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Heuchelei angeprangert
UN-Abtimmung: Bolivien, El Salvador, Kuba und Nicaragua enthalten sich bei Ukraine-Resolution.
Die Mehrheit der 33 lateinamerikanischen und karibischen Staaten hat in der UN-Vollversammlung in New York am Mittwoch (Ortszeit) für die Resolution gestimmt, in der die »Militäroperation« Russlands »bedauert« und der »sofortige« Abzug aus der Ukraine gefordert wird. Bolivien, El Salvador, Kuba und Nicaragua enthielten sich, und Venezuela durfte wegen Schulden bei der Weltorganisation zwar an der Debatte teilnehmen, jedoch nicht abstimmen. Im ursprünglichen Entwurf sollte die Vollversammlung den russischen Einmarsch »verurteilen«. Der Text war jedoch mehrfach geändert worden.
Die Vertreter Kubas, Venezuelas und Nicaraguas warfen den Antragstellern »Doppelmoral« vor und kritisierten, dass »die legitimen Anliegen aller Konfliktparteien nicht berücksichtigt« würden. Am eindringlichsten äußerte sich der kubanische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Pedro Pedroso Cuesta. »Es ist nicht möglich, die gegenwärtige Situation in der Ukraine ehrlich zu beurteilen, ohne Faktoren zu berücksichtigen, die zur Anwendung von Gewalt geführt haben«, sagte er. Sein Land sei zu der Einschätzung gelangt, dass schon der am 25. Februar im Sicherheitsrat gescheiterte Resolutionsentwurf nicht als Beitrag zur Suche nach Lösungen für die aktuelle Krise gedacht war. Der Text vom Mittwoch leide unter den gleichen Mängeln, hieß es, denn er lasse die berechtigten Anliegen aller Beteiligten außer acht. Auch erkennt er »nicht die Verantwortung derjenigen an, die die aggressiven Aktionen, die zur Eskalation dieses Konflikts geführt haben, angestiftet oder durchgeführt haben«, so Pedroso Cuesta am Dienstag, dem zweiten Tag der dreitägigen Dringlichkeitssitzung.
Der Botschafter verurteilte auch die »Entschlossenheit« der USA, das Vorrücken der NATO in Richtung der Grenzen der Russischen Föderation fortzusetzen, und die »Lieferung moderner Waffen« an die Ukraine, die einer »militärischen Einkreisung« gleichkämen. »Es ist nicht möglich, Frieden zu erreichen, indem man Staaten einkesselt und in die Enge treibt«, warnte der Diplomat. Der Vertreter Nicaraguas, Jaime Hermida Castillo, begründete die Enthaltung bei der Abstimmung damit, dass auch sein Land »die Heuchelei und Doppelmoral« ablehne. Venezuelas UN-Botschafter Samuel Moncada sagte, »wirtschaftliche, kommerzielle, finanzielle und politische Sanktionen gegen Moskau« würden nur »zu einer Verschärfung und Verlängerung des Konflikts führen«. Er forderte, die UNO dürfe »nicht zur Verschärfung von Konflikten genutzt werden«.
Derweil stimmten mehrere lateinamerikanische Länder für die Resolution, verurteilten aber die Sanktionen oder bemühten sich um differenziertere Positionen. So forderte etwa die Vertreterin Argentiniens, María del Carmen Squeff, Russland auf, »die militärischen Operationen unverzüglich einzustellen«, ergänzte aber, ihr Land trete auch dafür ein, dass alle Waffen, deren Einsatz die Zerstörung des Planeten bedeutet, vernichtet werden müssen. Selbst Brasiliens ultrarechter, US-freundlicher Präsident Jair Bolsonaro hatte am Sonntag auf einer Pressekonferenz angekündigt, dass Brasilien »seine neutrale Haltung beibehalten« werde. »Wir werden nicht Partei ergreifen, sondern unsere Neutralität wahren und so weit wie möglich bei der Suche nach einer Lösung helfen«, erklärte der Staatschef. Brasilien habe »aktiv« darauf hingewirkt, dass in der Resolution das Wort »verurteilen« durch »bedauern« ersetzt wurde, zitierte die mexikanische Zeitung Diario de Queretaro Bolsonaro.
Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador hatte am Dienstag versichert, dass seine Regierung »im Gegensatz zu den Maßnahmen anderer Staaten keine Sanktionen gegen Russland verhängen« werde. »Mexiko wird keine wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Unternehmen ergreifen oder das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken«, kritisierte er auch das Verbot russischer Medien durch die EU. »Wir können nicht von Freiheit sprechen und gleichzeitig die freie Meinungsäußerung einschränken«, sagte López Obrador. Er wolle sich lieber für den Dialog und den Frieden einsetzen. Mexiko sei »an guten Beziehungen zu allen Regierungen der Welt« interessiert, »um in der Lage zu sein, mit den Konfliktparteien zu sprechen«, erklärte der mexikanische Staatschef.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 04.03.2022