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Nachrichten aus und über Kuba

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Zweierlei Maß

Westliche Kritik an Kubas politischem System zeigt bei genauem Hinsehen ihre Willkür.

Vor den kubanischen Parlamentswahlen am Sonntag erklärte der stellvertretende Sekretär für die westliche Hemisphäre im US-Außenministerium, Brian A. Nichols, dass den Kubanern wieder einmal »eine echte Wahl« verwehrt werde. »Wenn die einzige Wahl die Kommunistische Partei ist, (…) gibt es keine Demokratie, sondern nur Autokratie und Elend«, schrieb Nichols am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter. Der ultrarechte republikanische Senator für Florida, Marco Rubio, behauptete, dass »die kubanische kommunistische Partei das kubanische Volk einer kriminellen marxistischen Tyrannei unterworfen hat«. Die Wahlen seien eine »Farce« und »antidemokratisch«, so Rubio.

Demokratie und Menschenrechte in Kuba sind für die USA, die BRD und die EU allerdings erst seit dem Sieg der Revolution im Jahr 1959 ein Thema. Der im März 1952 mit einem Militärputsch an die Macht gelangte Diktator Fulgencio Batista, unter dessen Herrschaft rund 20.000 Oppositionelle ermordet wurden, war von Washington zuvor großzügig mit Geld und Waffen unterstützt worden. Die Adenauer-Regierung der BRD zeichnete den antidemokratischen Schlächter noch 1957, als sich die kubanische Bevölkerung bereits gegen den Diktator auflehnte, sogar mit der »Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland« aus, dem höchsten Orden des Landes. Der heutigen revolutionären Regierung wird dagegen vorgeworfen, dass ihr bewusst gewähltes, alternatives Modell nicht dem westlichen Demokratieverständnis entspreche. In anderen Fällen wird mit dem Thema allerdings großzügiger und äußerst flexibel umgegangen.

So hat etwa beim 28. Iberoamerikanischen Gipfel am vergangenen Wochenende keines der durch Wahl legitimierten lateinamerikanischen Staatsoberhäupter darauf hingewiesen, dass ihr spanischer Amtskollege König Felipe VI. nach den Wertvorstellungen der meisten teilnehmenden Länder nicht demokratisch legitimiert ist. Auch die USA und die europäischen Länder des Wertewestens akzeptieren die nicht gewählten, in der Regel adligen Staatsoberhäupter der mehr als 40 noch existierenden Monarchien. Das höchste Staatsamt wird in vielen dieser Länder durch Vererbung übertragen und auf Lebenszeit oder bis zur Abdankung des Monarchen ausgeübt.

Auch andere – höchst unterschiedliche – Staatsformen, Wahl- und Regierungssysteme werden als »demokratisch« akzeptiert, obwohl zum Beispiel bei den Wahlen im Zweiparteiensystem der USA immer öfter Zweifel daran laut werden. Wenn sie auf der »richtigen Seite« stehen, werden – wie zu Zeiten Batistas – sogar ultrarechte Putschisten und skurrile Marionetten, die sich in Absprache und mit dem Segen ihrer Beschützer selbst zum Staatsoberhaupt ernennen, zu lupenreinen Demokraten verklärt. So erkannten die USA und mehr als 50 weitere westliche Staaten mehrere Jahre lang den von Washington geförderten venezolanischen Oppositionspolitiker Juan Guaidó als »legitimen Präsidenten« des südamerikanischen Landes an, obwohl er nie gewählt wurde, sondern sich selbst dazu ernannt hatte. Auch bei der ebenfalls selbsternannten bolivianischen Putschpräsidentin Jeanine Áñez entdeckte der Wertewesten kein Demokratiedefizit. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 28.03.2023