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Willkürlicher Ausschluss
US-Regierung will Teilnahme von Kuba, Nicaragua und Venezuela an Amerikagipfel verhindern. Havanna kritisiert »historischen Rückschlag«.
Die Regierung von US-Präsident Joseph Biden will Kuba, Nicaragua und Venezuela offenbar vom neunten Amerikagipfel ausschließen, der vom 8. bis 10. Juni in Los Angeles stattfinden soll. Havannas Außenminister Bruno Rodríguez warf Washington am Montag (Ortszeit) vor, »extremen Druck auf Länder in der Region auszuüben, die sich diesem Ausschluss widersetzen«. Außerdem würden die USA versuchen, auf »undurchsichtige Weise« einen Aktionsplan zu für den Doppelkontinent so wichtigen Themen wie Gesundheit, Migration und Menschenrechte auszuhandeln, zu dessen Inhalt die drei genannten und andere Länder ebenfalls nicht beitragen sollten.
»Der sich abzeichnende Ausschluss Kubas wäre ein schwerer historischer Rückschlag im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Gipfeltreffen«, an denen sein Land gleichberechtigt teilgenommen hatte, erklärte Rodríguez. Zu den seit 1994 regelmäßig stattfindenden Zusammenkünften war die Regierung der Karibikinsel – auf Druck lateinamerikanischer Länder – erstmals 2015 nach Panama und erneut 2018 nach Peru eingeladen worden. Kubas Außenminister nannte es »überraschend«, dass der US-Präsident »von der Politik einer Regierung abweicht, deren Vizepräsident er war« und die 2015 in Panama gemeinsam mit Vertretern aufgetreten war. »Noch erstaunlicher und paradox« sei jedoch, dass Biden diesen Politikwechsel vollziehe, obwohl sein Vorgänger Donald Trump, der die Sanktionen gegen die Insel radikal verschärft hat, einer Einladung Kubas zum Treffen in Lima 2018 nicht widersprochen habe.
Die US-Regierung hat sich bisher nicht klar zu den Vorwürfen geäußert. Auf Nachfrage der Agentur AP habe ein Sprecher des US-Außenministeriums erklärt, dass das Weiße Haus noch gar keine Einladungen ausgesprochen habe, berichtete die mexikanische Tageszeitung La Jornada am Montag. Die in Miami erscheinende rechtsgerichtete Tageszeitung Nuevo Herald zitierte am Montag einen »hohen Regierungsbeamten«, der bereits Anfang des Jahres angedeutet habe, »dass Kuba, Nicaragua und Venezuela nicht zum größten regionalen Treffen der Hemisphäre« eingeladen würden. Er gehe davon aus, »dass wir nur demokratisch gewählte Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel begrüßen werden«, habe der Beamte angekündigt.
Rodríguez kommentierte, dass Washington die Öffentlichkeit über die Teilnehmer täuschen wolle, und forderte US-Außenminister Antony Blinken auf, zu erklären, »ob Kuba und andere Länder zum Gipfel eingeladen oder ausgeschlossen werden«. Das Gastgeberland habe allerdings überhaupt »nicht das Recht, willkürliche Ausschlüsse zu verhängen«, ergänzte der Minister. Seiner Ansicht nach ziele die Ausgrenzung bestimmter Länder darauf ab, »hinter dem Rücken der Öffentlichkeit« neoliberale Aktionspläne zum Thema »Gesundheit, Migration und Menschenrechte in Amerika bis 2030« zu verabschieden, warnte Rodríguez. Deshalb sei Kuba, trotz seiner Erfolge bei der Eindämmung der Coronapandemie, nicht zur Vorbereitung des Schwerpunktthemas Gesundheit eingeladen worden. Auf ebenso undurchsichtige Weise werde ein Dokument mit dem Titel »Charta der Verständigung über die Steuerung der Migration und Schutz der Migranten« ausgehandelt, das die lateinamerikanischen und karibischen Staaten zwingen solle, Migranten zu unterdrücken und Menschen aufzunehmen, die die USA außerhalb ihres Hoheitsgebiets abfertigen wollten. Das Dokument enthalte »Elemente der rassistischen, fremdenfeindlichen und ausbeuterischen Praxis und Sichtweise der USA, ohne auf die wahren Ursachen der Migration einzugehen«, kritisierte der kubanische Chefdiplomat.
Auch bezweifele er, dass ein auf Demokratie ausgerichtetes Gipfeltreffen stattfinden könne, wenn bestimmte Länder nach dem Gutdünken des Gastgebers ausgeschlossen werden. Rodríguez erklärte, dass Washington zudem keinerlei moralische Autorität besäße, »um von Menschenrechten zu sprechen«. Die USA seien »ein Land, in dem die Rechte von Minderheiten verletzt und Afroamerikaner diskriminiert werden, in dem es Ausbeutung von Arbeitskräften in privaten Gefängnissen gibt, das Kriege fördert und geheime Gefängnisse in vielen Teilen der Welt unterhält«.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 27.04.2022