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»Brutale Verschärfung der US-Blockade«

Kubas Wirtschaftslage kritisch. Regierung verabschiedet Maßnahmen gegen Inflation.

Kubas Wirtschaftslage ist zur Jahresmitte 2022 kritisch. Wie Wirtschaftsminister Alejandro Gil Fernández und Präsident Miguel Díaz-Canel Ende vergangener Woche im Parlament berichteten, verursachen Inflation, Haushaltsdefizit, Auslandsschulden und der Devisenmangel Probleme in allen Sektoren. Als hauptsächliche Gründe für die schwierige Situation nannte Díaz-Canel eine »brutale Verschärfung der US-Blockade« und die internationale Wirtschaftskrise, »die aus den Auswirkungen der Pandemie, des europäischen Krieges in der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland« resultiere.

Die durch die Blockade verstärkte internationale Wirtschaftskrise führte in Kuba zu einem extremen Anstieg der Preise für Treibstoff, Lebensmittel, Medikamente und andere lebenswichtige Güter. Laut Gil Fernández betrug die Inflation im ersten Halbjahr 2022 bereits 13,4 Prozent. Aufgrund mangelnder Effizienz, vor allem aber wegen explodierender Preise für importierte Betriebsmittel hätten rund 23 Prozent der staatlichen Unternehmen mit Verlust gearbeitet, und insgesamt habe die kubanische Wirtschaft im vergangenen Jahr knapp drei Milliarden Euro verloren. Dazu beigetragen habe auch die Krise der Tourismusbranche, einer der wichtigsten Devisenquellen des Landes. Seit Anfang 2020 waren die Buchungszahlen wegen der weltweiten Coronapandemie eingebrochen. Hinzu kamen ein von Washington verhängtes Verbot von Kuba-Reisen für US-Bürger und die Sanktionen westlicher Länder gegen Moskau, die Reisemöglichkeiten für russischer Bürger einschränken, die einen zunehmenden Anteil des Tourismus in Kuba ausmachten. US-Blockade und Russland-Sanktionen verteuern auch Rohölimporte des Landes, das nur 47 Prozent des Bedarfs an Rohöl, Gas und erneuerbare Energien aus eigene Ressourcen decken kann. Stundenlange Stromausfälle führen in allen Provinzen zu weiteren Einbußen in Betrieben, dem Dienstleistungssektor und Haushalten.

Trotz nach wie vor schwieriger Rahmenbedingungen könnte Kuba 2022 das Ende der Talsohle erreicht haben. Wie Gil Fernández den Abgeordneten mitteilte, ist die Wirtschaft in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres wieder um 10,9 Prozent gewachsen. Der Anstieg erfolgte allerdings von einem niedrigen Niveau aus. Der Minister erinnerte daran, dass das Land im Jahr 2021 durch Covid-19 und die Folgen der verschärften US-Blockade praktisch gelähmt und die Wirtschaftsleistung um 12,7 Prozent zurückgegangen war. Gil Fernández kündigte die Verabschiedung von mehr als 70 Maßnahmen an, um die Einnahmen zu erhöhen, die Wirtschaft zu reaktivieren, die nationale Produktion sowohl in der Industrie als auch in der Landwirtschaft anzukurbeln und Importe zu ersetzen.

Als Beispiele nannte er die Öffnung eines neuen Devisenmarktes für den An- und Verkauf von Devisen an die Bevölkerung, die Erleichterung von Einfuhren durch Privatpersonen auf nichtkommerzieller Basis und Anreize für staatliche Unternehmen, um aus ihren Gewinnen den Bau von Wohnungen für ihre Beschäftigten zu finanzieren. Im Tourismus, einem Schlüsselsektor für die Gewinnung neuer Devisen, plane man in diesem Jahr wieder 2,5 Millionen Gäste zu empfangen. Gil Fernández bekräftigte, das Ziel der Maßnahmen bestehe darin, bis Ende dieses Jahres ein Wachstum von vier Prozent zu erreichen, »damit die Wirtschaft im Jahr 2022 allmählich wieder das Niveau erreichen kann, das sie vor einigen Jahren hatte«. Präsident Miguel Díaz-Canel bezeichnete die Pläne, als »größte Herausforderung, der wir uns stellen müssen, um unser Sozialmodell erhalten zu können«.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 27.07.2022