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Frieden für die Schwesternation
Kuba erneut Vermittler: Gespräche zwischen kolumbianischer Regierung und ELN in Havanna geplant.
Die dritte Runde der Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der linken Guerillaorganisation Nationale Befreiungsarmee (ELN) soll ab Mitte April in Havanna stattfinden. Die dortige Regierung habe einem entsprechenden Ersuchen der Gesprächspartner – zwei Tage vor der Beendigung der zweiten Verhandlungsrunde in Mexiko-Stadt an diesem Freitag – stattgegeben, meldete die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina am Mittwoch.
»Unsere Regierung fühlt sich geehrt, den offiziellen Vorschlag der Regierung Kolumbiens und der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) anzunehmen und dazu beizutragen, den ersehnten Frieden für die Schwesternation zu erreichen«, erklärte Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel im Kurznachrichtendienst Twitter. Der Generaldirektor für Lateinamerika und die Karibik im Außenministerium, Eugenio Martínez Enríquez, informierte darüber, dass Vertreter Kubas »als Garant für die Gespräche am Dialog teilnehmen und einen diplomatischen und politischen Beitrag zum Aufbau des Friedens in Kolumbien leisten werden«. Die Rolle als Gastland bringe »ein hohes Maß an Verantwortung mit sich, der Kuba aufgrund seiner Erfahrung in anderen Dialogprozessen, in denen die Parteien seine Unparteilichkeit anerkannt haben, gerecht werden kann«, versicherte Martínez auf der Internetseite des Ministeriums. »Das Volk Kolumbiens will und verdient Frieden«, Kuba sei überzeugt, einen Weg zu finden. »Was immer nötig ist, um zu helfen, wir werden dasein.«
Havanna hatte bereits einmal eine entscheidende Rolle im Friedensprozess gespielt. Durch Vermittlung von Kubas damaligem Präsidenten Raúl Castro hatten Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos (2010–2018) und der als »Guerillero Timochenko« bekannte Führer der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo (FARC-EP), Rodrigo Londono, im Juni 2016 in der kubanischen Hauptstadt einen Waffenstillstand unterzeichnet, der Voraussetzung für einen zwei Monate später vereinbarten Friedensvertrag war. Entsprechende Gespräche mit der ELN-Guerilla hatte Santos ultrarechter Nachfolger Iván Duque Anfang 2019 abgebrochen.
Nach Antritt der ersten progressiven Regierung unter Präsident Gustavo Petro am 7. August 2022 waren die Verhandlungen Ende vergangenen Jahres mit einer ersten Runde in Caracas wieder aufgenommen worden. Petro hatte »Frieden, soziale und ökologische Gerechtigkeit« zu zentralen Zielen seiner Regierung erklärt. Unter anderem besteht er auf der Umsetzung des von seinem Vorgänger blockierten Friedensabkommens mit der ehemaligen Guerilla FARC-EP und kündigte die Durchführung einer Landreform sowie Verhandlungen mit illegalen bewaffneten Gruppen an. Laut der NGO Indepaz gibt es derzeit noch über 35 bewaffnete Organisationen im Land, darunter neben der ELN weitere, teilweise aus der FARC-EP hervorgegangene und als »Dissidenten« bezeichnete Guerillagruppen, aber auch rechte paramilitärische und Drogenbanden.
Nachdem in der ersten Runde zunächst Vereinbarungen über humanitäre Zusicherungen und die Freilassung inhaftierter Rebellen sowie von Geiseln der Guerilla erreicht worden waren, hatten die Delegationen, laut ELN-Verhandlungsführer Pablo Beltrán, bei der zweiten Gesprächsrunde in Mexiko unter anderem die Bedingungen für einen Waffenstillstand ausgelotet. Bis zum Beginn der möglicherweise entscheidenden Runde in Havanna wollen beide Parteien jetzt die bisherigen Ergebnisse analysieren und ihre jeweiligen Ziele und Strategien festlegen. Wie Telesur am Mittwoch meldete, dankten beide Delegationen der kubanischen Regierung in einem Kommuniqué für die Unterstützung. Zugleich kritisierten sie, dass Kuba von Washington »zu Unrecht auf die US-Liste von Ländern gesetzt wurde, die den Terrorismus fördern«, obwohl der Inselstaat erneut beweise, dass er »ein Leuchtfeuer der Hoffnung und des Friedens für den Rest des Kontinents ist«.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 10.03.2023