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Moskau-Havanna direkt
Russland und Kuba rücken enger zusammen. Vertiefte Kooperation in Industrie, Landwirtschaft und Tourismus vereinbart.
Russland und Kuba wollen den bilateralen Handel sowie die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit ausbauen. Bei einem Besuch des stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten Dmitri Tschernyschenko unterzeichneten Vertreter der beiden von westlichen Sanktionen betroffenen Länder in der vergangenen Woche mehrere Vereinbarungen, mit denen ihre Beziehungen gestärkt werden sollen.
Das Zusammenrücken der strategischen Partner entspricht der Neuausrichtung der russischen Außenpolitik, die Präsident Wladimir Putin Ende März angekündigt hatte. Um seine Rolle »bei der Lösung globaler Probleme und der Schaffung einer gerechteren und multipolaren Weltordnung« zu stärken, werde Russland »mit allen Mitteln auch die Beziehungen zu Lateinamerika, Asien und Afrika ausbauen«, zitierte die Agentur Sputnik am 17. Mai aus einer Videobotschaft Putins.
In Havanna rennt er damit offene Türen ein. »Das ist positiv für Kuba, weil der Handel mit Russland uns helfen wird, die US-Blockade zu durchbrechen, und es ist auch für Russland von Vorteil, weil es ebenfalls Sanktionen unterliegt«, kommentierte Óscar Villar Barroso von der Universität Havanna am vergangenen Freitag gegenüber Sputnik die Ergebnisse eines Wirtschaftsforums, an dem sich 158 Unternehmen beider Länder beteiligt hatten.
Vizepremier Tschernyschenko hatte zum Auftakt des Besuchs an der Wiedereinweihung einer mit russischer Hilfe modernisierten Stahlhütte in Havanna teilgenommen. Investitionen in Höhe von 90 Millionen Dollar sollen die Kapazität des Werkes auf 230.000 Tonnen Flüssigstahl pro Jahr erhöhen und 500 neue Arbeitsplätze in der Region schaffen. Unter den bilateralen Abkommen in den Bereichen Handel, Industrie, Energie, Landwirtschaft, Bauwesen und Bildung sticht vor allem das zum Ausbau des Tourismus hervor. Wie Tschernyschenko dem kubanischen Tourismusminister Juan García Granda bestätigte, sollen bis zu einer halben Million russische Urlauber pro Jahr die Karibikinsel besuchen. Sie wären in dieser Zahl wohl die wichtigste Quelle für Deviseneinnahmen der Insel aus dem Tourismussektor.
Einen Beitrag zur Verwirklichung dieses Ziels leistet die Fluggesellschaft Aeroflot, die ab 1. Juli – zusätzlich zu bereits bestehenden Charterverbindungen – zweimal in der Woche Linienflüge nach Varadero und etwas später auch wieder Direktflüge zwischen Moskau und Havanna anbieten will. Vereinfacht werden touristische Aufenthalte für Russen durch die Visafreiheit zwischen beiden Ländern, die alle 180 Tage einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen ermöglicht, sowie dadurch, dass die russische Geldkarte »Mir« seit März in Kuba als Zahlungsmittel anerkannt wird.
»Die russische und die kubanische Regierung arbeiten an der Schaffung besserer Bedingungen für die Wirtschaft, dazu gehört die Beseitigung bürokratischer Hindernisse, die Senkung von Steuern und Zöllen und die Entwicklung der Bankeninfrastruktur«, erklärte Tschernyschenko vor seiner Abreise. Russland werde in die touristische Infrastruktur investieren und umfassende Lösungen in den Bereichen Digitalisierung, Bauwesen und moderne Technologien anbieten. Außerdem seien der Bau neuer Handelsrouten sowie die Ausweitung des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen geplant.
Vom 7. bis 9. Juni soll der kubanische Premierminister Manuel Marrero Cruz an einem Treffen der Regierungschefs der Eurasischen Wirtschaftsunion in Sotschi teilnehmen, der neben Russland noch Armenien, Belarus, Kasachstan und Kirgistan angehören. Zum Abschluss übermittelte Tschernyschenko eine Einladung an Präsident Miguel Díaz-Canel zur Teilnahme am achten Östlichen Wirtschaftsforum Mitte September in Wladiwostok. Dort werden auch Vertreter lateinamerikanischer Länder erwartet.
Überschattet wurden die Erfolge der russischen Regierungsdelegation durch den plötzlichen Tod des stellvertretenden Bildungsministers Pjotr Kutscherenko auf dem Rückflug am Sonnabend.
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Volker Hermsdorf
junge Welt, 25.05.2023