Nachrichten aus und über Kuba
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Fortschrittskräfte Lateinamerikas vor neuen Herausforderungen
Am 4. Februar 2015 hielt der Gründer und Direktor des führenden privaten US-amerikanischen Think Tanks STRATFOR, George Friedman, einen Vortrag vor dem "The Chicago Council on Global Affairs" über die geopolitischen Hintergründe der damaligen Ukraine-Krise. Dort sagte er: "Das Hauptziel der Vereinigten Staaten seit einem Jahrhundert war, das Bündnis zwischen Rußland und Deutschland zu verhindern ..." In Europa haben die USA-Strategen ihr Ziel erreicht: Es wird vorerst kein Bündnis zwischen Rußland und Deutschland geben. Dafür sind Rußland und China eine Partnerschaft eingegangen, die den USA große Sorgen bereitet.
Die drastische Antwort Moskaus auf die Pläne der USA und Westeuropas in bezug auf die Ukraine und die Osterweiterung der NATO trifft nicht nur Europa, sie trifft auch Lateinamerika, das Washington seit 1832 für sich beansprucht. Putin telefonierte vor dem Eingriff in der Ukraine mit den Präsidenten Kubas, Venezuelas und Nicaraguas. Auf dem lateinamerikanischen Kontinent verfolgen die fortschrittlichen sozialen und politischen Bewegungen sehr aufmerksam die Entwicklung in Europa, die zu Kriegen in Jugoslawien und jetzt in der Ukraine führten. Sie sind gegen Invasionen, denn das Imperium des Nordens bedroht sie damit ständig. Andererseits verstehen sie, wenn Rußland seine Souveränität und die der Republiken von Luhansk und Donezk schützen will. Sie wissen, daß die Ukraine seit Jahren Krieg gegen die unabhängigen Republiken des Donbass führt. Die Fortschrittskräfte Lateinamerikas und der Karibik kennen die Doppelmoral der USA und Europas. Als sie in den Wahlkämpfen der letzten Jahre zulegten, schlugen die einheimischen Oligarchen und das Imperium aus dem Norden, die in wildre Ehe miteinander leben, zurück. Die CIA entwarf das reaktionäre Programm "Lawfare", das auch den Einsatz des Gesetzes al Waffe vorsieht, um die Wahlsiege der Fortschrittskräfte zu unterminieren. Das letzte Mittel ist der Militärputsch. "Lawfare" wurde das erste Mal 2009 beim Militärputsch gegen den Präsidenten von Honduras Manuel Zelaya angewandt. "Lawfare" brachte in Argentinien Christina Fernández und in Ecuador Rafael Correa zu Fall. Beide gehörten zur Präsidentengruppe, die zusammen mit Fidel Castro und Hugo Chávez 2004 ALBA und 2010 CELAC gründete. "Lawfare" stand Pate, als sich im Januar 2019 Juan Guaidó zum Interimspräsidenten Venezuelas erklärte. Die USA, 54 abendländische Verbündete und das Generalsekretariat der OAS erkannten ihn sofort an. Die Reaktionäre Boliviens raubten im Herbst 2019 unter Anwendung von "Lawfare" Evo Morales den Wahlsieg.
In Brasilien, im größten Land Lateinamerikas und sechstgrößten Land der Welt, entstand 1984 die "Bewegung der Landarbeiter ohne Boden" (MST). Diese inzwischen kraftvoll gewordene Basisorganisation mit marxistischer Orientierung unterstützte Arbeiterführer Luiz Inacio "Lula" da Silva, Gründungsmitglied der Arbeiterpartei (PT), damit er 2002 und 2006 de Wahlen gewinnt. Präsident "Lula" setzte das soziale Projekt "Null Hunger" in Gang, mit den Ziel, mehr als 20 Millionen Menschen aus der extremen Armut zu holen. In dieser Zeit wurde die soziale Ungleichheit wie nie zuvor in der Geschichte Brasiliens bekämpft. Das alles ar für die einheimische Reaktion zu viel des Guten. 2016 putschten die Rechten im Kongreß mit Hilfe falscher Anschuldigungen, die "Hauhaltsordnung verletzt zu haben", gegen Präsidentin Dilma Rousseff. Zwei Jahre später konstruierte Richter Sergio Moreno einen "kriminellen Fall", um"Lula" zu verurteilen und einzusperren. Das gleiche Gericht, das "Lula" verurteilte, hob dieses Urteil wieder auf. "Lula" brachte 19 Monate im Gefängnis zu. "Lawfare" hatte den Weg zur Präsidentschaft für Diktator Jair Bolsonaro freigemacht.
In den vergangenen vier Jahren erzielten die Fortschrittsbewegungen in Mexiko, Argentinien, Bolivien, Peru, Honduras und Chile bemerkenswerte Wahlsiege. Es gelang ihnen, breite Bündnisse zu schaffen, die von der durch die neoliberale Welle verarmten Bevölkerung massiv unterstützt wurden. Sie traten mit Wahlprogrammen auf, die ihre Prioritäten im Frieden, in der nationalen Souveränität und im demokratischen Sozialismus als die bessere Alternative für die Bevölkerung sehen. Die Rechten antworteten. Sie versuchten, die Operation "Lawfare" bei der Auflösung der politisch gespaltenen Kongresse in Bolivien, Peru und Honduras anzuwenden. Die neuen Regierungen konnten zusammen mit den politischen und sozialen Bewegungen ihrer Länder die Angriffe abwehren. Vieles wiest darauf hin, dass im kommenden Mai in Kolumbien der Ex-Guerillero und Universitätsdozent Gustavo Petro für die starke Koalition "Historischer Pakt" die Präsidentschaftswahlen gewinnen könnte. Gleiches könnte "Lula" im September in Brasilien schaffen. Beide Länder sind von strategischer Bedeutung für Lateinamerika und die Karibik. Sollten die Prognosen zutreffen, würde ab September 2022 die Mehrheit der lateinamerikanischen Nationen von Koalitionen der Hoffnung regiert. Mit Kolumbien würde Washington seine treueste Bastion in Südamerika verlieren.
Anfang Januar 2022 tagten in Buenos Aires die Außenminister der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC). Argentinien übernahm von Mexiko den turnusmäßigen Vorsitz für die Periode 2022/2023. Der Wechsel garantiert die Kontinuität dieser geopolitisch bedeutsamen Gemeinschaft. CELAC ist eine kräftigere Gruppierung als die gescheiterte Lima-Gruppe oder ProSur, die den Putsch in Venezuela unterstützen wollten. Als sicher gilt, dass der antiimperialistische Kampf Kubas, Venezuelas und Nicaraguas weitergehen wird.
Das ermutigende politische Panorama Lateinamerikas nervt die Ultrarechten der Region und ihre Herren im Norden. Die Fortschrittskräfte Lateinamerikas und der Karibik wissen, daß sie wachsam sein müssen. Die Operation "Lawfare", dieser neoliberale und faschistische Ansturm, ist zunächst gescheitert. Die Fortschrittskräfte sind gewarnt. Sie sind bereit, ihre Errungenschaften zu verteidigen. Sie wollen auf den Straßen und Plätzen eine massive Antwort geben und alle Methoden des Kampfes für ihre Sache nutzen. Sie wissen, daß sie die Selbstverteidigung der politischen und sozialen Fronten in den Griff bekommen müssen und daß es ihnen gelingen muß, nach der Regierungsübernahme die Streitkräfte zu gewinnen. Das ist nicht einfach, denn die Kommandos befinden sich in den Händen der Söhne der Oligarchen und bürgerlichen Kräfte.
Die mörderische Alternative der militärischen Intervention und des Putsches wird von den reaktionärsten Kreisen bereits erwogen. In Chile lassen die extremen Rechten auf öffentlichen Foren ihre revanchistischen Absichten erkennen. Die beginnen, den Wahlsieg des früheren Studentenführers Gabriel Boric mit dem von Salvador Allende zu vergleichen. Sie reden von der "Unausweichlichkeit" eines Putsches à la Pinochet. Der Triumph der Fortschrittskräfte bereitete ihnen eine schmerzhafte Niederlage und machte sie hysterisch. José (Papo) Coss, Historiker und Sozialaktivist, schätzte auf Telesur ein "Die Fortschrittskräfte Lateinamerikas und der Karibik kennen die gefährliche Option 'Lawfare'. Sie mobilisieren die arbeitenden Massen, um die erreichten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften zu verteidigen. Sie wissen, daß sie nicht nachlässig sein dürfen, den die ultrarechten Kreise verweilen nicht mit verschränkten Armen. 'Lawfare' zu zerschlagen ist eine kontinentale Aufgabe. Der neoliberale und faschistische Mob ist bereit, seine letzte Reserve, die Militärputsch, einzusetzen."
Wolfgang Herrmann
Dreesch
Rotfuchs, 02.04.2022