektiven auf der Grundlage eines kommunistischen Arbeitsgeistes, einer sozialistischen Vergütung, einer Arbeitsdisziplin, die auf der Autorität und dem Handeln des Kollektivs beruht, der konsequenten Priorisierung all dessen, was mit der Betreuung des Arbeiters als Mensch in Zusammenhang steht, und einer strengen Kontrolle der Kosten und aller wirtschaftlichen Unternehmungen.

Dieses Konzept hat sich gleichzeitig als das geeignetste erwiesen, um außergewöhnlichen Anstrengungen und eine unentbehrliche Selbstlosigkeit in die Wege zu leiten, mit dem Ziel, die verlorene Zeit aufzuholen und die dringlichsten Vorhaben so, wie es geplant war, und mit Qualität fertigzustellen;

- die Anwendung von fortschrittlichen Kriterien und sehr viel beweglicheren Verfahrensweisen in der Praxis zum Zwecke der Einführung der wissenschaftlich-technischen Fortschritte gemeinsam mit dem beschleunigten Zugang zu den Technologien der Vorhut, wie es zum Beispiel die genetische Ingenieurwissenschaft, die Biotechnologie und die Mikroelektronik sind;
- die Inangriffnahme von ersten Schritten, wobei einige Prämissen geschaffen wurden, um unsere Gesellschaft mit einem neuen Arbeitsgesetzbuch zu versehen, das den Paternalismus überwindet, zum Beispiel durch die Einführung von Stellen, die mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen, von weitreichenden Arbeitsprofilen unter Berücksichtigung der Tauglichkeit und der Förderung der Fähigsten und die gleichzeitige Stimulierung der einzelnen Berufskategorien, die wichtige wirtschaftliche Aufgaben bei schlechter Bezahlung erfüllen, besonders im Bereich der Viehzucht, womit dazu beigetragen wird, ihre Würde anzuheben.
- Mit Hilfe des Turquino-Plans wurde der Exodus der Bevölkerung in den Bergen fast völlig eingedämmt, die Zahl der Erwerbstätigen dort ist beträchtlich gestiegen und die Maßnahmen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Gebirgsregionen des Landes beginnen, die ersten Früchte zu tragen, und diese Regionen haben ihren Status als uneinnehmbare Festungen der Revolution gekräftigt. Auf die gleiche Weise ist es mit Hilfe des Manati-Plans gelungen, das Programm der Wiederaufforstung von Waldflächen und Obstplantagen unter aktiver, massiver Beteiligung beträchtlich voranzubringen.
- Als Bestandteil des Prozesses der Berichtigung von Fehlern wird die Vervollkommnung des Organismus der Revolutionären Streitkräfte FAR (5) unter Zuhilfenahme zutreffender und positiver Erfahrungen weiterhin durchgesetzt.

Diese historische Etappe ist zweifellos arbeitsam, fruchtbringend und versprechend gewesen und läßt sich bis jetzt damit zusammenfassen, daß unser Volk dazu beiträgt, auf allen Ebenen die Überlegenheit des Sozialismus zu beweisen. Trotzdem besteht weiterhin die Notwendigkeit - und unter den Bedingungen der Ausnahmeperiode scheint sie sich noch stärker bemerkbar zu machen -, daß wir alle Kräfte darauf konzentrieren, diejenigen Ursachen subjektiven Charakters zu bestimmen, die die Wirksamkeit der wirtschaftlichen und produktiven Anstrengungen reduzieren oder kompromittieren, diese Ursachen zu beseitigen und die Probleme der Organisation oder Leitung zu lösen, so daß sich all dies auswirkt auf das Ansteigen des Potentials, mit dem wir rechnen, um den sozialen Bedürfnissen und der Entwicklung des Landes gerecht zu werden.

Der IV. Parteitag macht sich die Prinzipienfestigkeit und den unbeugsamen kommunistischen Geist unserer Parteileitung zu eigen, die durch das Beispiel des Genossen Fidel erzogen wird, dessen Weitsichtigkeit es ermöglichte, daß wir rechtzeitig eine Reihe von vorsorglichen Maßnahmen ergreifen und eine Ausnahmeperiode zu Friedenszeiten auf uns nehmen konnten, als viele seine Fähigkeit unterschätzen, die strategische Bedeutung der stattfindenden Prozesse zutreffend zu interpretieren, wie er es in seiner Warnung an unser Volk und an die revolutionäre Bewegung überhaupt unter Beweis stellte, als er am 26. Juli 19896 zum Ausdruck brachte: »im Zusammenhang mit dem Gedanken, daß unsere Revolution nicht standhalten könnte, wenn es zum Zusammenbruch des Sozialistischen Lagers kommen sollte; denn wenn wir morgen oder an irgendeinem anderen Tag mit der Nachricht aufwachen, daß in der UdSSR ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist, oder wenn wir gar mit der Nachricht aufwachen, daß die UdSSR auseinandergefallen ist, und wir hoffen, daß dies niemals eintreffen wird, doch selbst unter diesen Umständen werden Kuba und die kubanische Revolution weiter kämpfen und weiter standhalten!«

Der IV. Parteitag bekräftigt, daß unser Volk mit dieser Standfestigkeit, mit diesem Geist und dieser Voraussicht selbst die schwersten und kompliziertesten Prüfungen in seiner Geschichte glänzend besteht und daß es nicht nur in der Lage sein wird, standzuhalten, sondern sogar eine qualitative Verbesserung zu erzielen in allen Bereichen, die mit dem Faktor Mensch zusammenhängen, mit den nationalen Mitteln, den Dienstleistungen des Gesundheits- und Bildungswesens, mit der Durchsetzung der Programme, die eine Antwort auf die gestellten Prioritäten geben, und mit der maximalen Ausnutzung der Potentialitäten im Bereich der Investitionen, die unter strengen Gesichtspunkten ausgewählt werden müssen.

Der IV. Parteitag erinnert daran, daß diese Programme, die unsere Prioritäten festlegen, wie zum Beispiel das Nahrungsmittelprogramm, das Programm der Produktion von biotechnologischen Erzeugnissen, medizinischen Geräten und Produkten für den Tourismus, gegebenermaßen festgelegt wurden, und obwohl sie - bedingt durch die Schwierigkeiten, die sich bei den Lieferungen aus dem Ausland ergeben haben - mit minimalsten Mitteln auskommen mußten, haben wir sie vorangebracht. In einigen Fällen hätten sie etwas besser und in anderen sogar sehr viel besser laufen können, wenn wir die wesentlichsten Mittel zur Verfügung gehabt hätten, die wir nun schon monatelang nicht mehr erhalten. Wir vertrauen auf das technische und wissenschaftliche Talent, daß sich in unserem Land angesammelt hat, auf die Hingabe zur Arbeit, auf die Disziplin und den Geist der Zusammenarbeit zwischen allen, die in dieser ersten Etappe außergewöhnlicher Umstände über sich selbst hinaus gewachsen sind und die ein Zeugnis ablegen für die Reserven, über die wir noch verfügen. Wir vertrauen auf den revolutionären Geist der kubanischen Nation, die unter der entscheidenden Mitwirkung der Partei, der Jugendorganisation UJC?, der Massenorganisationen und der Institutionen der revolutionären Verwaltung gemeinsam mit dem Volk eine interne Schlacht zu führen hat gegen antisoziale Verhaltensweisen, gegen wirtschaftliche Vergehen und andere ähnliche Ausdrucksformen, die die heldenhaften Anstrengungen, die unser Vaterland unternimmt, zunichte machen.

Auf dieser Grundlage kommt der IV. Parteitag zu dem Schluß, daß es machbar und günstig ist, dieser Reihe von Orientationen, Prioritäten und Entscheidungen die Gliederung und Systematisierung von programmatischen Richtlinien zu verleihen.

Bei der Erarbeitung dieser Richtlinien wird die Partei die Erfahrungen berücksichtigen, die bei der Durchführung der Maßnahmen und der wirtschaftlichen Programme gesammelt wurden, die man in diesen Jahren des Prozesses der Berichtigung von Fehlern in die Praxis umgesetzt hat, ebenso wie die Schlußfolgerungen und Orientierungen der politischen Leitung, insbesondere die des Genossen Fidel.

Zu diesem Zwecke bestätigt der IV. Parteitag die Notwendigkeit, unserem schöpferischen Denken einen Impuls zu verleihen, mit jeglichen Ausdrucksformen sowohl des Dogmatismus als auch des Liberalismus zu brechen und endgültig die negativen Wirkungen zu beseitigen, die durch das Kopieren von Erfahrungen entstanden sind, die in unserem historischen Kontext und unseren nationalen Realitäten unpassend sind. Den Gesellschaftswissenschaften, den Forschungen und dem Studium aller Disziplinen kommt es nun zu, in dieser Hinsicht einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Der IV. Parteitag faßt folgende Schlußfolgerungen:

ERSTENS:
Er erklärt, daß das Programm, das vom III. Parteitag beschlossen wurde, der gegenwärtigen Realität nicht gerecht wird.

ZWEITENS:
Er entscheidet, daß die gesamte Tätigkeit der Partei sich weiterhin nach den Orientationskriterien richtet, die im Rahmen des Prozesses der Berichtigung von Fehlern entwickelt wurden, nach einer Reihe von Direktiven, die von den höheren Organen für die Ausnahmeperiode erlassen wurden, und nach den Richtlinien der Parteileitung.

DRITTENS:
Er betraut das Zentalkomitee in Absprache mit den zuständigen Organismen, Organisationen und Institutionen mit der Erarbeitung und Bestätigung der neuen programmatischen Richtlinien der Kommunistischen Partei Kubas sowie mit der Organisation des Studiums derselben durch die Parteimitglieder und das Volk.

Der IV. Parteitag erklärt die Treue der Kommunistischen Partei Kubas gegenüber der vom II. Parteitag beschlossenen Handlungsweise, die vom Mandat des Generals Antonio Maceo (8) inspiriert wurde, das lautet: »Wer es wagt, sich Kubas zu bemächtigen, der wird den Staub seines Bodens blutdurchtränkt vorfinden, wenn er nicht im Kampf fällt!« Und er bestätigt ebenfalls, daß wenn der nordamerikanische Imperialismus eine Aggression gegen Kuba anzetteln sollte, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung stillgelegt werden wird, und statt der schöpferischen und friedlichen Arbeit, der wir uns widmen, wird unser Volk all seine Energie, all sein Talent und all seine Willenskraft dazu hergeben:

- um dem Feind das Leben zur Hölle zu machen und auf jeden Fall zu verhindern, daß er seine imperiale Macht durchsetzt;
- um das Lager des Feindes hauptsächlich die Führungskräfe und Offiziere zu berauben;
- um unerbittlich zu sein gegen diejenigen, die sich ergeben oder die Verrat üben;
- um dem Feind unseren Willen aufzuerlegen, ihn von seinem Vorhaben, in Kuba den Kapitalismus wiedereinzuführen, abzubringen und um ihn zu bekämpfen, bis er besiegt und vom heiligen Boden unseres Vaterlandes vertrieben ist.


1) Der in Argentinien geborene Ernesto Che Guevara, nahm an der Überfahrt der Yacht »Granma« teil, mit der Fidel Castro und 80 weitere Revolutionäre 1956 von Mexiko nach Kuba übersetzten. Er wurde Kommandant des Rebellenheers und nahm nach dem Sieg der Revolution eine Reihe wichtiger Funktionen wahr. In Verfolgung seiner internationalistischen Ideale ging er nach Bolivien, um sich dort dem Guerillakrieg anzuschließen. 1967 wurde er dort von der Armee ermordet.

2) Mambises nannten sich die Soldaten des kubanischen Befreiungsheeres, die im 19. Jahrhundert während der Unabhängigkeitskriege gegen Spanien für die Befreiung ihres Vaterlandes kämpften.

3) Die Bewegung der Mikrobrigaden wurde ins Leben gerufen, um den Bau von Wohnungen und sozialen Einrichtungen zu beschleunigen. Ihnen gehören von ihren Betrieben für diese Arbeit zeitweilig freigestellte Erwerbstätige an.

4) Kontingente sind neue Organisationsformen in der Produktion, die u.a. die Produktivität und Effektivität der Arbeit steigern sollen. Sie entstanden zuerst in der Bauwirtschaft und wurden

5) FAR, Fuerzas Armadas Revolucionarias, Revolutionäre Bewaffnete Streitkräfte

6) Mit dem Sturm einer Gruppe von Revolutionären unter der Leitung Fidel Castros auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba, die damals die zweitwichtigste Militärkaserne des Landes war, wurde am 26. Juli 1953 das Signal zum Aufstand gegen die Diktatur Batistas gegeben. Da dieses Datum den Beginn der revolutionären Bewegung darstellt, ist der 26. Juli heute in Kuba ein Nationalfeiertag.

7) UIC, Unión de Jóvenes Comunistas, Kommunistische Jugendorganisation Kubas

8) Antonio Maceo Grajales (1845-1896), Militärstratege und Politiker, bedeutender Führer der kubanischen Unabhängigkeitskriege gegen Spanien. In Kuba bekannt unter dem Beinamen »Der Bronzetitan«. Er weigerte sich, den Pakt von Zanjón anzuerkennen, durch den 1878 nach einem zehnjährigen Krieg die Kapitulation der kubanischen Unabhängigkeitskämpfer gegenüber Spanien besiegelt werden sollte und rief in Baraguá dazu auf, den Kampf fortzusetzen.



14.10.1991, Havanna

Quelle: IV. Parteitag der Kommunistischen Partei Cubas - Dokumente
Herausgeber: Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba