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Auf einem sehr guten Weg
Kuba: Hohe Impfrate und sinkende Infektionszahlen ermöglichen Öffnung für Tourismus.
Kuba hofft, den Höhepunkt der aktuellen Versorgungskrise – trotz der auch von US-Präsident Biden weiter verschärften Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade – in diesem Jahr überwinden zu können. Die Regierung in Havanna setzt dabei vor allem auf den Erfolg der Impfkampagne und die für den 15. November angekündigte landesweite Öffnung für den internationalen Tourismus.
»Die Wiederbelebung des Tourismus wird der Schlüssel zur wirtschaftlichen Erholung des Landes sein«, erklärte Premierminister Manuel Marrero Cruz am Sonnabend während eines Treffens mit örtlichen Politikern, Gesundheitsexperten und Vertretern von in- und ausländischen Hotelgruppen in Varadero. Marrero bezeichnete die Aufnahme touristischer Aktivitäten »wegen ihrer Fähigkeit, die übrigen Sektoren in erheblicher Weise zu fördern« als »wichtig für die kubanische Wirtschaft«, berichtete die KP-Zeitung Granma. Ungeachtet der finanziellen Schwierigkeiten sei es notwendig, diesen lebenswichtigen Bereich zu reaktivieren. »Wir dürfen angesichts des starken Wettbewerbs nicht passiv bleiben und müssen innovativ sein«, fügte er hinzu und betonte, »dass die größte Herausforderung darin besteht, einen Qualitätsservice anzubieten, der sich auch auf Angebote außerhalb der Hotellerie erstreckt«.
Offenbar wollte der Politiker mit den Äußerungen in der Bevölkerung um Verständnis für Investitionen in den Ausbau der touristischen Infrastruktur werben – trotz andauernder Versorgungsmängel. Neben der US-Blockade hatte der Ausfall dieses in der Pandemie nahezu zum Stillstand gekommenen Sektors maßgeblich zum Rückgang von Deviseneinnahmen beigetragen. Gleichzeitig waren die Ausgaben für Rohstoffe zur Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen, für medizinische Geräte und Hilfsmittel sowie für Treibstoff und importierte Nahrungsmittel kräftig gestiegen. Trotz weltweiter Solidarität und Spenden war das Land dadurch in die schwerste Versorgungskrise seit der »Sonderperiode« zu Beginn der 1990er Jahre geraten. Kostbare Devisen wurden dennoch vor allem für die Forschung und Entwicklung eigener Covid-19-Medikamente und Impfstoffe ausgegeben, was sich als strategisch richtige Entscheidung erwiesen hat.
Nachdem die Zahl der Infizierten durch die Delta-Variante des Virus in den vergangenen Wochen dramatisch gestiegen war, stellen sich erste Erfolge der Impfungen ein. Mit 4.873 positiven Fällen meldete das kubanische Gesundheitsministerium (Minsap) am Sonnabend die niedrigste Zahl seit Juli. Auch die Zahl der Opfer ist in Kuba dank dem dortigen staatlichen Gesundheitssystem deutlich niedriger als in den meisten anderen Ländern. Seit Beginn der Pandemie sind in Kuba insgesamt 7.534 Menschen an oder mit dem Virus verstorben, berichtete die Nachrichtenagentur ACN. Demnach waren bis Ende vergangener Woche 47,8 Prozent der kubanischen Bevölkerung mit den drei notwendigen Injektionen der in Kuba entwickelten Impfstoffe »Abdala«, »Soberana 02« oder »Soberana Plus« vollständig immunisiert. Rund 9,5 der 11,2 Millionen Einwohner, darunter knapp zwei Millionen Kinder und Jugendliche zwischen zwei und 18 Jahren, hatten mindestens die erste Dosis erhalten.
Mit einer Quote von 85 Prozent Erstimpfungen, steht Kuba auf dem amerikanischen Kontinent an erster Stelle und gehört auch weltweit noch vor Europa zur Spitzengruppe in der globalen Impfkampagne. Trotzdem appellierte der Leiter der epidemiologischen Abteilung im Minsap, Francisco Durán García, an die Bevölkerung, »weiterhin alle hygienischen und sanitären Maßnahmen einzuhalten«. Nur so sei die Rückkehr zur Normalität möglich. Das geschieht derzeit schrittweise, etwa durch die Wiedereröffnung von Restaurants und öffentlichen Einrichtungen. So dürfen in Havanna Sportstudios und Schwimmbäder unter Auflagen öffnen und am Montag begann – zunächst für die Schüler der 12. Klassen und der letzten Jahre der technischen und pädagogischen Ausbildung – wieder der Präsenzunterricht, bevor im November das neue Schuljahr für alle startet.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 05.10.2021