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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Hinterhof bereinigt

Vor 40 Jahren intervenierte die USA auf der Karibikinsel Grenada und beseitigten deren sozialistische Regierung.

Die winzige Karibikinsel Grenada mit ihren weißen Stränden, Urwäldern und Wasserfällen ist ein Sehnsuchtsort. Doch an einem Dienstag vor 40 Jahren wurde das friedliche Tropenparadies für viele zur Hölle. Am 25. Oktober 1983 landeten US-Elitekämpfer um fünf Uhr morgens mit Fallschirmen auf der nur 344 Quadratkilometer kleinen Insel. Dutzende vom US-Hubschrauberträger »Guam« gestartete Helikopter luden zugleich Ledernacken des United States Marine Corps ab, während aus Landungsbooten Panzer und Kettenfahrzeuge an die Strände rollten. Truppentransporter vom Typ C-141 »Starlifter« flogen Jeeps, Mörser und weitere Ranger-Hundertschaften ein. Die Hauptstadt St. George’s und einige Dörfer wurden von Bomben getroffen. Damit hatte die Operation »Urgent Fury« (Geballte Wut) begonnen. Drei Tage später war der 110.000 Einwohner zählende Ministaat von mehr als 7.000 US-Soldaten und einigen hundert Hilfstruppen von den Nachbarinseln besetzt. Die Okkupanten töteten rund 400 Grenader und 84 kubanische Bauarbeiter, Hunderte weitere wurden verwundet. Von 135 gefallenen US-Amerikanern waren 40 versehentlich in einem »Friendly fire« von den eigenen Leuten erschossen worden.¹ Nach ihrem Sieg plünderten GIs die kubanische Botschaft, durchkämmten Haus für Haus auf der Suche nach Mitgliedern der »Revolutionären Volksarmee Grenadas« und nahmen alle fest, die ihnen verdächtig erschienen. 1.130 Gefangene wurden in ein Lager verfrachtet, peinlichen Einzelverhören unterzogen und teils tagelang in engen, Hundehütten ähnlichen, Verschlägen gehalten.

Putsch als Vorwand

Der schon seit Jahren von CIA und Pentagon geplanten Invasion war ein interner Machtkampf in dem seit 1979 regierenden »New Jewel Movement« (NJM) des sozialistischen Premierministers Maurice Bishop vorangegangen. Während des eskalierenden Richtungsstreits um den politischen Kurs des Landes war der beliebte Politiker zunächst als Parteiführer abgesetzt und am 19. Oktober 1983 von Widersachern erschossen worden. Obwohl US-Dienste selbst den Sturz von Bishop und seiner Regierung vorbereitet hatten, empörte sich US-Präsident Ronald Reagan über den »blutiger Putsch«, in dem »linke Mörder« einen Revolutionär aus dem Amt gedrängt hatten, der Washington nicht genehmer gewesen war als die siegreichen Putschisten. Bishops Tod lieferte der CIA und dem Weißen Haus »einen Vorwand, loszuziehen und das Problem aus der Welt zu schaffen«, so Duane Clarridge, der Leiter der CIA-Lateinamerikaabteilung und Mitglied einer Arbeitsgruppe, die die Invasion vorbereitet hatte. Der Schlag sollte die Vorherrschaft Washingtons in der Karibik sichern und geostrategische Erfolge der Sowjetunion und des sozialistischen Kuba in der Region beenden. Die abenteuerliche Begründung für die Aggression wirkte sogar im eigenen Land absurd. Als Reagan eine Woche vor der Invasion erklärte, die 19 Kilometer breite, 33 Kilometer lange, 3.400 Kilometer von Washington entfernte Insel sei »eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten«, fragte der demokratische Senator aus Texas und spätere Finanzminister Lloyd Bensten: »Sie meinen das doch nicht im Ernst?«

Grenada litt, wie die anderen Inseln der Antillen, seit der Landung von Kolumbus im Jahr 1498 fast 500 Jahre lang unter der Fremdherrschaft europäischer Kolonialmächte. Nach Frankreich bestimmte Großbritannien die Geschicke der Insel, auf der afrikanische Sklaven noch bis ins 19. Jahrhundert Zuckerrohr schlagen und auf Plantagen schuften mussten. Über 95 Prozent der heutigen Einwohner haben afrikanische, etwa drei Prozent indische Vorfahren. Nur eine kleine Minderheit von weniger als zwei Prozent ist französischer oder britischer Herkunft, besaß jedoch noch in den 1950er Jahren die Hälfte der Agrarflächen. 1974 wurde Grenada unter dem seit 1967 regierenden Premierminister Eric Gairy unabhängig. Der einstige Gründer einer Plantagenarbeitergewerkschaft und der »Grenada United Labour Party« wurde 1977 von Königin Elisabeth II. in den Ritterstand erhoben. Außer zu Großbritannien pflegte der sich nun Sir Eric Gairy nennende Premier enge Beziehungen zu den USA und US-Unternehmen. Auf Grenada herrschten Korruption und Vetternwirtschaft. Zugleich stieg die Arbeitslosenquote auf über 50 Prozent. Von den unter 25jährigen hatten 80 Prozent keine Jobs.

Während es mit der Insel wirtschaftlich bergab ging, ließ Sir Eric Militär und Polizei von Einheiten des von Washington unterstützten chilenischen Diktators Augusto Pinochet trainieren. Der US-freundliche, antikommunistische Premierminister war darüber alsbald zum verhassten Despoten geworden. Seine Herrschaft sicherte er mit Hilfe der Geheimpolizei »Mongoose Gang«, die mit Übergriffen auf Gewerkschafter und Journalisten politische Gegner in Schach hielt. Obwohl die Not der Bevölkerung ständig wuchs, fabulierte der Machthaber über fliegende Untertassen und außerirdische Erscheinungen. Als Gairy am 12. März 1979 nach New York flog, um die Vereinten Nationen zu bitten, in Grenada eine Anlage zur Beobachtung von UFOs einzurichten, besetzten 50 bewaffnete Mitglieder des »New Jewel Movement« (NJM) unter Führung des Rechtsanwalts Maurice Bishop eine Kaserne. Unter dem Beifall der Bevölkerung übernahm der 1,92 Meter große, bärtige Revolutionär die Macht. Die Minister und Schergen der alten Regierung kamen ins Gefängnis, bewaffnete Milizionäre patrouillierten auf den Straßen, Rastafaris bejubelten die Revolution. Grenadas Einwohner begannen, sich in Frauen-, Jugend-, Arbeiter- und Bauernvereinigungen zu organisieren. Damit geriet die kleine Insel, die als eine der schönsten in der Karibik gilt, ins Fadenkreuz der USA.

Annäherung an Kuba

»Seit der Machtübernahme hat sich Maurice Bishop in der Außenpolitik stärker an Kuba und die Sowjetunion angenähert und verhält sich feindselig gegenüber den Vereinigten Staaten. Wir glauben nicht, dass er seinen linken Kurs ändern wird«, heißt in einem mittlerweile freigegebenen Geheimdossier der CIA vom 2. November 1979. Die Insel befinde sich »im eisernen Griff der totalitären Linken«, warnte Ronald Reagan folgerichtig, kurz nachdem er James »Jimmy« Carter am 20. Januar 1981 als Präsident abgelöst hatte. Zu seinem Stellvertreter machte er den ehemaligen CIA-Direktor George H.?W. Bush. Den neuen Herren im Weißen Haus und den Strategen im Pentagon bereitete es Kopfschmerzen, dass es auf Grenada jetzt neben Urwald, Stränden, Muskatnüssen, Rum und Reggae auch Arbeiterräte, eine Staatspartei und Volksmilizen gab. Es half Bishop in Washington und Langley auch nicht, dass seine Partei der von Willy Brandt geführten Sozialistischen Internationale und Grenada weiterhin dem Commonwealth angehörte. Nach Reagans Amtsantritt erklärte dessen Außenminister, der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber in Europa, Alexander Haig, den »internationalen Terrorismus, einschließlich revolutionärer Gewalt in Mittelamerika«, zum »Staatsfeind Nummer eins«. Nachdem die Vertreter Grenadas bereits Ende 1979 in ihrer UN-Gesandtschaft verborgene Mikrofone entdeckt hatten, machten sie sich keine Illusionen darüber, wer sie installiert hatte.

Trotz der Drohungen begann das von den Marxisten Maurice Bishop und Bernard Coard geleitete NJM damit, die Politik der Insel entsprechend ihrer antirassistischen, antikolonialen, antiimperialistischen und antikapitalistischen Programmatik umzugestalten. Medien berichteten, wie Bishop Plantagenarbeitern am Beispiel der Muskatnuss erklärte, warum der »kapitalistische Weltmarkt ein imperialistisches Blutsaugersystem« sei. »Die Schwester, die hier Nüsse knackt, schafft vielleicht 150 Pfund am Tag und bekommt dafür 7,10 East Caribbean Dollar« (heute etwa 2,46 Euro). »Unsere Schwestern und Brüder, die in London arbeiten, bezahlen für eine Unze Grenada-Muskat umgerechnet einen unserer Dollars. Sie bezahlen 300mal mehr, als die Schwester hier für ihre Arbeit bekommt.«

Doch »obwohl sie sich als Marxisten bezeichnen, bleibt die private Wirtschaft unangetastet«, stellte die New York Times verwundert fest. Bishop hatte vorgegeben, zunächst mit grundlegenden Reformen zu beginnen. Seine Leute bräuchten sichere Jobs, neue Schulen, Lehrer, Krankenhäuser und sauberes Wasser, propagierte er. Die NJM-Regierung führte eine Alphabetisierungskampagne nach kubanischem Vorbild, Reformen des Gesundheits- und Bildungswesens und eine Bodenreform durch. Wirtschaftspolitisch waren die Revolutionäre erfolgreicher als alle bisherigen Regierungen. In der Landwirtschaft, im Tourismus und anderen Branchen schaffte die Gründung neuer staatlicher Unternehmen etliche Arbeitsplätze. In drei Jahren sank die Arbeitslosenquote von 49 auf 14 Prozent, das Wirtschaftswachstum lag 1982 bei fünfeinhalb Prozent. Der Lebensstandard der Insulaner war gestiegen. Ihre durchschnittlichen Realeinkommen hatten sich um 90 Prozent erhöht. Die Politik von Bishop und Coard gewann sogar den Respekt der Weltbank. Doch trotz - oder vermutlich eher wegen - der Erfolge versuchten die USA, bereits zugesagte Kredite des Weltwährungsfonds, der karibischen Entwicklungsbank und der Weltbank zu blockieren.

Um einen drohenden finanziellen Kollaps und damit das Ende der Sozialprogramme zu vermeiden, sollten Touristen die nötigen Devisen bringen, so die Überlegung der Regierung. Dazu brauchte Grenada einen neuen Flughafen, denn bislang konnten Besucher die Insel nur mit Kleinflugzeugen von Trinidad oder Barbados aus erreichen. Der seit Jahren geforderte Großflughafen mit einer 3.000 Meter langen Piste sollte die Insel für den internationalen Tourismus attraktiver machen. Ein Konsortium unter Führung eines britischen Unternehmens leitete die Arbeiten, eine US-Firma aus Florida erledigte die Ausschachtungen, die britische Plessey Company baute das Kommunikationssystem. Trotz Widerstands der USA unterstützte die Weltbank den Bau finanziell, und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) engagierte sich mit einer Teilfinanzierung. Kuba, das die Insel bereits mit Ärzten und Pädagogen unterstützt hatte, schickte Baumaschinen und Arbeiter.

»Träger des marxistischen Virus«

Am 23. März 1983 präsentierte US-Präsident Reagan in einer Fernsehansprache angeblich »geheime« Luftaufnahmen. »Grenada, diese winzige Insel, baut für Kuba einen Marinestützpunkt und einen Großflughafen, Versorgungsbasen für Munition, Truppenlager und Ausbildungsplätze, und das alles sicherlich, um den Export der Muskatnuss zu verstärken«, höhnte er und zeigte Satellitenaufnahmen vom Flughafenbau, einschließlich kubanischer Arbeiterlager. Doch »den Kriegshafen, den der US-Präsident in Westerhall Bay ausgemacht haben will, gibt es gar nicht. Auch auf Fort Jeudy, angeblich Versorgungsbasis der Kubaner und Sperrgebiet für Ausländer, ist nichts Geheimnisvolles zu entdecken – in den Villen leben vor allem Ausländer. Ein Besuch des Flughafens steht sogar für Touristen im Programm, ungehindert können sie photographieren. Amerikanische Studenten, die sich an der St. George’s Medical School zu Hunderten auf ihr Medizinstudium in den USA vorbereiten, veranstalten auf der unvollendeten Startbahn Motorradrennen«, fasste der Spiegel die damaligen Recherchen mehrerer Medien zusammen. Aber der US-Präsident ließ sich durch Fakten nicht beirren. Der kleine Antillenstaat, dessen sozialistischer Premier enge Bande zu Havanna und Moskau geknüpft habe, sei »ein Träger des marxistischen Virus«, die Grenader bauen einen »Zwischenlandeplatz für Kubas Luftbrücke nach Afrika«, erklärte Reagan dem US-amerikanischen Publikum.

Bishop versicherte demgegenüber bei jeder Gelegenheit, dass der Flughafen ausschließlich zivil genutzt werden soll, und machte sich – offenbar beunruhigt von den ständigen Drohungen aus Washington – im Juni 1983 zu einem Besuch in die US-Hauptstadt auf. Reagan und Bush ließen ihn abblitzen, das Weiße Haus bot aber Termine beim nationalen Sicherheitsberater William Clark und dem stellvertretenden Außenminister Kennet Dam an. Die Treffen seien hilfreich gewesen, um eine Invasion abzuwehren, sagte Bishop nach seiner Rückkehr. Medien berichteten, er habe Clark nicht nur die ausschließlich zivile Nutzung des Flughafens zugesichert, sondern auch versprochen, »antiamerikanische Äußerungen« künftig zu unterlassen. Innerhalb des NJM wurde das mit Skepsis registriert. Der stellvertretende Parteivorsitzende und Vizepremier Bernard Coard trat angesichts der US-Drohungen für eine stärkere Annäherung an die Sowjetunion ein und verlangte einen radikaleren Kurs. Der Professor für Wirtschaftswissenschaften und Völkerrecht, der in den USA bei Herbert Marcuse studiert hatte, organisierte innerhalb des NJM den linken Schulungszirkel »Organization for Revolution, Education and Liberation« (Organisation für Revolution, Erziehung und Befreiung, OREL).

Am 12. Oktober 1983 schloss das Zentralkomitee Bishop aus der Partei aus. Einen Tag später wurde er unter Hausarrest gestellt. Coard erklärte Grenada zu einem marxistischen Staat. Bishop hatte jedoch großen Rückhalt in der Bevölkerung. 3.000 seiner Anhänger zogen zu seinem Wohnhaus, um ihn zu befreien. Regierungssoldaten eröffneten daraufhin das Feuer. Am 19. Oktober wurden Bishop und einige seiner Anhänger erschossen. Kurz vor seinem Tod soll er noch erklärt haben, dass eine US-Invasion unmittelbar bevorstehe. Coard und seine Gefolgsleute hatten den Rückhalt in der Bevölkerung damit verspielt. »Unserer Ansicht nach hat die Gruppe die Revolution objektiv zerstört und der imperialistischen Aggression Tür und Tor geöffnet«, verurteilte Fidel Castro die Mörder seines Freundes. Er ließ offen, ob sie »eher unbewusst oder bewusst« zu »Instrumenten des Yankee-Imperialismus« geworden seien. Zugleich erklärte der kubanische Revolutionsführer, dass Ronald Reagan kein Recht habe, »sich über den Tod von Bishop, den er so sehr hasste«, aufzuregen. »Seit wann ist die US-Regierung ein Richter über Konflikte zwischen Revolutionären in einem Land?« so Castro.

Von langer Hand geplant

Als hätte er auf den Anlass zum lang ersehnten Regime-Change gewartet, erklärte Reagan - sechs Tage nach dem Tod Bishops - mit sorgenvoller Miene, dass ein Angriff auf Grenada begonnen habe, um die Bevölkerung zu schützen, ausländische Besucher zu retten und die »demokratische Ordnung« wiederherzustellen. Zur Rechtfertigung der Invasion vor der regionalen Öffentlichkeit und der Welt und um zu verschleiern, dass sie bereits lange vor den Ereignissen geplant worden war, zog Washington alle Register der Propaganda und Desinformation. Unter anderem wurde behauptet, dass die USA durch ein »dringendes Gesuch« der aus sechs Ländern bestehende Organisation der Ostkaribischen Staaten (OECS), dem sich Barbados und Jamaika angeschlossen hätten, gebeten worden seien, zu intervenieren. Laut den britischen Zeitungen Guardian und Observer erklärte der Premierminister von Barbados, Tom Adams, später jedoch, dass die Vereinigten Staaten bereits am 15. Oktober 1983 wegen einer militärischen Invasion an ihn herangetreten seien. Auch sein jamaikanischen Amtskollege Edward Seaga bestätigte, dass die Bitte um Invasion auf Anregung der USA zustande kam. »Schicken Sie uns eine Aufforderung, und wir werden antworten«, hatte Washington mitgeteilt. Und im französischen Fernsehen verplapperte sich der dortige US-Botschafter, Evan Galbraith, mit der Aussage, dass die Reagan-Regierung die Invasion eigentlich schon zwei Wochen früher (also vor dem Sturz Bishops und dem Ersuchen der karibischen Länder) geplant hatte. Reagans Sicherheitsberater Robert McFarlane bestätigte das. »Ich erteilte meinen Mitarbeitern den Auftrag, herauszufinden, ob die anderen Karibikstaaten bereit wären, einen Hilferuf an die Vereinigten Staaten zu richten, der unsere Beteiligung an den Ereignissen in der Region legitimieren würde«, schrieb er in seinen Memoiren. »Es ging darum, dass die Organisation Ostkaribischer Staaten (OECS) (…) die Intervention decken sollte«, gab auch der für die Region zuständige CIA-Agent Duane Clarridge zu. Der Entschluss stand also schon lange vorher fest. Er war von Entscheidungsträgern vorgefasst, die »militärischer Machtausübung einen höheren Wert als der Diplomatie beimessen«, beklagte die Washington Post.

Hoch zufrieden mit dem ersten erfolgreichen Kampfeinsatz US-amerikanischer Truppen seit der Niederlage im Vietnamkrieg, wandte Reagan sich zwei Tage nach Beginn der Invasion mit einer Fernsehansprache an die Nation. »Die Ereignisse im Libanon (bei einem Anschlag auf den US-Stützpunkt in Beirut waren am 23. Oktober mehr als 300 Personen, darunter 241 US-Soldaten ums Leben gekommen, jW) und auf Grenada sind eng miteinander verbunden. Nicht nur hat Moskau in beiden Ländern zur Gewalt beigetragen, sondern es leistet auch durch ein Netz von Helfershelfern und Terroristen direkten Beistand. So war es kein Zufall, dass sich 30 sowjetische Berater und Hunderte von kubanischen Militärs und Paramilitärs auf der Insel aufhielten, als die Aufständischen versuchten, die Kontrolle über Grenada zu erlangen.« Angeblich hätten die US-Militärs »umfangreiche Waffenlager auf der Insel gefunden, genug, um Tausende von Terroristen zu versorgen«, so Reagan. »Man hatte uns erzählt, Grenada sei ein freundliches Inselparadies für Touristen. Das war es nicht. Es war eine sowjetisch-kubanische Kolonie auf dem Wege zu einer größeren militärischen Bastion mit dem Ziel, Terror zu exportieren und die Demokratie zu untergraben. Wir kamen gerade noch rechtzeitig.«

Weltweite Proteste

Fidel Castro zerpflückte Reagans Behauptungen auf einer Trauerfeier für die von den US-Invasoren in Grenada getöteten Kubaner am 14. November 1983 auf dem Platz der Revolution in Havanna Stück für Stück. Spöttisch erwähnte er eine Nachfrage beim Kapitän des im Hafen von St. George’s gelegenen kubanischen Schiffes »Vietnam Heroico«, dem die USA unterstellt hatten, »besondere Waffen« geladen zu haben. Der Kapitän hatte geantwortet, dass er nur eine für US-Amerikaner furchterregende Waffe an Bord habe, den Schiffsnamen »Vietnam«. Doch Washington hatte dafür gesorgt, dass weltweit nur die eigene Propaganda verbreitet wurde. Medienvertreter waren ausgeschlossen und eine Nachrichtensperre verhängt worden. Beobachter oder Journalisten, die Reagans angebliche Enthüllungen vor Ort hätten überprüfen können, durften tagelang nicht nach Grenada. Von westlichen Meinungskonzernen wie CNN, CBS oder BBC unabhängige Medien wie Telesur oder RT, die eine andere Sicht aus der Region hätten verbreiteten können, wurden erst 20 Jahre später gegründet.

Trotz Washingtons Propagandaoffensive gab es weltweit Proteste. Die meisten Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und sogar die Reagan ideologisch verbundene britische Premierministerin Margaret Thatcher verurteilten die Invasion als Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer kleinen, unabhängigen Nation. Eine Entschließung des UN-Sicherheitsrats, die die US-Invasion als eine schwere Verletzung des Völkerrechts bezeichnete, konnten die USA nur durch ihr Veto verhindern. Auch im US-Kongress äußerten Abgeordnete der Demokraten sich zunächst kritisch. Den Bewohnern Grenadas half all das nicht. Kurz nach Landung der Besatzer bestanden Abgesandte der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID darauf, dass Reis und Zucker nicht mehr subventioniert werden dürften, da nun wieder freie Marktwirtschaft herrsche. US-Soldaten und Experten für psychologische Kriegführung fuhren über die Insel und forderten deren Bewohner auf, »die schwer errungene Freiheit zu bewahren«. Andere US-Militärs bauten an der 3.000-Meter-Landepiste weiter. »Hier endet der Kommunismus«, verkündete ein Plakat, das Rangers dort aufhängten. Das war etwas zu voreilig. Im Jahr 2009 wurde der Flughafen in »Maurice Bishop International Airport« umbenannt.

Anmerkung
1) Die angegebenen Opferzahlen gehen zurück auf Armin Wertz: »Die Weltbeherrscher. Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA«, Frankfurt am Main 2015, S. 196. Der englischsprachige Wikipedia-Eintrag »United States invasion of Grenada« präsentiert hingegen unter Berufung auf Ronald Cole (1997): »Operation Urgent Fury: The Planning and Execution of Joint Operations in Grenada« deutlich niedrigere Zahlen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 25.10.2023