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Belarus bekommt »Soberana plus«
Kubanischer Impfstoff gegen Covid-19 erstmals in Europa zugelassen. Zusammenarbeit verstärken.
Kuba ist es als einzigem Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent gelungen, die Covid-19-Pandemie weitgehend unter Kontrolle zu bringen. Dazu haben unter anderem fünf hochwirksame eigene Vakzine beigetragen, die auf der Insel trotz US-Blockade entwickelt und produziert wurden. Jetzt ist der kubanische Coronaimpfstoff »Soberana plus« erstmals auch in Europa registriert worden. Wie die staatliche belarussische Nachrichtenagentur Belta am Donnerstag meldete, hat die Regierung in Minsk dem von Havannas Finlay-Institut entwickelten Vakzin am 26. Juli eine Zulassung erteilt. Dies sei »ein weiterer Beweis für die Qualität der kubanischen Impfstoffe und das Ansehen der Wissenschaft der Insel in der Welt«, kommentierte die KP-Zeitung Granma.
Die Registrierung sei am 26. Juli zu Ehren des kubanischen Nationalfeiertages erfolgt, erklärte der stellvertretende belarussische Gesundheitsminister Dmitri Tscherednitschenko bei Übergabe der Zulassungsurkunde an eine Delegation der Inselrepublik. Der Einsatz des kubanischen Vakzins sei »symbolisch für unsere weitere gemeinsame Arbeit«, kündigte der Leiter des Ausschusses für Bildung, Kultur und Wissenschaft im Parlament, Sergej Klischewitsch, an. Vertreter verschiedener medizinischer und pharmazeutischer Einrichtungen aus Havanna verhandeln seit vergangenem Sonntag in Minsk über die künftige Zusammenarbeit bei der Herstellung und Verwendung von Arzneimitteln und Impfstoffen. »Wir betrachten Kuba als unseren wichtigsten Partner in Lateinamerika. Und sind bereit, für Kuba ein Vorposten für den Vertrieb ihrer Waren und Dienstleistungen im gesamten Raum der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) zu sein«, erklärte der Vertreter des 1991 gegründeten und derzeit 9,4 Millionen Einwohner zählenden osteuropäischen Binnenstaates.
Den Kubanern dürfte bewusst sein, dass die Zulassung eines ihrer Impfstoffe in einem Land, das wegen seiner Unterstützung für Russland im Ukraine-Konflikt selbst von EU-Sanktionen betroffen ist, nicht als Durchbruch für deren Akzeptanz in Europa betrachtet werden kann. Der Zugang zu der bislang aus fünf Mitgliedsländern mit knapp 182 Millionen Einwohnern bestehenden EAWU, deren Gebiet 13,4 Prozent der weltweit bewohnbaren Fläche ausmacht, eröffnet für Kubas Wirtschaft allerdings weitere Möglichkeiten. Im Dezember 2020 war der sozialistischen Inselrepublik ein Beobachterstatus bei der EAWU verliehen worden. »Ich bin davon überzeugt, dass Belarus und Kuba den bilateralen Dialog einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und des Handels erheblich ausbauen können«, schrieb Präsident Alexander Lukaschenko an seinen Amtskollegen Miguel Díaz-Canel in einer Grußbotschaft zum Nationalfeiertag. Im vergangenen Jahr ist der Handelsumsatz gegenüber dem Vorjahr um mehr als das Dreifache gestiegen, unter anderem hat Belarus 300 Traktoren geliefert, meldete Belta.
Für die kubanischen Impfstoffe ist die Zulassung in Belarus nicht der erste Erfolg in Europa. Im April hatten das Finlay-Institut sowie die Schweizer-italienische Firma Adienne Pharma & Biotech und die italienische Agentur für den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch mit Kuba (AICEC) bereits eine Vereinbarung über die Herstellung, Abfüllung und Verpackung des Vakzins »Soberana 02« in Italien unterzeichnet. Dieser speziell für Kinder entwickelte Impfstoff zeichne sich nach den bisherigen Erfahrungen durch einen hohen Schutz aus und verursache kaum Nebenwirkungen, berichtete das Onlineportal Cubadebate.
Während den kubanischen Impfstoffen noch die offizielle Anerkennung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fehlt, wurde in Italien Anfang des Jahres eine europäische Petition initiiert, deren bislang mehr als 9.400 Unterzeichner fordern, »die Wirksamkeit des kubanischen Soberana-Impfstoffs gegen Covid anhand objektiver Kriterien zu bewerten und seine Verwendung in Europa zuzulassen«. Kubanische Coronavakzine sind bisher in mehreren Ländern Lateinamerikas, dem Iran und in Vietnam zugelassen worden. Im Iran werden außerdem seit Monaten bereits Impfdosen auf Grundlage des kubanischen Wirkstoffes produziert. Kooperationen zur Herstellung bestehen darüber hinaus unter anderem mit China, Argentinien und Venezuela.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 30.07.2022