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Nachrichten aus und über Kuba

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Kubas Spagat

Parlament erlässt wegweisende Gesetze: Produktivität der Wirtschaft steigern, Transparenz erhöhen und Abwanderung entgegenwirken.


Hintergrund:
Movimiento 26 de Julio


Am kommenden Freitag finden in Kuba und in aller Welt Feiern zum 71. Jahrestag des Angriffs einer von Fidel Castro angeführten Rebellengruppe auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba und einen Militärposten in Bayamo statt. Obwohl militärisch gescheitert, war er das Startsignal für eine Volksbewegung, die knapp sechs Jahre später zur Gründung des ersten sozialistischen Staates auf dem amerikanischen Kontinent führte. Das war »der kleine Motor der Rebellion, der den großen Motor der Revolution in Gang setzte«, schrieb die KP-Zeitung Granma am Freitag.

Seit dem Sieg der Guerillaarmee über das US-freundliche Regime des Diktators Fulgencio Batista am 1. Januar 1959 wird der 26. Juli in Kuba als »Tag der Nationalen Rebellion« begangen. In diesem Jahr wählte das Politbüro der Kommunistischen Partei die Provinz Sancti Spíritus zum Ort der zentralen Feierlichkeiten aus. Damit werden auch deren gleichnamige Hauptstadt, die als wichtiges Handelszentrum der Agrarregion gilt, in der Zuckerrohr, Tabak und Molkereiprodukte verarbeitet werden, sowie die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte und für den Tourismus bedeutende Stadt Trinidad geehrt.

Wie üblich gibt es neben der zentralen Veranstaltung landesweit überall weitere Aktionen und Kundgebungen. Da der Moncada-Angriff zugleich als eines der bedeutendsten revolutionären Ereignisse auf dem Kontinent gilt und dessen späterer Erfolg bis heute von progressiven Bewegungen weltweit als Beginn einer Entwicklung gesehen wird, die ein zum Kapitalismus alternatives Gesellschaftsmodell vorantreibt, wird der Jahrestag auch in anderen Ländern gefeiert.

In Deutschland findet – neben zahlreichen örtlichen Aktivitäten – mit der von Cuba sí und vielen Unterstützern organisierte »Fiesta de Solidaridad 2024« die wohl größte Party zum kubanischen Nationalfeiertag am Sonnabend in der Parkaue in Berlin-Lichtenberg statt. Ab 22 Uhr wird im Stadtteilladen »Zielona Góra« in Friedrichshain weitergefeiert. In Bonn laden die dortige Außenstelle der kubanischen Botschaft und zahlreiche Solidaritätsorganisationen am 31. August zur traditionellen »Fiesta Moncada« auf das Gelände der diplomatischen Vertretung ein.

Bei den Veranstaltungen erwartet die Besucher neben Informationen, Speisen und Getränken aus Kuba auch ein vielfältiges Programm aus Kultur und Politik. Die junge Welt ist mit Infoständen, sowie (in Berlin) mit einem Genossenschaftscafé vertreten. Schließlich will die Bundesregierung – nach der gleichen Logik der seit 64 Jahren gegen Kuba verhängten US-Blockade – auch der jW den materiellen »Nährboden entziehen«, um eine alternative Stimme zum Schweigen zu bringen.

(vh)


Das kubanische Parlament hat seine Beratungen am Sonnabend nach mehrtägigen Debatten und der Verabschiedung von sechs neuen Gesetzen beendet. Unter den Bedingungen ständig verschärfter US-Sanktionen und Desinformationskampagnen durch westliche Medien zielen die dort gefassten Beschlüsse auf Maßnahmen ab, um die Wirtschaft des Landes anzukurbeln, die eigene Medienlandschaft zu modernisieren und die Migrationspolitik zu aktualisieren. Mit den Entscheidungen der Nationalversammlung der Volksmacht wurden die umfassendsten Veränderungen seit dem Sieg der Revolution eingeleitet.

Basis gefordert

»Ich bestehe darauf, dass es jetzt an uns ist, alles zu ändern, was geändert werden muss, und auf dem Weg voranzuschreiten, den wir vor 65 Jahren eingeschlagen haben, als wir uns aus eigener Kraft und mit unseren eigenen Anstrengungen emanzipiert haben«, verwies Staatschef Miguel Díaz-Canel zum Abschluss der Sitzungen auf den Spagat zwischen Kontinuität und Veränderung. Kuba befinde sich in einem Szenario der Kriegswirtschaft und durchlebe »zweifelsohne eine sehr schwierige Zeit«, räumte er ein. Die »sehr komplexe Situation«, in der sich das Land heute befindet, zeige sich in praktisch allen Sektoren der Wirtschaft, aber es gebe einige Bereiche, in denen die Auswirkungen des Mangels besonders schmerzhaft seien. Als Beispiel nannte Díaz-Canel das praktische Unvermögen, die rechtzeitige Versorgung mit knappen Grundnahrungsmitteln zu gewährleisten, sowie die instabile Lage des Gesundheitssystems. Es liege in der Verantwortung des Staates und der Regierung, sich dieser sehr ernsten Situation zu stellen. »Die einzige Garantie für die Bewahrung und Vertiefung der sozialen Gerechtigkeit, die dieses Volk in mehr als 150 Jahren Kampf errungen hat«, bestehe darin, die Revolution und den Sozialismus weiterzuentwickeln. »Einer der sichersten und schnellsten Wege, die Situation der Bevölkerung zu verbessern«, sei die Optimierung der wirtschaftlichen, produktiven und sozialen Prozesse von der Basis aus. »Wir müssen die Dinge in Ordnung bringen«, forderte Díaz-Canel.

Breiten Raum räumten die Debatten dazu der Anforderung an die Staatsunternehmen ein, gemeinsam mit dem nichtstaatlichen Sektor auf integrierte und harmonische Weise schneller in der Entwicklung der wichtigsten Produktionsprozesse voranzukommen. Die Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen (KKMU) sollten als private Wirtschaftsakteure die Arbeit der staatlichen ergänzen. Tatsächlich würden sich aber einige von ihnen der Vermarktung von Importprodukten widmen, »die zwar ein paar unmittelbare Bedürfnisse der Bürger befriedigen, aber nicht zur nachhaltigen Entwicklung des Landes beitragen«, hieß es kritisch. Es werde keine »Hexenjagd gegen private Unternehmen« geben, doch hätten Kontrollen gezeigt, dass viele von ihnen das Vertrauen des Staates nicht mit der Ehrlichkeit und Transparenz erwiderten, die die Gesellschaft erwarte und brauche.

Als Reaktion auf zunehmende Kritik an Spekulanten, die Preise und Inflation in die Höhe treiben, hatte die Regierung Anfang Juli bereits saftige Bußgelder verhängt und Preisobergrenzen für sechs stark nachgefragte Basisprodukte festgelegt. Nach der Parlamentssitzung versprach Díaz-Canel nun »null Toleranz für diejenigen, die wirtschaftliche Schwierigkeiten ausnutzen, um sich zu bereichern, ohne einen Beitrag zu leisten«. Eine kleine Nation, »die sich mit Mut gegen das größte und mächtigste Imperium der Welt gestellt hat«, dürfe nicht durch Gauner besiegt werden. Vor diesem Hintergrund seien »mehr konkrete und kontrollierte Maßnahmen erforderlich, die von einer sozialen und institutionellen Kommunikationsstrategie begleitet werden müssen«.

Mehr Auskunft

Dazu könnten auch die vom Parlament beschlossenen Gesetze beitragen. So gibt es in Kuba jetzt zum ersten Mal ein »Gesetz über Transparenz und Zugang zu öffentlichen Informationen«. Das Mediengesetz soll laut dem Minister für Wissenschaft, Technologie und Umwelt, Eduardo Díaz, »in dem Kontext von Wirtschafts- und Medienkrieg« dafür sorgen, die Arbeit der Regierung und der öffentlichen Verwaltung transparenter zu machen und ihre Kontrolle durch die Bevölkerung zu verbessern. Unter anderem werden die Auskunftspflicht staatlicher Stellen erweitert, die Rechte von Medienschaffenden gestärkt und ihre Arbeitsbedingungen verbessert. Die Gesetzgeber erwarten, dass dadurch die Berichterstattung der öffentlichen und staatlichen Medien transparenter, schneller und effektiver wird. Angesichts der Angriffe auf Kuba solle das neue Gesetz auch dazu beitragen, das notwendige Gleichgewicht zwischen transparenten Informationen an der Basis und dem Schutz persönlicher Daten sowie von Informationen zur Gewährleistung der nationalen Verteidigung und Sicherheit herzustellen, erklärte Díaz.

Nach intensiven Diskussionen wurde auch ein neues Migrationsgesetz einstimmig angenommen, durch das die Rechte von Einheimischen, dauerhaft im Ausland lebenden Kubanern und auf der Insel ansässigen Ausländern gestärkt werden. Für diese gibt es künftig einen leichteren Zugang zu unterschiedlichen Arten von Aufenthaltsgenehmigungen. Kubanische Migranten genießen in Zukunft auch formal dieselben Rechte wie diejenigen, die sich in ihrem Heimatland aufhalten. Neben der freien Verfügung über Vermögen und Eigentum, das die im Ausland lebenden Kubaner auf dem Staatsgebiet besitzen, können sie unter anderem auch den Status eines »Investors und Geschäftsmannes« beantragen. Die neue Regelung wurde inmitten einer Emigrationswelle beschlossen, die dazu geführt hat, dass die Einwohnerzahl des Inselstaates im Jahr 2024 auf den Stand von vor 40 Jahren gesunken ist.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 22.07.2024