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State Department sieht weg
Havanna verurteilt Angriff auf kubanische Botschaft in Washington und fordert Schutz diplomatischer Vertretung.
Erst nach Mitteilung der Mitarbeiter aktiv geworden: Spurensicherung an der Kubanischen Botschaft in Washington (24.9.2023)
Foto: Ministery of Foreign Affairs Cuba
Nach dem Anschlag vom Abend des 24. September auf die kubanische Botschaft in Washington verdichten sich Hinweise darauf, dass die US-Regierung ihrer im Wiener Übereinkommen festgelegten Verpflichtung zum Schutz diplomatischer Vertretungen nicht nachkommt. Das gilt zumindest für die solcher Länder, die der US-Politik kritisch gegenüberstehen. Der Angriff mit zwei Molotowcocktails ereignete sich am Sonntag, nur wenige Stunden nachdem Präsident Miguel Díaz-Canel New York besucht und unter anderem als Vertreter der Gruppe der 77 plus China in der UN-Vollversammlung gesprochen hatte.
»Der Hass hat letzte Nacht wieder einen Terroranschlag auf unsere Botschaft in Washington verübt, ein Akt der Gewalt und der Ohnmacht, der Menschenleben hätte kosten können. Wir verurteilen die Tat und erwarten Maßnahmen von den US-Behörden«, forderte Díaz-Canel am Montag über den Kurznachrichtendienst X. Das Außenministerium in Havanna verwies unter anderem darauf, dass das von den USA unterzeichnete Wiener Übereinkommen aus dem Jahr 1961 die Gastgeberländer dazu verpflichtet, ausländische Botschaften »vor jedem Eindringen und jeder Beschädigung zu schützen«. Dieser Verpflichtung ist der dem US-Außenministerium unterstehende »Diplomatic Security Service« (DSS) offensichtlich nicht nachgekommen, wie von kubanischen Behörden am Dienstag veröffentlichte Videos vermuten lassen.
Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie eine Person die Brandsätze gegen 19.52 Uhr auf dem Gehweg direkt vor der Botschaft vorbereitet, während vereinzelt Fußgänger vorbeilaufen. Ohne von irgend jemandem daran gehindert zu werden, entzündete der Täter dann die Molotowcocktails, schleuderte sie gegen das Gebäude und entfernte sich ruhig. Menschen wurden nicht verletzt. Der für die Verfolgung derartiger Angriffe zuständige Secret Service wurde erst tätig, nachdem Botschaftsmitarbeiter die Behörde über den Anschlag informiert hatten. Das kubanische Außenministerium kritisierte den erkennbar fehlenden Schutz der Botschaft und verlangt von der US-Regierung, »dass sie im Einklang mit dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen handelt, um zu verhindern, dass sich derartige Taten wiederholen«.
Für die Ermahnung gibt es gute Gründe. Bereits vor gut drei Jahren hatte sich ein ähnlicher Vorfall ereignet. Am 30. April 2020 feuerte ein 42jähriger aus Kuba stammender Täter, dem die USA Asyl gewähren, ungehindert mit einem AK-47-Gewehr auf die Botschaft und beschädigte das Gebäude. Nach internationaler Kritik versicherte Todd J. Brown, der damalige Direktor des diplomatischen Sicherheitsdienstes der USA, die »im Wiener Übereinkommen festgelegte Verantwortung sehr ernst« zu nehmen. »Der diplomatische Sicherheitsdienst ist fest entschlossen, die Sicherheit ausländischer Vertretungen in den Vereinigten Staaten zu gewährleisten«, beteuerte Brown. Davon war am Sonntag allerdings nichts zu spüren. Bis zum Mittwoch (Ortszeit) hatte der Secret Service zudem weder über die konkrete Fahndung nach einer verdächtigen Person noch über eine Festnahme, geschweige denn über eine Untersuchung der Tathintergründe berichtet.
Der erneute terroristische Angriff auf eine kubanische Einrichtung in den USA rief auch international Reaktionen hervor. Als erstes Land verurteilte Mexiko die Gewalttat und versicherte Kuba seiner Solidarität. Ähnliche Stellungnahmen erfolgten umgehend auch von den Regierungen Venezuelas, Boliviens und anderer lateinamerikanischer Länder. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, forderte die USA auf, endlich »wirksame Maßnahmen« zum Schutz der Diplomaten zu ergreifen. Für das Moskauer Außenministerium unterstrich Sprecherin Marija Sacharowa am Dienstag die Solidarität ihres Landes »mit dem brüderlichen Volk der Republik Kuba« und sagte dieser »volle Unterstützung« zu. Das Verbrechen dürfe »nicht ungesühnt bleiben«, erklärte sie und forderte eine »harte Bestrafung für dessen Hintermänner«. Während der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, den Angriff auf einer Pressekonferenz zumindest als »inakzeptabel« verurteilte, gab es vom Auswärtigen Amt der BRD bislang keine Reaktion auf den Anschlag.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 28.09.2023