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Eigentor für Washington

US-Präsident verfehlt Gipfelziel: 15 Länder verweigern Migrationsabkommen, Unzufriedenheit mit Organisation Amerikanischer Staaten wächst.

Das Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist für das Gastgeberland USA zum Fiasko geworden. Eine von US-Präsident Joseph Biden in Los Angeles vorgelegte »gemeinsame Erklärung zur Migration« wurde nur von 20 der 35 Länder des Kontinents gebilligt. Ebenso viele Staaten verurteilten den Ausschluss Kubas, Venezuelas und Nicaraguas von dem Treffen. Von 32 Rednern hätten nur die rechten Präsidenten Brasiliens (Jair Bolsonaro) und Kolumbiens (Iván Duque) die Position Washingtons unterstützt, meldete die kubanische Agentur Prensa Latina. Auf dem »Familienfoto mit Biden« zum Abschluss am Freitag (Ortszeit) fehlten fast die Hälfte der Teilnehmer. Am Ende standen die USA isoliert da.

»Die durch die Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise und die Unruhen in autoritären Ländern haben zu Rekordzahlen bei der Migration geführt«, hatte Biden zuvor das für ihn vor den Zwischenwahlen im November innenpolitisch wichtige Migrationsabkommen begründet. Dessen Ziel sei es, »die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern und legale Arbeitsmigration zu erleichtern«, so der US-Präsident am Freitag. Zugleich räumte Biden ein, mit dem Abkommen auch »eine engere Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten« anzustreben. Zur selben Zeit warnte US-Innenminister Alejandro Mayorkas potentielle Migranten. »Begeben Sie sich nicht auf eine gefährliche Reise, nur um abgeschoben zu werden«, erklärte er im Auslandssender Voice of America. »Wir bauen Programme für Zeitarbeitnehmer aus«, konkretisierte der Politiker die von Biden angekündigten Maßnahmen für eine »legale Arbeitsmigration«.

Kubas Außenminister Bruno Rodríguez sieht darin allerdings »ein Beispiel für eine rassistische, fremdenfeindliche und ausbeuterische Sichtweise«. Bidens Erklärungen gingen »in keiner Weise auf die tatsächlichen Ursachen der Migration ein«, zitierte die KP-Zeitung Granma Rodríguez am Freitag. Dessen Behörde kritisierte parallel dazu auf Twitter, es werde »unmöglich sein, konkrete Ergebnisse bei der Bewältigung der irregulären Migrationsströme zu erzielen, wenn es nicht zum Dialog und zur echten Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Regierungen kommt, um auf ein Problem von globaler Bedeutung zu reagieren«.

Mehrere Redner übten ähnliche Kritik. »Es geht um Menschen, nicht um Ideologien«, mahnte die Premierministerin von Barbados, Mia Amor Mottley. Ihr Amtskollege Philip Davis von den Bahamas erklärte: »Die Blockade gegen unsere kubanischen Nachbarn ist die längste in der Geschichte und trägt direkt zur irregulären Migration bei.« Der Premierminister von St. Lucia, Philip J. Pierre, stellte fest, dass »der amerikanische Kontinent nur gemeinsam aus dieser Krise herauskommen kann«. Chiles Präsident Gabriel Boric wandte sich direkt an Biden: »Wir sollten alle hier sein, aber wir sind nicht hier«, kritisierte er. Mit dem Hinweis, dass Ausgrenzung nur Isolation fördere und keine Ergebnisse bringe, forderte er Biden auf, »die ungerechte und inakzeptable US-Blockade gegen das kubanische Volk ein für allemal zu beenden«. Im Gegensatz zur Mehrheit der Redner griff – neben Biden, Bolsonaro und Duque – der Generalsekretär der von Washington dominierten OAS, Luis Almagro, die politischen Systeme in Kuba, Venezuela und Nicaragua an, die er als »autoritär« und »undemokratisch« bezeichnete.

Der bolivianische Außenminister Rogelio Mayta warf Almagro daraufhin vor, den Putsch gegen Boliviens Präsidenten Evo Morales unterstützt zu haben. Die OAS und ihr Generalsekretär würden die Region destabilisieren, und »Organisationen, die nicht auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen«, müssten überdacht werden. Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard erinnerte an den Vorstoß seines Präsidenten im Juli vergangenen Jahres. Dort hatte Andrés Manuel López Obrador auf einem Gipfeltreffen der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (Celac) gefordert, die OAS »durch ein autonomes Gremium zu ersetzen, das kein Lakai von irgend jemandem ist«, und statt dessen »etwas aufzubauen, das mit unserer Geschichte, unserer Realität und unseren Identitäten verbunden ist«.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 13.06.2022