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»Freude für Lateinamerika!«
Reaktionen vom Doppelkontinent zum Wahlsieg Gustavo Petros in Kolumbien.
Auf dem amerikanischen Doppelkontinent hat es unterschiedliche Reaktionen auf die Wahl des ersten linken Staatsoberhauptes in der Geschichte Kolumbiens gegeben. Bis auf den Brasiliens gratulierten alle lateinamerikanischen Staats- und Regierungschefs Gustavo Petro und Vizepräsidentin Francia Márquez zu ihrem Sieg in der Stichwahl am Sonntag.
»Ich bin überglücklich über den Sieg von Petro und Márquez«, twitterte Argentiniens Präsident Alberto Fernández. Aus Chile schrieb Staatschef Gabriel Boric: »Freude für Lateinamerika! Wir werden uns gemeinsam für die Einheit unseres Kontinents angesichts der Herausforderungen einer sich rasch verändernden Welt einsetzen.« Auch Boliviens Präsident Luis Arce unterstrich: »Die lateinamerikanische Integration wird gestärkt.« Sein peruanischer Amtskollege Pedro Castillo betonte, dass die beiden Nachbarstaaten »durch das Ziel vereint sind, eine verbesserte kollektive, soziale und regionale Integration unserer Völker« anzustreben.
Ähnliche Hoffnungen auf den möglichen Richtungswechsel einer bislang vorwiegend an den Interessen Washingtons orientierten Politik – als Chance für die Integration der lateinamerikanischen Länder – äußerten weitere Vertreter aus der Region. Der Sieg von Petro und Márquez könne zu der »notwendigen und dringenden Vereinigung« des Kontinents beitragen, so die kubanische KP-Zeitung Granma. Bereits am Wahlabend zeichnete sich eine Entspannung des Verhältnisses zum Nachbarland Venezuela ab. In einer vom Außenministerium in Caracas veröffentlichten Erklärung unterstrich die Regierung von Präsident Nicolás Maduro »den festen Willen, am Aufbau einer neuen Phase umfassender Beziehungen mit dem neuen kolumbianischen Präsidenten zu arbeiten«.
In den USA, die in Kolumbien neun Militärstützpunkte unterhalten und das Land erst im Mai zum »externen NATO-Verbündeten« erklärt hatten, wird die Entwicklung hingegen teils mit Skepsis betrachtet. Wie die spanische Agentur Efe berichtete, bezeichnete der republikanische Gouverneur von Florida, Ronald DeSantis, Petro am Montag als »ehemaligen marxistischen Narcoterroristen« und warnte davor, »dass die Ausbreitung der totalitären Ideologie der Linken in der Region eine wachsende Bedrohung« darstelle. María Elvira Salazar, eine republikanische US-Kongressabgeordnete aus Florida, schäumte vor Wut. »Petro ist ein Dieb, ein Terrorist und ein Marxist, ein Apologet von Castro und Chávez«, erklärte sie.
Auch Manuel Díaz, der Vorsitzende der Demokratischen Partei Floridas, habe sich »besorgt« über den ersten Linken im Präsidentenamt Kolumbiens geäußert, meldete Efe. Dagegen hatte US-Außenminister Antony Blinken als einer der ersten ausländischen Politiker Petro öffentlich zu seiner Wahl gratuliert. Der Wahlsieger bestätigte, dass er am Montag ein 20minütiges Telefonat über den Friedensprozess und die Klimakrise mit Blinken geführt habe. »Die Hauptakteure der Demokraten in Washington werden alles daran setzen, die Beziehungen aufrechtzuerhalten, da sie wissen, dass jede Niederlage in diesem Bereich eine weitere Schwächung der Regierung von Joe Biden bedeuten würde«, beschrieb die argentinische Tageszeitung Página 12 am Dienstag das schwierige Verhältnis der beiden bislang verbündeten Länder. Zweifellos werde die zunehmende Abkopplung der kolumbianischen Außenpolitik von der der USA die erste und wichtigste Herausforderung für Petro sein, kommentierte die Zeitung.
Unterdessen muss das Duo Petro/Márquez auch mit dem Widerstand des unterlegenen rechten Lagers im eigenen Land rechnen. Obwohl Petro mit über drei Prozentpunkten vor seinem Konkurrenten und der höchsten Stimmenzahl, die jemals in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen für einen Kandidaten abgegeben wurde, gewählt worden war, spielte Senator Ciro Ramírez von der ultrarechten Regierungspartei Centro Democrático den Vorsprung von gut 700.000 Stimmen als »gering« herunter. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador verband seine Glückwünsche zum Wahlsieg folgerichtig mit dem Hinweis, dass »die Konservativen in Kolumbien schon immer zäh und hart« waren. Er zitierte dazu warnend den kolumbianischen Schriftsteller José María Vargas Vila mit dem Satz, dass die Diktatoren seines Landes »ihre Dolche in Weihwasser tauchten, bevor sie töteten«.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 22.06.2022