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Inflation als Waffe
Kubas Bevölkerung leidet unter extremen Preisanstiegen. Grund sind von Contras manipulierte Wechselkurse.
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Die Bevölkerung Kubas leidet – außer unter den Auswirkungen der US-Blockade und den Folgen der Coronapandemie – seit Wochen unter einer galoppierenden Inflation. Lebensmittel und andere Produkte, die in den Geschäften für kubanische Pesos kaum erhältlich sind, werden von Wiederverkäufern zu Wucherpreisen für Devisen angeboten. Da Spekulanten zugleich die Schwarzmarktwechselkurse auf einem illegalen, informellen Devisenmarkt manipulieren, wird die Versorgungslage für viele Familien zunehmend kritisch. Aus dem Ausland finanzierte Akteure und Medien spielen bei dem Versuch, damit die Wirtschaft des Landes weiter zu schwächen, den Mangel zu verstärken und in der Bevölkerung Unzufriedenheit hervorzurufen, eine nicht unerhebliche Rolle.
Künstlich angeheizt
Zwar bleiben die Menschen in Kuba von steigenden Mieten und explodierenden Preisen für Strom, Gas und Benzin weitgehend verschont, da über 90 Prozent der Bürger Eigentümer ihrer Wohnungen sind und die Energieversorgung ausschließlich durch staatliche Unternehmen erfolgt. Immer mehr Waren des täglichen Bedarfs sind für Bezieher eines »normalen« Einkommens jedoch kaum noch bezahlbar. Viele Produkte sind zudem nur in den landesweit gut 100 Devisengeschäften mit Geldkarten zu erwerben, die kubanische Banken für Euro, Kanadische Dollar, Schweizer Franken oder Britische Pfund in MLC (Moneda Libremente Convertible) – eine Bezeichnung für frei konvertierbare Währungen – ausstellen. Obwohl US-Dollar nicht auf MLC-Konten eingezahlt werden können, ist die Währung im Alltag präsent.
Bei der Abschaffung der Doppelwährung Anfang vergangenen Jahres hatte die Zentralbank (BCC) den offiziellen Wechselkurs des kubanischen Peso (CUP) – als nunmehr einziger Landeswährung – auf 24 CUP zu einem US-Dollar festgelegt. Entsprechend dem Kurs zum Dollar gab die BCC das Verhältnis von Euro zum CUP am Donnerstag mit 1 zu 27,14 an. Da Banken und die staatlichen Wechselstuben (Cadeca) keine Devisen mehr verkaufen, verlangten Spekulanten am Donnerstag auf dem Schwarzmarkt für einen US-Dollar 100 und für einen Euro 110 CUP, also das Vierfache des offiziellen Wechselkurses. Sie rechtfertigen ihre Forderung mit Kursen, die aus dem Ausland unterstützte Onlineportale veröffentlichen.
Dazu gehören unter anderem die aus den USA verwaltete Facebook-Seite »La Hora de Cuba«, die in der Dominikanischen Republik betreute Seite »Avenida Cuba Divisas« und das mit Hilfe der holländischen Regierung aufgebaute, seit 2017 von einer polnischen NGO betriebene Internetportal El Toque. Zusammen mit anderen Akteuren hätten diese Medien die Inflation durch »willkürlich manipulierte« Wechselkursangaben und »falsche Informationen« künstlich angeheizt, kritisierte die kubanische KP-Zeitung Granma Anfang vergangener Woche, am 26. Januar, unter der Überschrift »Der große Betrug«. Nach Angaben von El Toque war der von dem Portal veröffentlichte Tageskurs seit dem 1. Januar von 72 CUP auf 100 CUP für einen US-Dollar gestiegen. »Viele fragen sich, ob der Kurs auf dem informellen Markt 150 CUP erreichen wird«, heißt es in einem Beitrag der Contra-Plattform. Das im spanischen Valencia von stramm antikommunistischen Exilkubanern publizierte Onlineportal Cibercuba zitierte dazu passend eine Behauptung des in Spanien lebenden Wirtschaftswissenschaftler Pedro Monreal, die Inflation sei »der beste Beweis für das Versagen des Systems«.
»Wie kommen diese Leute auf ihre Zahlen?«, stellte Granma die Daten der Contra-Portale in Frage. El Toque behauptet zwar, »repräsentative Wechselkurse des informellen Marktes« zu verbreiten, räumt aber ein, die Daten dafür lediglich aus »Kauf- und Verkaufsanzeigen« im Internet zu erheben. Dabei handele es »nicht um konkrete Vorgänge, sondern Forderungen von Akteuren, die an diesem Markt teilnehmen«. Das eröffnet die Möglichkeit, Wechselkurse mit Tricks zu manipulieren, um sich durch Schwankungen zu bereichern. Granma verwies darauf, dass die falschen Kurse in den vergangenen Wochen in die Höhe getrieben worden waren, bis in angeblich von der Zentralbank stammenden Fake-Mitteilungen die Lüge verbreitet wurde, Wechselstuben und Banken würden wieder Devisen verkaufen. Wer sich bei daraufhin sinkenden Schwarzmarktkursen dann mit Fremdwährungen eingedeckt hatte, konnte enorme Gewinne einstecken, als die Fälschungen dementiert wurden.
Teil des Wirtschaftskriegs
Hinter dieser Kritik an der Art der Veröffentlichung von angeblichen Wechselkursen verbirgt sich allerdings mehr als die Warnung vor unseriösen Meldungen der aus dem Ausland finanzierten Portale und illegalen Praktiken zur Bereicherung von Spekulanten. Der kubanische Journalist Iroel Sánchez hatte bereits im vergangenen Jahr auf mögliche weitergehende Folgen hingewiesen. »Beginnt jetzt der Angriff auf die kubanische Währung durch El Toque im Stil von Dólar Today in Venezuela, um eine Hyperinflation als Teil des Wirtschaftskriegs der Yankees herbeizuführen?«, fragte Sánchez am 19. Juni 2021 auf Twitter. In Venezuela hatte Präsident Nicolás Maduro der in Miami gegründeten Webseite Dólar Today, die wie El Toque in Kuba täglich Schwarzmarktkurse veröffentlichte, vorgeworfen, die Wechselkurse zu manipulieren, damit Preise und Inflation weiter anzuheizen und so zum Akteur im US-Wirtschaftskrieg gegen sein Land zu werden. Mit Hinweis auf ähnliche Erfahrungen in Chile, Argentinien und Nicaragua erklärte die venezolanische Wirtschaftswissenschaftlerin Pasqualina Curcio: »Die Manipulation des parallelen Wechselkurses ist eine der wichtigsten Kriegswaffen des Imperialismus.«
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 05.02.2022