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Contras in der Offensive
Immer mehr Attacken kubanischer Systemgegner gegen alternative Medien in Spanien.
Kubanische Contras attackieren in Spanien zunehmend alternative Medien. In den vergangenen Wochen erfolgten sowohl physische Angriffe als auch ein Versuch, dem linken Onlineportal Canarias Semanal – durch Androhung juristischer Verfolgung – die Veröffentlichung von Hintergrundinformationen über kubanische Systemgegner zu untersagen. Die Behinderung kritischer Medien durch rechte Exilkubaner nimmt zu, seitdem sich Aktivisten der gewaltsamen Straßenproteste vom 11. Juli 2021 in Kuba nach Miami und Madrid abgesetzt haben. Was im US-Bundesstaat Florida längst an der Tagesordnung ist, wird nun auch in Europa zu einem Problem für die Meinungs- und Pressefreiheit.
Mitte Juli forderte die Madrider Anwaltskanzlei Rivero & Gustafson das spanische Onlineportal Canarias Semanal auf, Links zu zwei Videos zu löschen und Zitate aus Berichten anderer Medien richtigzustellen, »die völlig falsch sind und für die es keinerlei Beweise gibt«. Die Nobelanwälte, zu deren vermögenden Mandanten sonst vor allem international tätige Unternehmen zählen, vertreten in diesem Fall den Musiker und ehemaligen Sänger der kubanischen HipHop-Band Orishas, Yotuel Romero. Der will Canarias Semanal die Aussage verbieten lassen, dass andere Mitglieder der Band die Absicht geäußert hatten, ihn zu verklagen. Darüber wird unter anderem in einem verlinkten Video des Onlineportals Cubainformación berichtet, das allerdings lediglich aus Artikeln der rechtskonservativen spanischen Zeitung ABC und der in Miami erscheinenden Onlinepublikation ADN Cuba zitiert hatte.
Trotzdem wirft Romero jetzt dem alternativen Portal Cubainformación vor, ihn zu verleumden. Canarias Semanal droht er eine Klage an, wenn der Link zu Cubainformación nicht gelöscht wird. Beide Medien seien »Verbündete und Komplizen des kommunistischen Regimes auf der Insel«, zitierte ADN Cuba Romero am 26. Juli und offenbarte damit den tatsächlichen Hintergrund der Klageandrohung. Die von rechten Exilkubanern herausgegebene Onlinezeitung ADN Cuba wurde 2020 durch die dem US-Außenministerium unterstehende Agentur für Internationale Entwicklung (USAID) mit 410.710 Dollar gefördert.
Romeros Anwälte werfen Canarias Semanal außerdem vor, die Behauptung zu verbreiten, ihr Mandant erhalte eine »Vergütung von der Regierung der USA«. Eine derartige Anschuldigung sei in den erwähnten Videos allerdings überhaupt nicht erhoben worden, erklärte Cristóbal García Vera, der Leiter des kanarischen Portals. Schließlich stört sich der von einem Unterstützer der kubanischen Revolution zu deren Gegner mutierte Musiker an der angeblichen Erwähnung seiner Beziehungen »zu Personen, die wegen terroristischer Handlungen verurteilt wurden«. Dies könne sich nur auf eine Veranstaltung am 5. Mai 2021 in Miami beziehen, an der Yotuel Romero gemeinsam mit dem CIA-Agenten Carlos Alberto Montaner teilnahm, der sich auf diesem Treffen für eine militärische Intervention der USA in Kuba ausgesprochen hatte, vermutet García Vera.
Auch Maykel Osorbo, ein Rapper der von militanten Systemgegnern gebildeten »San-Isidro-Gruppe« und Bekannter Romeros, hatte die US-Regierung bereits zur Invasion Kubas aufgefordert. So durfte Osorbo in dem von Romero in den USA produzierten Anti-Kuba-Song »Patria y Vida« auftreten, den er als »Kriegshymne« bezeichnete. Während der mittlerweile in Madrid lebende vermögende Ex-Orisha-Sänger den »Krieg« gegen alternative Medien in Europa derzeit mit Worten und juristischen Drohungen führt, greifen andere Gegner des kubanischen Gesellschaftsmodells bereits zu drastischeren Mitteln.
Am 26. Juli war ein Contra-Aktivist aus Anlass des kubanischen Nationalfeiertages in das Büro der Solidaritätsorganisation Euskadi-Cuba in Bilbao eingedrungen. Der namentlich bekannte Angreifer drohte, das Gebäude, in dem auch die Mitarbeiter von Cubainformación tätig sind und ein kleines Aufnahmestudio betreiben, in Brand zu setzen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 04.08.2022