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Solidarisches Sozialprogramm
Brasilien: Wiederaufnahme der Strategie für flächendeckende medizinische Grundversorgung »Mais Médicos«.
Knapp 700.000 Tote durch das oder mit dem Coronavirus – diese Zahl spricht für die fehlende medizinische Grundversorgung in vielen Teilen Brasiliens. Die Leiden von Millionen armen und kranken Menschen in Brasilien könnten bald etwas gemildert werden. Wie der seit dem 1. Januar amtierende Präsident Luiz Inácio Lula da Silva von der linken Arbeiterpartei (PT) im Wahlkampf versprochen hatte, will seine Regierung das Gesundheitsprogramm »Mais Médicos« schnellstmöglich reaktivieren. Nésio Fernandes, der Sekretär für primäre Gesundheitsversorgung im zuständigen Ministerium, erklärte Mitte vergangener Woche, dass die Wiederaufnahme des Programms unmittelbar bevorstehe.
Lulas faschistischer Vorgänger, Jair Bolsonaro, der sich zwei Tage vor Ende seiner Amtszeit nach Florida abgesetzt hatte, hatte das mit Hilfe Kubas von 2013 bis 2018 aufgebaute soziale Unterstützungsprojekt kurz nach seiner Wahl auf Druck der USA beendet. Wie die brasilianische Zeitschrift Carta Capital damals berichtete, hatte er seine Vorgehensweise mit dem ultrarechten republikanischen US-Senator für Florida, Marco Rubio, abgestimmt. Der guatemaltekische Journalist Percy Francisco Alvarado Godoy enthüllte zudem, dass auch der ehemalige CIA-Direktor und seinerzeitige US-Außenminister Michael Pompeo in die Planungen eingeweiht war. Der Ausstieg Brasiliens aus dem Programm »Mais Médicos« sei von der US-Botschaft in Brasília und den Konsulaten der Vereinigten Staaten in acht weiteren Städten begleitet worden, berichtete Godoy. Mehr als 8.300 kubanische Ärzte, Schwestern und Pfleger mussten das Land 2019 verlassen. Das brasilianische Gesundheitssystem brach zusammen. Millionen vor allem ärmere Menschen blieben ohne medizinische Betreuung zurück. Bis dahin hatten in der fünfjährigen Laufzeit des Programms rund 20.000 kubanische Ärzte mehr als 113 Millionen Patienten in 3.600 Gemeinden betreut, erinnerte der Nachrichtenkanal Telesur am vergangenen Donnerstag an den Erfolg des staatlichen Sozialprogramms.
Daran will die neue Regierung in Brasília jetzt wieder anknüpfen. »Zu unseren Prioritäten in der Grundversorgung gehört es, Mediziner in die Orte zu bringen, in denen es keine Ärzte gibt«, erklärte Fernandes gegenüber CNN. Dies sei »eine der dringendsten Aufgaben«, denn die vorliegenden Daten zeigten, dass es »unter den 5.568 Gemeinden 300 gibt, die seit mehr als einem Jahr keine Ärzte haben, 800 Städte, die keine Ärzte finden können, und 1.200, die eine hohe Fluktuation bei den medizinischen Fachkräften haben«. Bis heute seien die Gemeinden, in denen kubanische Mediziner tätig waren, die das Land 2019 verlassen mussten, noch immer ohne Ärzte, sagte der Vertreter des Gesundheitsministeriums. Derzeit gebe es allerdings noch keine konkrete Planung, »die gleiche Form der Zusammenarbeit mit Kuba zu wiederholen, da brasilianischen Ärzten Vorrang eingeräumt wird und ihnen unbesetzte Stellen angeboten werden«, erklärte Fernandes. Danach würden die nicht besetzten Stellen brasilianischen Ärzten angeboten, die im Ausland ausgebildet wurden, und schließlich können die freien Stellen auch von ausländischen Ärzten in Anspruch genommen werden. Mit ähnlichen Plänen zur Behebung der Unterversorgung war die Regierung der linken Präsidentin Dilma Rousseff (2011–2016) jedoch gescheitert, da sich damals weder einheimische noch ausländische Bewerber in ausreichender Zahl für den Einsatz in ländlichen Regionen gefunden hatten. Daraufhin hatte Rousseff 2013 in Zusammenarbeit mit der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (OPAS) das Programm »Mais Médicos« mit Medizinern aus Kuba ins Leben gerufen. Die Vereinten Nationen lobten die erfolgreiche Süd-Süd-Kooperation damals als Beispiel für eine »gute Praxis«.
Mittlerweile sind medizinische Fachkräfte von der Insel auch in Europa im Einsatz. Ende Dezember trafen 51 kubanische Mediziner in Catanzaro, der Hauptstadt der Provinz Kalabrien in Italien, ein. Sie gehören zu den rund 500 kubanischen Fachärzten, die in diesem Jahr in kalabrischen Krankenhäusern arbeiten werden. Ein im August vergangenen Jahres vom Präsidenten der Region, Roberto Occhiuto, und der kubanischen Regierung unterzeichnetes Abkommen soll dazu beitragen, den Ärztemangel in der süditalienischen Provinz zu beseitigen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 09.01.2023