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Die Linke Lateinamerikas: Erfolgswellen und Gegenwinde

Erfolgswellen und Gegenwinde: Diese Linke ergibt sich nicht, wechselt nicht den Kurs, steht erneut auf und kämpft weiter. Und die Sandinistische Front er Nationalen Befreiung aus Nicaragua ist dabei.

PAZ / Frieden Die Teilnehmer des 21. Forums von Sao Paulo, die sich 2015 in Mexiko-Stadt trafen, schätzten damals ein, dass Lateinamerika und die Karibik einen Wandel der Epoche erleben, der von zwei Tendenzen bestimmt wird. "Die eine Tendenz ist die Offensive der neoliberalen kapitalistischen Kräfte und des Imperialismus mittels der multinationalen Zusammenarbeit, vor allen mit den USA, bis hin zur militärischen Konfrontation. Die reaktionäre Hauptkraft im Innern ist die jeweilige Oligarchie, rechte Oppositionen sind ihre Handlanger. Die andere Tendenz besteht im kontinuierlichen Voranschreiten der linken und Fortschrittskräfte Lateinamerikas und der Karibik. Diese Tendenz ist noch keine hin zum Sozialismus. So erfreulich der eine oder andere Erfolg auch sein mag, Grund zur Euphorie gibt es nicht."

Bei der Beurteilung der Lage sollten drei Faktoren beachtet werden: Erstens sitzen die Oligarchen und bürgerlichen Kräfte in allen lateinamerikanischen und karibischen Staaten, mit Ausnahme Kubas, an den Schalthebeln der Wirtschaft. Ihre Profite bunkern sie auf Bankkonten in den USA. Zweitens befinden sich außer auf Kuba, in Nicaragua und Venezuela die Streit- und Polizeikräfte nicht in den Händen der Volkskräfte. Ausgerüstet und trainiert werden sie oft von den USA, die in den meisten Ländern Militärbasen unterhalten. Loyalitätserklärungen können zu Makulatur werden, wie die Putsche 2009 in Honduras und 2019 in Bolivien bewiesen. Drittens besitzt die katholische Kirche nach wie vor großen ideologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einfluss. Hinzu kommt die wachsende Präsenz der Evangelikalen.

Dem setzen die linken und Fortschrittskräfte die Mobilisierung der Volksmassen entgegen und bauen bei allen ideologischen Unterschieden an der Einheit der Völker. Sie üben Solidarität untereinander und benötigen die internationale Solidarität. Und sie finden in der Volksrepublik China und Russland starke Unterstützer ihrer auf Frieden, solidarische Zusammenarbeit und soziale Gerechtigkeit orientierenden Programme. Die Ausrichtung ist noch nicht bei allen linken und Fortschrittskräfte sozialistisch. Sie ist jedoch bei allen antiimperialistisch.

Ausgangs des 20. Jahrhunderts erlebten die linken und Fortschrittskräfte Lateinamerikas und der Karibik einen Aufschwung. Hugo Chavéz leitete in Venezuela die Bolivarische Revolution ein. Die linke Welt reagierte euphorisch. Vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts war die Rede. Dem linken Aufschwung folgte ein Rechtsruck. Über Wahlen und Putsche gelangten die Rechten in ehemaligen linksregierten Ländern erneut an die Regierung. Das stoppte den Fortschrittsprozess. Die Rechten machten das, worauf Daniel Ortega auf dem 23. Forum von Sao Paulo im Juli 2017 in Managua aufmerksam machte: "Sie drängten uns das demokratische Mittel der Wahlen auf, um an die Regierung kommen zu können. Sind wir aber an der Regierung, wenden sie alle undemokratischen Mittel an, um uns von dort wieder zu vertreiben."

CELAC wurde lahmgelegt. Die Regierungen von Mauricio Macri (Argentinien), Pedro Pablo Kuczynsky (Peru), Jair Bolsonaro (Brasilien), Iván Duque (Kolumbien) und weiterer Reaktionäre der Region lösten UNASUR auf und bildeten die reaktionäre Lima-Gruppe. In Venezuela und Nicaragua wurden "weiche Putsche" inszeniert. Die Versuche misslangen. 2019 raubten rechte Putschkräfte mit Unterstützung der OAS der MAS und Evo Morales den Wahlsieg.

Die Rechten Lateinamerikas und der Karibik schafften es jedoch nicht, eine unumkehrbare konservative Welle aufzubauen. Ihre neoliberale Politik hatte schlimme Folgen. Die Corona-Pandemie verschärfte die Lage. Die Wirtschaft der Region sank um 7,4 Prozent. Drei Millionen Unternehmen gingen Pleite und mindestens 50 Millionen Menschen verloren ihre Arbeitsplätze. Von den mehr als 600 Millionen Lateinamerikanern und Kariben leben 200 Millionen in tiefer Armut. Nach den USA hat der Subkontinent die meisten Corona-Toten zu beklagen. Hinzu kommen die verheerenden Folgen des Klimawandels, unter denen die Region besonders stark leidet.

Die linken und Fortschrittskräfte widerstanden der rechten Offensive und formierten sich neu. Sie unterstützten die Wahl von Andrés Manuel López Obrador in Mexiko und Alberto Fernández in Argentinien. Beide betreiben eine Politik des Klassenkompromisses. Neben linken und sozialen Kräften integrieren sie auch Teile der Oligarchie, des nationalen Unternehmertums und der konservativen Rechten in ihre Regierungssysteme. Die Rechten der Region wiederholen ständig, dass Kuba, Venezuela und Nicaragua kommunistische Diktaturen haben. Ihre radikalsten Sektoren schließen in diese Charakteristik sogar die Regierungen von Bolivien, Mexiko, Argentinien und Peru ein.

2021 war ein Jahr neuer Erfolgswellen und Gegenwinde für die linken und Fortschrittskräfte Lateinamerikas und der Karibik. Dem Weltimperialismus gelang es nicht, die kubanische Revolution zu erwürgen. Die Karibikinsel Barbados befreite sich vom Kolonialismus der britischen Krone und erklärte ihre Unabhängigkeit. Das peruanische Volk wählte in der Hoffnung auf einen nachhaltigen sozialen Wandel mit Pedro Castillo einen einfachen Lehrer aus dem ländlichen Raum zum Präsidenten.

Im November 2021 fand eine Reihe von Wahlen statt. Weil der Sandinismus in Nicaragua gute wirtschaftliche und soziale Ergebnisse erreichte, solide Gesundheits- und Bildungssysteme aufbaute und das Land zum sichersten in Mittelamerika machte, entschieden 75,9 Prozent der an der Wahl teilnehmenden Bevölkerung am 7. November 2021, dass Comandante Daniel Ortega und die FSLN das Land weiterhin regieren.

In Venezuela gewann die Vereinte Sozialistische Partei in den Regionalwahlen 20 der 23 Regionen und die Hauptstadt Caracas. Bei den Vorwahlen in Argentinien im September 2021 erlitt die "Frente de Todos" von Präsident Alberto Fernández eine Niederlage. Verantwortlich dafür waren die desaströse wirtschaftliche und soziale Lage, die von der Vorgängerregierung Macri verursachte hohe Verschuldung und die noch nicht überwundenen katastrophalen Folgen der Pandemie des COVID-19. Die Hauptwahlen am 14. November 2021 ergaben, dass die "Frente de Todos" in der Abgeordnetenkammer stärkste Partei bleibt. Im Senat verlor sie die Mehrheit. Trotz des bescheidenen Ergebnisses blieb die von den Rechten erhoffte "Klatsche" für Fernández aus.

Nach der ersten Wahlrunde lag in Chile der Kandidat der extremen Rechten und Sohn eines deutschen Wehrmachtoffiziers José Antonio Kast vorn. Zweiter wurde der Kandidat des progressiven Bündnisses "Apruebo Dignidad" Gabriel Boric. Am 19. Dezember fand die Stichwahl zwischen Kast und Boric statt. Sie wurde von Gabriel Boric gewonnen. Kast erkannte den Wahlsieg von Boric an.

In Honduras erzielte die Fortschrittsfront von Xiomara Castro, Ehefrau des durch den Putsch im Jahre 2009 gestürzten Ex-Präsidenten Manuel Zelaya, einen klaren Wahlsieg. Die Kandidaten der rechten Parteien erkannten ihren Wahlsieg an.

Am 29. November begaben sich in Bolivien Tausende Menschen auf den "Marsch für das Vaterland”. Auf dem abschließenden Massenmeeting in der Hauptstadt La Paz forderten sie Respekt vor der Demokratie und der Regierung von Luis Arce. Am 1. Dezember 2021 feierten die Massen in Zócalo, Mexiko, die Hälfte der historischen Amtszeit von Andrés Manuel López Obrador. Sie eröffnete die Chance für eine Politik der Selbstbestimmung in der Region.

Der frische lateinamerikanische Wind verleiht Gustavo Petro in Kolumbien und Ex-Präsident und Arbeiterführer Lula da Silva in Brasilien Auftrieb für die Wahlen im Jahr 2022.

Die Initiativen für die souveräne Integration der lateinamerikanischen und karibischen Staaten haben wieder Fahrt aufgenommen. Der geopolitische Wellengang Chinas und Russlands wirkt den Hegemonieabsichten Washingtons entgegen. Die USA möchten die OAS als diplomatischen Arm erhalten. Die Forderungen nach Ersetzung der OAS durch die CELAC werden jedoch nachdrücklicher.

Mercosur, das südamerikanische Marktbündnis, das seinen neoliberalen Charakter durch das Treiben Brasiliens, Paraguays und Uruguays eine Zeit lang konservieren konnte, verlor an Zugkraft. Dem gegenüber konnte ALBA-TCP den Charakter der souveränen Alternative aufrechterhalten.

Neu ist der Auftritt von RUNASUR, das indigene Pendant zum multilateralen Staatenbündnis UNASUR. RUNASUR ruft zum Aufbau eines vielnationalen Amerikas auf und ermuntert zur Neugründung der Zusammenarbeit mit antiimperialistischem Charakter. Seine Protagonisten stellen sich eine Gemeinschaft ohne Teilnahme der postkolonialen transnationalen Bourgeoisie vor.

Der VI. CELAC-Gipfel im September 2021 in Mexiko war ein Erfolg des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador und der mexikanischen Diplomatie. Nach sechsjähriger Abstinenz trafen 32 der 34 ideologisch unterschiedlichen Mitgliedsstaaten wieder zusammen. Nur Brasilien und Kolumbien fehlten.

Mexiko hat zurzeit die Präsidentschaft im UN-Sicherheitsrat inne. Dort kündigte der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador am 8. November 2021 an, dass er der UN-Generalversammlung einen "Welt-Plan der Brüderlichkeit und des Wohlstandes" vorlegen will. Dessen Ziel besteht darin, den 750 Millionen Menschen, die täglich mit weniger als zwei US-Dollar leben müssen, ein würdiges Leben zu garantieren.

Die linken Volksregierungen haben den Satz von Fidel Castro, dass "die Konsumgesellschaften die Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der Umwelt sind", verinnerlicht. Im April 2021 starteten sie ihre Initiative "Wiedersehen mit Pachamama". Auf dem Glasgower Klimagipfel schlossen sie sich der Forderung "Systemwandel statt Klimawandel" an.

Und wieder ist zu erwarten, dass die Gegner der linken und Fortschrittskräfte zurückschlagen werden. Von den USA finanzierte exilkubanische Contras wollten im November 2021 weltweit Demonstrationen organisieren. Unmittelbar nach dem Wahlsieg der Sandinisten setzte die USA-Regierung das Gesetz "RENACER" in Kraft. In Washington liegen die Regiebücher der Regimewechsel in Nicaragua, Venezuela, Bolivien und Peru bereit.

Kampf für den Frieden, erbitterter Klassenkampf, wichtige Wahlen, Konfrontation der Projekte, Corona und Klimawandel stehen auf der Agenda der linken und Fortschrittskräfte Lateinamerikas und der Karibik.

Wir werden sie hören: "No Pasarán!", "Vencerémos!", "Hasta la Victoria Síempre!", "Trabajo y Paz!"

Nueva Nicaragua - Informe Wolfgang Herrmann

Nueva Nicaragua - Informe, 02.01.2022