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China zieht

Größter Handelspartner Lateinamerikas: Auch rechte Politiker unter Zugzwang.

Russische Kriegsschiffe in der Karibik? Es erregte einige Aufmerksamkeit, als Mitte Juni die Fregatte »Admiral Gorschkow« und das Atom-U-Boot »Kasan« im Hafen von Kubas Hauptstadt Havanna eintrafen. Dass Kuba enge Beziehungen zu Russland unterhält, ist nicht neu. Dass die russische Marine aber gleich zwei schwerbewaffnete Schiffe in das Land schickte, sorgte für eine gewisse Unruhe. Geriet die Karibik und mit ihr womöglich Lateinamerika nun in den gefährlich eskalierenden Konflikt zwischen dem Westen und Russland? Wie verhält es sich in der Region überhaupt mit der Einflussnahme äußerer Mächte?

Der Aufstieg Chinas ruft weiterhin die stärksten Veränderungen für die Staaten Lateinamerikas und der Karibik hervor. Rechnet man Mexiko heraus, das als Niedriglohnstandort und Absatzmarkt der USA wirtschaftlich extrem eng an die Vereinigten Staaten gebunden ist, ist die Volksrepublik längst zu Lateinamerikas größtem Handelspartner aufgestiegen. Sie hat auch als Investor extrem an Bedeutung gewonnen. Die wirtschaftlichen Bindungen erweisen sich bislang als überaus tragfähig. So ist es Jair Bolsonaro, der im Wahlkampf des Jahres 2018 mit einem Besuch auf Taiwan und antichinesischen Tiraden eine Abkehr von der Volksrepublik ins Visier genommen hatte, während seiner Amtszeit als Präsident Brasiliens (2019 bis 2022) nicht gelungen, die Abkehr zu realisieren. Ende Juni hielt sich Perus Putschpräsidentin Dina Boluarte, die eigentlich den USA verpflichtet ist, mit gleich mehreren Ministern in Beijing auf, um Perus Beziehungen zu China zu stärken. Für Brasilien und Peru – und auch für weitere lateinamerikanische Staaten – ist das Geschäft mit der Volksrepublik längst zu bedeutend, als dass sie darauf verzichten könnten.

Selbstverständlich suchen die USA China aus Lateinamerika zurückzudrängen. So stellen sie sich aktuell Beijings Versuch entgegen, Guatemala zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu veranlassen. Guatemala ist einer der sieben letzten kleineren und kleinsten Staaten Lateinamerikas und der Karibik, die noch diplomatische Beziehungen zu Taipeh unterhalten. Im Sommer vergangenen Jahres gelang es Washington mit starkem Druck, Costa Ricas Regierung zum Ausschluss von Huawei aus den 5G-Netzen des Landes zu nötigen.

Blanker Druck

Vor allem General Laura J. Richardson, die Oberbefehlshaberin des für Lateinamerika und die Karibik zuständigen U. S. South­ern Command, ist regelmäßig in den Ländern der Region unterwegs, um Druck auf die dortigen Regierungen auszuüben, sich von Beijing ab- und Washington wieder stärker zuzuwenden. Kürzlich warnte sogar die Washington Post, die USA täten sich keinen Gefallen, wenn sie penetrant »in militärischem Ornat« auftauchten, um die Länder der Region mit blankem Druck auf ihre Seite zu zwingen. Man solle es vielleicht doch eher mit verlockenden Angeboten zur Kooperation versuchen. Davon ist nicht viel zu sehen.

Einer, der aktuell die Probe aufs Exempel macht, ist Argentiniens Präsident Javier Milei. Er ist wie Bolsonaro ein Trumpist, der sein Land am liebsten komplett auf US-Linie bringen würde. Er hat Argentinien an der Seite der Ukraine und Israels positioniert, am 5. April in Anwesenheit von Richardson eine neue außenpolitische Doktrin für Buenos Aires angekündigt, die auf einem strategischen Bündnis mit Washington gründen soll, sucht eine enge Anbindung an die NATO und will beim Ausbau des Marinestützpunkts Ushuaia im äußersten Süden Argentiniens mit der U. S. Navy kooperieren. Den Beitritt des Landes zu den BRICS, der am 1. Januar möglich gewesen wäre, hat er auf Eis gelegt und die Beziehungen zu Brasilien, Argentiniens größtem Handelspartner, komplett auf Rülpsen und Rotzen reduziert.

Am 2. Juli beschimpfte er Brasiliens Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva auf Twitter als »völlig idiotischen Dinosaurier«; am 7. Juli schwang er Reden auf der CPAC Brasil, dem brasilianischen Ableger des Trumpisten-Großevents Conservative Political Action Conference, auf dem er Bolsonaro traf; am 8. Juli schwänzte er einen Mercosur-Gipfel, um dort nicht mit Lula zusammentreffen zu müssen – sehr zum Ärger der anderen Mercosur-Staaten.

BRICS als Anker

Unklar ist, ob Milei es sich leisten kann, auch die Beziehungen zu China zu ruinieren, oder ob er den Weg gehen muss, den Bolsonaro als brasilianischer Präsident schließlich ging: das Rülpsen reduzieren und den Handel fördern. Seine Außenministerin Diana Mondino, die kurz nach ihrem Amtsantritt noch die Vertreterin Taiwans in Buenos Aires empfangen hatte, sah sich Ende April gezwungen, bei einem Besuch in Beijing einen Ausbau der Zusammenarbeit mit dem zweitwichtigsten Handelspartner ihres Landes nach Brasilien zuzusagen.

Als folgenreich könnte sich Mileis außenpolitische Obstruktion an anderer Stelle erweisen. Für Brasilien ist sie eine echte Belastung, zumal man nicht so recht weiß, ob Milei mit seinen Abrissmaßnahmen im Innern Argentinien nicht endgültig ruiniert, was für die brasilianische Exportwirtschaft ziemlich nachteilig wäre. Auf der Suche nach Ersatz hat Lula begonnen, eine intensivere Kooperation mit Kolumbien unter Präsident Gustavo Petro zu suchen. Das ist möglich, da Petro das Land aus der überaus engen Bindung an die USA zu lösen beginnt. Im April schlossen Brasília und Bogotá sechs Kooperationsvereinbarungen; zudem haben sie begonnen, sich mit Blick auf die Wahlen in Venezuela enger miteinander abzustimmen. Im April teilte Petro mit, sein Land strebe eine BRICS-Mitgliedschaft an; Lula unterstützt das. Für Brasilien wäre ein Beitritt Kolumbiens recht vorteilhaft, da es innerhalb der BRICS geographisch isoliert ist und auf seinen ursprünglichen Wunschpartner Argentinien, solange Milei dort die Abrissbirne schwingt, nicht zählen kann.

Brasilien hält ansonsten an seiner eigenständigen Außenpolitik fest. Lula ist weiterhin um eine Ratifizierung des Freihandelsabkommens zwischen dem Mercosur und der EU bemüht, von dem sich brasilianische Großunternehmen attraktive Exportchancen erhoffen. Allerdings stehen die Chancen für das Abkommen, über das seit mehr als einem Vierteljahrhundert verhandelt wird, nicht gut, wie auch der Einfluss der europäischen Staaten in Lateinamerika allgemein eher schrumpft. Ganz unabhängig davon hat Lula im Februar schon zum zweiten Mal seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs Russlands Außenminister Sergej Lawrow zum Gespräch empfangen und ist in Absprache mit China, um eine Verhandlungslösung für den Ukraine-Krieg bemüht.

Russland wiederum, mit erbitterten Isolationsbestrebungen des Westens konfrontiert, baut seine Beziehungen nicht nur zu Brasilien aus, sondern insbesondere auch zu denjenigen Ländern des Subkontinents, die im Konflikt mit den USA und der EU stehen – Venezuela, Kuba und Nicaragua. Moskau kooperiert auf dem Erdölsektor: Venezuela hat es geholfen, US-Sanktionen zu umgehen, und Kuba lieferte es im März rund 700.000 Barrel Öl, um ihm über die gröbste Knappheit hinwegzuhelfen. Zudem zeigt Russland, seit sich der Konflikt mit dem Westen zuspitzt, immer wieder militärisch Präsenz in der Karibik. Zuletzt liefen Mitte Juni – als asymmetrische Antwort darauf, dass Washington Kiew erlaubt hat, US-Waffen gegen Ziele in Russland zu nutzen – wie erwähnt die Fregatte »Admiral Gorschkow« sowie das Atom-U-Boot »Kasan« in Havanna ein, die »Gorschkow« bestückt unter anderem mit Hyperschallraketen des Typs Zirkon. Damit spitzt sich der Konflikt in gewissem Ausmaß auch in der Karibik zu.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Jörg Kronauer
junge Welt, 24.07.2024