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Die drohende Blamage
Warum doch einige lateinamerikanische Staaten an Bidens Gipfel teilnehmen.
Der Protest zahlreicher Länder gegen die Ausgrenzung Kubas, Nicaraguas und Venezuelas beim Amerikagipfel hat in Washington Alarm ausgelöst. Wie die argentinische Tageszeitung Pagina 12 am Mittwoch berichtete, wurde der Sonderberater des Weißen Hauses, Christopher Dodd, beauftragt, die Staats- und Regierungschefs der Region »um ihre Zusammenarbeit zu bitten«. Nach Treffen mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und dessen chilenischem Amtskollegen Gabriel Boric, erhielt er deren Zusage, dass beide teilnehmen werden. Auch Argentiniens Staatschef Alberto Fernández will nächste Woche noch Los Angeles reisen.
Als derzeitign Präsident der 33 Mitglieder zählenden »Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten« (CELAC) wolle er denen eine Stimme verleihen, die den Ausschluss einzelner Länder verurteilen, erklärte Fernández. Dazu gehören die 14 Mitgliedsstaaten der Karibischen Gemeinschaft (Caricom), die ankündigten, nicht oder nur mit Beobachtern am Gipfel teilzunehmen. Auch Staatschefs wichtiger lateinamerikanischer Länder wollen der Veranstaltung fernbleiben. So haben der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador und dessen bolivianischer Amtskollege Luis Arce erklärt, sich nicht an der Konferenz zu beteiligen, wenn die Ausgrenzung anderer Länder beibehalten wird.
Heftige Kritik äußerte auch Xiomara Castro, die Präsidentin von Honduras, während der ehemalige uruguayische Präsident José Mujica erklärte, dass auf dem Gipfel, der »nicht den Bedürfnissen der Völker« entspreche, »viel Lärm um nichts« sein werde.
Nachdem sogar die rechten Staatschefs Alejandro Giammattei aus Guatemala und Jair Bolsonaro aus Brasilien – wenn auch aus anderen Gründen – ihre Teilnahme inFrage gestellt hatten, übte Washington extremen Druck auf Regierungen der Region aus, um eine drohende Blamage zu vermeiden. Joseph Biden kann keine weiteren Belege seiner diplomatischen Unfähigkeit brauchen.
Beim argentinischen Präsidenten Alberto Férnandez reichte das Erpressungspotential offenbar nicht aus. Er wies Bidens Sonderberater Christopher Dodd darauf hin, dass die Vereinigten Staaten unter Donald Trump eine »schwierige Außenpolitik« verfolgt hätten und sich »mit der neuen Regierung nicht viel geändert« habe. Fernández nannte es »beschämend«, dass die Blockade gegen Kuba seit sechs Jahrzehnten und Venezuela seit fünf Jahren bestehe und auch während der Pandemie aufrechterhalten wurde. In einem anschließendem Telefonat habe López Obrador ihm gegenüber bekräftigt, nicht am Gipfel teilzunehmen, er aber als Vorsitzender der CELAC solle fahren, erklärte Fernández. López Obrador befürchte, dass die gleichzeitige Abwesenheit des wichtigsten US-Handelspartners Mexiko und Argentiniens einen »zu hohen politischen Preis für Biden« bedeuten würde, der – abgesehen von den Differenzen und Enttäuschungen – eine bessere Option sei als Trumps Rückkehr ins Oval Office. Auch Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, mit dem Fernández ebenfalls telefonierte, habe dessen Anwesenheit in Los Angeles als »notwendig« bezeichnet, berichtete Pagina 12.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 04.06.2022