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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Tunnelblick e. V. zur Menschenrechtslage auf Kuba

Dokumentiert: Schreiben des Vereins "Hilfe bei Tunnelblick e. V. " an Büro des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR).


Retinitis Pigmentosa Hilfe bei Tunnelblick e. V.
Altschloßstraße 1
06749 Bitterfeld-Wolfen
Tel.: +49 (0)3493 – 826 55 80
angelika.fettig@gmx.de
www.verein-tunnelblick.de
GN: VR911 Amtsgericht Stendal

22. März 2023


Büro des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) Palais des Nations CH-1211 Genf 10

Universal Periodic Review (UPR), 4th Cycle, 44th session
Kuba


Sehr geehrte Damen und Herren,

wir nehmen Stellung zur Menschenrechtslage auf Kuba im aktuellen UPR.

Wir sind der deutsche Verein "Hilfe bei Tunnelblick e. V.", eine Vereinigung von Patienten und deren Angehörigen, die mit der Augenkrankheit Retinitis pigmentosa (RP) zu tun haben. RP ist eine genetisch bedingte chronische Erkrankung, die unbehandelt bis zur Erblindung fortschreitet. RP gehört zu den seltenen Krankheiten. In Deutschland sind Schätzungen zufolge 40.000 Menschen betroffen. In Deutschland und den meisten anderen Ländern gibt es keinen therapeutischen Ansatz.

In Kuba wurde Ende der 80er Jahre die sogenannte Kuba-Therapie entwickelt, die laufend verfeinert und verbessert und Patienten aus dem In- und Ausland angeboten wird. Die Therapie nimmt nicht für sich in Anspruch, die Krankheit kausal zu heilen, sondern ihren Verlauf aufzuhalten und damit einer vollständigen Erblindung vorzubeugen oder sie relevant zu verzögern. Es handelt sich um eine Multitherapie aus mehreren Verfahren der Schul-, Alternativ- und naturheilkundlichen Medizin, die zusammen wirken. Unser Verein hat sich von der positiven Wirkung der Kuba-Therapie überzeugt und daraufhin entschieden, die Kuba-Therapie zu unterstützen.

Unser Verein besteht seit dem Jahr 2003. Wir blicken also auf zwanzig Jahre Erfahrung mit der Kuba-Therapie zurück. In den folgenden Darlegungen gehen wir davon aus, daß der Erhalt der Gesundheit und die Heilung von Krankheit zu den elementaren Menschenrechten ge­hören. Unsere Ausführungen stützen sich auf Erfahrungsberichte von Nichtmitgliedern und Mitgliedern unseres Vereins. Wir stellen ferner voran, daß wir lediglich Aussagen zur Behandlung ausländischer Patienten in dem internationalen Krankenhaus auf Kuba machen kön­nen, wo die Kuba-Therapie angeboten wird. Über die Situation in den Krankenhäusern für die kubanische Bevölkerung können wir aus eigener Anschauung keine Aussage treffen.

Von da aus läßt sich folgendes zur Lage der Menschenrechte auf Kuba feststellen:

1) Das ärztliche Personal auf Kuba zeichnet sich nach den Maßstäben und Erfahrungen, die Patienten in Deutschland haben, durch einen hohen Grad an Qualifikation und Empathie aus. Die Behandlungen werden versiert, gezielt, gekonnt und ohne belastende Umwege ausgeführt. Diagnostische und therapeutische Entscheidungen werden wohl erwogen, gut begründet und dem Patienten transparent gemacht. Der Patient wird in die Entscheidungsfindung integral einbezogen. Fragen werden ausführlich beantwortet. Dem Patienten wird vermittelt, daß er nicht allein ist, sondern in jedem Fall Unterstützung erfährt. Von beson­derer Qualität ist die Bereitschaft und die erkennbare Ethik der kubanischen Ärzte, auftre­tende medizinische Probleme oder Komplikationen, so groß sie auch sein mögen, cou­ragiert und ohne zu zögern anzugehen.

2) Was für die Ärzte gilt, gilt nicht weniger für das pflegende und medizinisch-technische Personal. Wo im Westen oft Routine herrscht und sich der Patient als einer unter vielen oder als Abrechnungsnummer vorkommen muß, wird er auf Kuba als ganzer Mensch wahr- und ernst genommen. Das sind gute Voraussetzungen für präzise Erkenntnisse und reduziert den psychischen und physischen Aufwand, was gerade bei schwerer Erkrankung oder unangenehmer Therapie wichtig ist. Das Personal tritt ausgesprochen diskret, respektvoll und anteilnehmend gegenüber den Patienten auf, stets freundlich und mit Nach­druck bei der Arbeit. Probleme, soweit erforderlich und sinnvoll, werden von dem Patien­ten ferngehalten oder mit Empathie mitgeteilt, stets mit einer positiven Aussicht auf Bes­serung und einem freundlichen Wort der Ermunterung verbunden. Gerade das erhöht die Aussichten des Erfolgs der Therapie und der Genesung.

3) Eine eigene Würdigung, gerade als deutsche bzw. europäische Patientenorganisation, ist dem Umstand zu widmen, daß das kubanische Personal augenscheinlich über gute Arbeitsbedingungen verfügt, die es ihm ermöglicht, seine ethischen Maßstäbe bei der Arbeit umzusetzen. Es ist dem Bedarf gemäß ausreichend Personal auf jeder Stufe vorhanden. Die Beschäftigten haben die Möglichkeit, sich genügend Zeit für die Sorge um die Patien­ten zu nehmen, und tun dies auch. Dazu gehört, daß Hierarchien zwischen den Beschäftig­ten, klassischerweise zwischen der ärztlichen und der Pflegeseite, allein durch Kompe­tenz, nicht durch formale Autorität begründet ist und nicht starr gehandhabt wird. Unsere Mitglieder konnten mehrfach erleben, wie sich das Pflegepersonal beim Vorgehen in schwierigen gesundheitlichen Situationen gegenüber einem Arzt durchsetzte, einfach weil es den Patienten besser kennt. Diese Entscheidungen erwiesen sich stets als richtig. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß Mitglieder unseres Vereins davon berichteten, daß das medizinische Personal bei einer Notfallsituation in einer überraschenden Schnelligkeit und Gewandtheit agiert, wo jeder einzelne weiß, was er zu tun hat, und so der Eindruck eines hochaktiven und wirkungsvollen kollektiven Korpus entsteht, dem man als Patient mit Vertrauen und Zuversicht begegnen kann.

4) Während die Kuba-Therapie für kubanische Staatsbürger kostenfrei angeboten wird, können sich Patienten aus dem Ausland nur auf private Rechnung behandeln lassen. Die Kos­ten betragen für europäische Patienten bei der Erstbehandlung inklusive einer erforderlichen Operation rund 8000 Euro für einen dreiwöchigen Klinikaufenthalt. Dabei sind alle medizinischen und pflegerischen Leistungen, Unterbringung in einem Einzelzimmer sowie eine gute Verpflegung eingeschlossen. Ab dem zweiten Mal zahlt man rund 3000 Euro für eine Behandlungsdauer von zwei Wochen. Die Preise sind staatlicherseits festgelegt und werden auch bei starker Nachfrage nicht kurzfristig erhöht. Aus deutscher Sicht sind diese Kosten auch bei Berücksichtigung der unterschiedlichen volkswirtschaftlichen Kaufkraft als sehr moderat zu bewerten, wenn man die Gegenleistungen berücksichtigt. Festzuhalten ist, daß in dem kubanischen System sichergestellt ist, daß die Einnahmen durch die ausländischen Patienten direkt dem kubanischen Gesundheitswesen und der Forschung zuteil werden. Mit anderen Worten: Als zahlende RP-Patienten aus Deutschland finanzieren wir die kostenfreie Versorgung unserer kubanischen Leidensgenossen mit, was wir sehr begrüßen. Wir konnten außerdem immer wieder feststellen, daß in der Versorgung in der Klinik keinerlei Unterschied gemacht wird, ob ein Patient aus dem zahlungskräftigen europäischen oder nordamerikanischen Ausland kommt oder aus einem armen Land Lateinamerikas oder Afrikas. Diese Gleichbehandlung der internationalen Patienten, die Teil einer am Wohl des Patienten orientierten Ethik ist, können wir nur zutiefst begrüßen.

5) Die Spezialklinik, in der unsere Mitglieder ihre Erfahrungen sammeln, heißt Clínica Internacional Camilo Cienfuegos (CICC), ihr Sitz befindet sich in Havanna. Zu unserer Überraschung entspricht die Ausstattung mit Gerätschaften dem Standard, den wir in deutschen Krankenhäusern kennen. Um so irritierter mußten unsere Mitglieder immer wieder feststellen, daß es mitunter an einfachsten Dingen wie Kanülen, Desinfektionsmittel oder Einmalhandschuhen fehlt. Von der kubanischen Seite wurde glaubhaft versichert, daß dieser Mangel eine Folge der jahrzehntelangen und zuletzt immer wieder verschärften Sanktionen ("el bloqueo") der Regierung der Vereinigten Staaten gegenüber der Insel ist. Es liegt auf der Hand, daß eine medizinische Versorgung ohne solch grundlegenden Mittel er­schwert wird. Außerdem bemerken Patienten, daß besonders empfindliche Einschränkun­gen der allgemeinen Versorgungslage dazu führen, daß das medizinische Personal persön­lich stark belastet ist und seine Arbeit teilweise und nicht immer mit der gebotenen und gewollten Konzentration versehen kann. Wir kommen daher nicht umhin, den Schluß zu ziehen, daß eine große, wenn nicht die größte Einschränkung des Menschenrechts auf ge­sundheitliche Versorgung in Kuba der Sanktionspolitik der Vereinigten Staaten zuge­schrieben werden muß. Anzumerken ist auch, daß trotz der strukturellen Mangelsituation und dank des Engagements und der Kreativität des Personals keinerlei Ansätze einer gra­vierenden Einschränkung in der Hygiene oder in der Behandlung der Patienten festgestellt werden konnten.

Resümierend möchten wir unsere Auffassung mitteilen, daß es nichts weniger als eine große und ehrenhafte Entscheidung der Regierung in Kuba ist, als armes Drittweltland die Kosten und wissenschaftlich-medizinischen Ressourcen aufzuwenden, um auch den internationalen Patienten einer seltenen Augenkrankheit wie RP eine Aussicht auf die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs zu verschaffen. In Europa gibt es dergleichen, wie erwähnt, nicht. Uns wurde von kubanischer Seite mitgeteilt, daß auf Kuba kein einziger RP-Patient mehr erblindet, so er die Kuba-Therapie konsequent anwendet.

Die organisatorischen Voraussetzungen dafür sind in dem Land gegeben, denn in jeder der 15 Provinzen ist ein medizinisches Zentrum angesiedelt, wo Betroffene eine kostenlose Kuba-Therapie erhalten. Zudem bekommen sie und ihre Angehörigen eine auf die Krankheit und ihre konkrete Ausprägung spezifizierte Unterstützung sozialer und psychologischer Art sowie für den Arbeitsplatz. Davon können RP-Patienten im deutschen Sozial- und Gesundheitswesen nur träumen. Es spricht für das kubanische Gesundheitswesen und die Konzepte der Verantwortlichen in Wissenschaft, Politik und Verwaltung, daß weltweit Einmaliges in Sachen Kuba-Therapie entwickelt werden konnte, aber auch, daß die Rahmenbedingungen der Patienten, die im weiteren Sinne sozialen wie die konkreten im Krankenhaus, als Teil der Genesung betrachtet und gezielt entfaltet werden.

In der Gesamtbetrachtung aller uns bekannten Aspekte können wir der Menschenrechtslage auf Kuba in punkto Gesundheitsversorgung für RP-Patienten nur die allerbesten Noten und ein ganz herzliches Dankeschön aus Deutschland aussprechen.

Mit freundlichen Grüßen

Kristian Glaser
Sprecher des Vereins "Hilfe bei Tunnelblick"


Download: Stellungnahme zur Menschenrechtslage auf Kuba

Veröffentlichnung mit freundlicher Genehmigung von "Hilfe bei Tunnelblick" e.V.