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Ins Abseits manövriert
Druck aus Lateinamerika: US-Ausschluss von Kuba, Nicaragua und Venezuela von Amerikagipfel könnte zu Schlappe für Biden werden.
Mit der Ankündigung, Kuba, Nicaragua und Venezuela vom 9. Amerikagipfel in gut zwei Wochen auszuschließen, hat die Regierung von US-Präsident Joseph Biden vor der Rechten in Florida kapituliert und sich auf dem Kontinent ins Abseits manövriert. Zum ersten Mal in der Geschichte drohen 14 Mitgliedstaaten der Karibischen Gemeinschaft (Caricom), nicht am Gipfel teilzunehmen. Auch die Staatschefs wichtiger lateinamerikanischer Länder wollen der Veranstaltung fernbleiben. Damit könnte das vom 6. bis 10. Juni in Los Angeles geplante Gipfeltreffen zu einer außenpolitischen Schlappe für Biden werden.
Bereits vor zwei Wochen hatten der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador und dessen bolivianischer Amtskollege Luis Arce erklärt, nicht an der Konferenz teilzunehmen, wenn die Ausgrenzung anderer Länder beibehalten werde. Der Premierminister von Antigua und Barbuda, Gaston Browne, versicherte, dass sein Land »keine Politik der Ausgrenzung Kubas, Venezuelas und anderer Länder unterstützt«. In der vergangenen Woche äußerten sich auch die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, und der argentinische Staatschef Alberto Fernández in diesem Sinne. Chiles Außenministerin Antonia Urrejola warnte davor, dass »der Gipfel an Kraft verlieren würde«, wenn einzelne Länder endgültig ins Abseits gedrängt werden sollten. Unter Berufung auf den Präsidenten des Landes, Gabriel Boric, betonte sie, dass »Räume für den Dialog verlorengegangen sind und die Region zersplittert und polarisiert« sei.
Während die Staatschefs von Mexiko und Bolivien ihre Teilnahme an dem Forum an die Bedingung geknüpft haben, dass Washington den Ausschluss der drei Länder rückgängig macht, kündigte Guatemalas Präsident Alejandro Giammattei – wenn auch aus anderen Gründen – an, keinesfalls nach Los Angeles zu reisen. Auch die Teilnahme des rechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro ist – ebenfalls aus anderen Gründen – ungewiss. Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina zitierte am Sonntag den stellvertretenden kubanischen Außenminister Carlos Fernández de Cossío, der in einem Interview mit der US-Onlinezeitung The Hill kommentiert hatte, das Weiße Haus wolle »in Wirklichkeit ein Treffen von Freunden veranstalten, die sich anhören, was die Vereinigten Staaten sagen, die US-Agenda akzeptieren und wiederholen, was die USA ihnen vorgeben«.
Für die Entscheidung der Biden-Administration dürften vor allem innenpolitische Überlegungen eine Rolle spielen. Im Vorfeld der US-Zwischenwahlen im November, bei denen ein Drittel des Senats und zahlreiche Sitze im Repräsentantenhaus neu besetzt werden, will der schwächelnde Präsident sich nicht dem Risiko aussetzen, von der Ultrarechten als »Komplize« angeblicher »Diktaturen« in der Region dargestellt zu werden. Die antikommunistische Politlobby im möglicherweise wahlentscheidenden Bundesstaat Florida bestimmt mittlerweile die Lateinamerikapolitik der Biden-Regierung. Der Präsident müsse dafür sorgen, »dass ein Ereignis wie dieser Gipfel (…) nicht zu einer Bühne für den Exhibitionismus von Diktaturen werden darf«, forderte die in Miami erscheinende Tageszeitung Nuevo Herald am 12. Mai. Der Amerikagipfel sei »ein günstiger Moment, um die demokratische Kultur angesichts der Eskalation des Populismus in der Hemisphäre (…) zu stärken und die kontinentale Integration intensiver, pluralistischer, toleranter und produktiver zu gestalten, ohne die Vereinigten Staaten und Kanada auszuschließen«, beschrieb die Zeitung die Erwartungen der Florida-Lobby.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 21.05.2022