Nachrichten aus und über Kuba
Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.
»Voneinander lernen«
China und Kuba: Unterschiedliche Revolutionsmodelle können produktiv sein. Gespräch mit Charles Xu.
Gemeinsam gegen US-Imperialismus: Nordamerikanische Linke auf Kuba (1.5.2023)
Foto: 2023 © Palacio de La Revolución
Warum nimmt das »Qiao Collective« an dieser Brigade teil?
Allgemein gesprochen, ist der Internationalismus für uns ein Grundprinzip, und der kubanische Internationalismus kann in jeder Hinsicht als beispielhaft gelten. Wir orientieren uns an der internationalistischen Außenpolitik und insbesondere an der Solidarität mit der sogenannten dritten Welt, für die die Volksrepublik China in den 1950er bis 1970er Jahren bekannt war. Jetzt sehen wir vielversprechende Anzeichen für eine Wiederbelebung dieser Politik. Nicht in derselben Form, aber in der Art und Weise, wie sie heute Beziehungen zu den Regierungen, den Völkern und Volksbewegungen des globalen Südens gestaltet.
Ihr seid mit sehr konkreten Fragen angetreten.
Ja, für uns als Qiao-Kollektiv und unser Publikum ist die Rolle der Diaspora in den USA besonders relevant. Seit der Kubanischen Revolution haben die USA mit einigem Erfolg versucht, die reaktionärsten Elemente der kubanischen Diaspora als ideologischen Deckmantel für die Blockade und in einigen extremen Fällen als Agenten für interne subversive terroristische Angriffe auf die Kubanische Revolution zu instrumentalisieren. Diese Dynamik erkennen wir wieder. Praktisch alle in den Mainstreammedien sichtbaren Personen chinesischer Abstammung folgen der Linie des Außenministeriums in bezug auf China: Sie verurteilen ihr Herkunftsland in einer Weise, die die USA von ihrer eigenen Verantwortung für die imperialistische Aggression überall entlastet und China auf antikommunistische Weise dämonisiert. Eine weitere Parallele sehen wir in bezug auf die Entwicklungsmodelle. Kuba ist zunehmend gezwungen, ausländisches Kapital einzuladen, mehr Raum für private Unternehmen zu schaffen und den Tourismussektor auszubauen, weil die Blockade einen so großen Bedarf an Devisen geschaffen hat. Das hat natürlich Parallelen zu der frühen Reform- und Öffnungsphase in China. Die Identifikation westlicher Linker mit China hat sich in der Reformära schnell gewandelt. Wir sehen unsere Aufgabe darin, diese Widersprüche zu thematisieren, die Kluft zu überwinden und wieder Brücken zu bauen.
Hat das Kollektiv zu Beziehungen zwischen China und Kuba gearbeitet?
Das ist ein Thema, das eine eingehende Untersuchung verdient. Meines Erachtens sind die Beziehungen zwischen den Staaten und zwischen den Parteien recht herzlich. Aber ich denke, sie könnten vertieft werden. Es gibt Elemente des kubanischen Modells, die für China sehr lehrreich sein dürften. Dass Kuba in der Lage ist, seine revolutionäre Bewegung sowie seine Unabhängigkeit und Souveränität aufrechtzuerhalten, obwohl diese kleine Insel 90 Meilen vor der Küste Floridas liegt, dass es unter solch schwierigen Bedingungen immer wieder gelingt, den Prozess der Massenorganisation und Mobilisierung, der innerparteilichen und gesamtgesellschaftlichen Demokratie zu kultivieren, ist beispiellos.
Das scheint eine gute Basis für einen Austausch.
Aber nicht nur wirtschaftlicher oder diplomatischer Natur, zugleich auch für einen Austausch, der hervorhebt, wie beide Länder in unterschiedlichen Revolutionsprozessen voneinander lernen und sich in dieser Zeit der Krise stärken können. Am Ende kann man sich in Richtung einer multilateralen Zukunft des Sozialismus und letztlich auf den kommunistischen Horizont zubewegen.
Charles Xu ist Mitglied des »Qiao Collective«, eines kommunistischen Videokollektivs der chinesischen Diaspora in den USA.
Veröffentlichung |
Interview: Florentine Morales Sandoval
junge Welt, 04.05.2023