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Kandidaten aus der Nachbarschaft

Kuba bereitet sich auf Parlamentswahlen vor. Díaz-Canel tritt für zweite Amtszeit an.

Mehr als acht Millionen Kubanerinnen und Kubaner sind am kommenden Sonntag unter dem Motto »Besser ist möglich« zur Wahl von 470 Abgeordneten des nationalen Parlaments aufgerufen. Die neue »Asamblea Nacional« wird ihre konstituierende Sitzung symbolträchtig am 19. April abhalten, dem Jahrestag des kubanischen Sieges über die CIA-Invasoren in der Schweinebucht. Das Parlament wird dann unter anderem sein Präsidium, die Mitglieder des Staatsrats, das Staatsoberhaupt der Republik, dessen Stellvertreter sowie – auf Vorschlag des Präsidenten – den Premierminister bestimmen. Nach dem Wahlgesetz kann sich der seit 2019 amtierende Staatschef Miguel Díaz-Canel um eine zweite Amtszeit bewerben.

Für die Legislaturperiode von 2023 bis 2028 wurde die Zahl der zu wählenden Mitglieder des höchsten gesetzgebenden Organs des Landes von derzeit 605 auf 470 reduziert. Namen, Fotos und Kurzbiographien der Kandidaten bei den alle fünf Jahre stattfindenden Wahlen wurden seit Anfang März in den Medien des Landes veröffentlicht. Zum Teil bewerben sich Abgeordnete der Provinz- oder Kommunalparlamente, der größere Teil der Kandidaten wurde aber in Nachbarschaftsversammlungen, von Frauen-, Jugend-, Künstler-, Studenten- und Bauernverbänden, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Organisationen nominiert. Wahlausschüsse hatten in den vergangenen Wochen Hunderte Veranstaltungen in den 168 Gemeinden des Landes organisiert, in denen Kandidaten vorgeschlagen wurden. Aufgestellt wurde, wer mehr als 50 Prozent der gültig abgegebenen Stimmen erhielt. Da nur Personen und keine Parteien zur Wahl zugelassen sind, darf sich die Kommunistische Partei (PCC) laut Gesetz nicht an der Kandidatenaufstellung beteiligen. Viele Bewerber sind allerdings PCC-Mitglieder.

»Obwohl sich unter den Kandidaten Persönlichkeiten wie der Präsident der Republik, hochrangige Regierungsmitglieder, Künstler und Sportler mit regelmäßiger Medienpräsenz oder auch renommierte Wissenschaftler befinden, handelt es sich mehrheitlich um Bürger, die nicht über ihren Wohnort hinaus bekannt sind«, schrieb die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina am Donnerstag über die Zusammensetzung der Vorschläge. Miguel Díaz-Canel hob in einem Kommentar die »Vielfalt der Parlamentskandidaten« hervor und bezeichnete deren Biographien als »ein beeindruckendes und vielfältiges Porträt des kubanischen Volkes«. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Frauen und rund 20 Prozent der Bewerber unter 35 Jahre alt. Sollten am Sonntag alle gewählt werden, würden 64 Prozent des künftigen Parlaments neu besetzt sein, so Prensa Latina.

Contra-Gruppen außerhalb Kubas haben eine Kampagne gestartet, die zur Wahlenthaltung aufruft, und bezeichnen den Wahlprozess in Videos, die im Internet kursieren, als »Farce«. Die Agentur Reuters zitierte am Mittwoch einen Juraprofessor der Universität im kubanischen Artemisa, der darauf hinweist, dass »die Wirtschaftskrise, die steigenden Preise und die wiederkehrenden Stromausfälle diese Wahl zur schwierigsten seit 1993 machen«. Er vermute, dass viele Menschen nicht wählen werden, weil die Wahlen ihre Probleme nicht lösten. Laut Reuters könnte eine »sinkende Wahlbeteiligung die Glaubwürdigkeit der neuen Versammlung gefährden und – inmitten eines tiefen wirtschaftlichen Abschwungs – zu einem wachsenden Gefühl des Unbehagens« beitragen.

In Kuba werden derartige Einschätzungen offenbar ernstgenommen. »Die Situation ist angespannt, das wissen wir. Die 243 extraterritorialen Maßnahmen, die der ehemalige US-Präsident Donald Trump verhängt hat und die von der derzeitigen Regierung unter Joseph Biden fast unverändert aufrechterhalten werden, haben die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen unser Land auf ein Niveau gebracht, das seit mehr als sechs Jahrzehnten beispiellos ist«, verwies die KP-Zeitung Granma am Mittwoch auf eine der Ursachen für die wirtschaftlichen Probleme. Hinter der Kampagne zum Wahlboykott steckten laut Granma auch »Pläne der US-Regierung, uns zu spalten und die Kubanische Revolution zu zerstören«.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 25.03.2023