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Zehn Prozent verloren
Kubanische Gesellschaft schrumpft und altert. Regierung zuversichtlich, Krise zu meistern.
Die beabsichtigten Folgen der US-Blockade schließen neben deren erklärtem Ziel, »die kubanische Wirtschaft zu erdrosseln«, auch die Abwanderung von Fachkräften und überwiegend jüngeren Leuten ein. In den vergangenen drei Jahren hat das Land dadurch über zehn Prozent seiner Bevölkerung verloren, die mittlerweile auf unter zehn Millionen geschrumpft ist. »Die Zahl der Einwohner ist heute 10,1 Prozent niedriger als am 31. Dezember 2020 und entspricht derjenigen, die Kuba im Jahr 1985 hatte«, teilte der Leiter des Amtes für Statistik und Information (ONEI), Juan Carlos Alfonso Fraga, am Freitag mit.
Seinen Angaben zufolge zählte die Bevölkerung am 31. Dezember 2023 zwar noch etwas mehr als zehn Millionen, doch seitdem habe sich die Einwohnerzahl verringert und dürfte weiter sinken. Ein Grund für diese Entwicklung sei neben der anhaltenden Abwanderung auch die rückläufige Geburtenrate. Beim Onlineportal Cubadebate veröffentlichte Tabellen für den Zeitraum 2021 bis Ende 2023 zeigen, dass gut einer Million ausgewanderter Kubaner nur 6.263 Einwanderer gegenüberstanden. Ein Missverhältnis von über 400.000 Verstorbenen und nur rund 280.000 Geburten verstärkte den Trend. Fast ein Fünftel der Bevölkerung ist 60 Jahre und älter. »Das wird sich auf den weiteren Rückgang der Geburtenzahl auswirken, die 2024 unter 80.000 liegen dürfte, dem niedrigsten Stand seit 1959«, fürchtet Fraga.
Die Situation sei schwierig und werde durch immer mehr US-Sanktionen, die Folgen der Pandemie und die hohen internationalen Preise für Lebensmittel, Öl und Versorgungsgüter verschärft, griff Präsident Miguel Díaz-Canel die Warnung auf. Westlichen Medien und Systemgegnern, die allein das alternative Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell und die Regierung für die Lage verantwortlich machen, hielt er entgegen, sie würden ignorieren, dass sich die kubanische Wirtschaft mit begrenztem oder gar keinem Zugang zu den internationalen Finanzinstitutionen in einer zunehmend ökonomisch voneinander abhängigen und vernetzten Welt behaupten müsse. Er verwies darauf, dass sein Land »unter den stummen Bomben eines Krieges lebt, arbeitet, Widerstand leistet, dessen Hauptziel die Zerstörung der wirtschaftlichen Aktivität ist«. Mit Blick auf frühere Herausforderungen gab er sich zuversichtlich, dass es trotz alledem gelingen werde, auch diese Krise »aus eigener Kraft« zu überwinden. »Es ist jetzt an der Zeit, über die Diagnose hinaus- und zum Handeln überzugehen«, erklärte Díaz-Canel.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 22.07.2024