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Verändertes Kräfteverhältnis

Neue Wortführer und Hoffnungsträger: CELAC-Gipfel demonstriert Geschlossenheit der Karibik und Lateinamerikas.


Hintergrund: Zone des Friedens

Die »Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten« (CELAC) wurde am 23. Februar 2010 gegründet. Die Organisation besteht aus 33 Mitgliedsländern (alle Staaten des Doppelkontinents mit Ausnahme der USA und Kanadas) und repräsentiert eine Gesamtbevölkerung von mehr als 600 Millionen Menschen. Brasiliens faschistischer Staatschef Jair Bolsonaro setzte die Teilnahme seines Landes an den Aktivitäten der Gemeinschaft im Januar 2020 aus, da diese von »totalitären Regimes« dominiert werde.

Auf dem Gründungsgipfel in Caracas bekannten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer zu dem Ziel, »den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Integrationsprozess« voranzutreiben und verabschiedeten eine Erklärung, in der das Recht jeder Nation anerkannt wird, »frei und in Frieden ihr eigenes politisches und wirtschaftliches System aufzubauen«. Beim zweiten Gipfeltreffen vereinbarten die CELAC-Staaten im Januar 2014 in Havanna, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte durch Gespräche und Verhandlungen beizulegen und »jede Anwendung oder Androhung von Gewalt zu unterlassen«. Die Region wurde formal zu einer »Zone des Friedens« erklärt und »jede kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Ländern dieser Zone« vertraglich geächtet. Zudem wurde der Beschluss gefasst, ein CELAC-China-Forum ins Leben zu rufen.

Unter dem Motto »Neue Plattform, neuer Ausgangspunkt und neue Chance – Gemeinsam für die kooperative Partnerschaft zwischen China, Lateinamerika und der Karibik« fand im Januar 2015 ein gemeinsamer Gipfel aller 33 Staaten und der Volksrepublik in Beijing statt. Der dort beschlossene Kooperationsplan sieht unter anderem vor, dass weniger Rohstoffe nach China geliefert werden und statt dessen mehr verarbeitete Produkte. Die Volksrepublik sagte zu, dafür im Gegenzug in den kommenden Jahren rund 250 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur der Region zu investieren. (vh)

Auf ihrem sechsten Gipfeltreffen hat sich die Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) am Sonnabend in Mexiko-Stadt als derzeit einziges arbeitsfähiges Bündnis des amerikanischen Doppelkontinents präsentiert: Es verfügt über die Fähigkeit, die unterschiedlichen politischen Strömungen in der Region zu integrieren. Geschlossenheit sei eine Voraussetzung, um die Folgen der durch Klimawandel verursachten Naturkatastrophen, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie, Ungleichheit, Armut und Hunger zu überwinden, appellierten die Präsidenten Mexikos, Kubas, Venezuelas und Boliviens an die Vertreter von 31 Ländern, darunter 17 Staats- und Regierungschefs.

Das »strategische Ziel« des Gipfels müsse deshalb darin bestehen, »der Stimme Lateinamerikas und der Karibik Gehör zu verschaffen«, erklärte Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard. Dazu sei wichtig, dass trotz unterschiedlicher Positionen gemeinsame Vereinbarungen zu Themen wie Gesundheit, Klimaschutz, Ernährung und Zusammenarbeit getroffen werden und dass es in der Region nicht an Impfstoffen fehle, denn auch wenn große Anstrengungen unternommen würden, gebe es Länder, die nicht die Möglichkeit haben, ihre Bevölkerung zu schützen.

Das »strategische Ziel« scheint am Wochenende erreicht worden zu sein. Trotz eines ideologischen Schlagabtauschs mit Vertretern progressiver Regierungen stimmten am Ende auch die rechten Staatschefs von Uruguay und Paraguay der 44 Punkte umfassenden Abschlusserklärung zu. Die CELAC, der nach dem Austritt Brasiliens mit 32 der 35 Länder des Doppelkontinents nahezu alle Staaten der Region angehören, zeigte sich stabil und belastbar. Sie wird zum Hoffnungsträger, während andere – ideologisch motivierte – Bündnisse von der Bildfläche verschwinden. Die USA und Kanada sind nicht Teil der CELAC.

So bestätigte Perus Botschafter bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Harold Forsyth, am Dienstag, dass sich die nach der Hauptstadt seines Landes benannte »Lima-Gruppe« faktisch aufgelöst hat. 14 rechtsregierte Länder der Region hatten die Gruppe 2017 gegründet, um die linke Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro zu stürzen. Auch das von acht konservativen Staats- und Regierungschefs 2019 etablierte Staatenforum »Prosur« war eine Totgeburt. Und die Tage der von Washington dominierten OAS, die 1948 im Kalten Krieg gegründet wurde und seitdem als Instrument der USA zur Intervention in den Länder Lateinamerikas und der Karibik gilt, dürften ebenfalls gezählt sein.


Zwar fand der Vorschlag von Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador, die OAS durch ein von allen akzeptiertes Gremium zu ersetzen, das »niemandes Lakai ist«, vorerst noch keine ausreichende Mehrheit, doch kündigte Außenminister Ebrard an, für 2022 einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten, »den wir auch den USA und Kanada vorlegen werden«. Nachdem die OAS in der Region durch wiederholte Einmischung in innere Angelegenheiten und ihre anstiftende Rolle beim Putsch 2019 in Bolivien diskreditiert und damit unfähig zur Integration aller Akteure in der Region ist, wird Washington sich dem Druck auf Dauer nicht entziehen können.

Der Gipfel in Mexiko offenbarte, wie sich die Kräfteverhältnisse in der Region verschoben haben. Der faschistische Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, ein enger Vertrauter Washingtons, spielt kaum noch eine Rolle. Kolumbiens ultrarechter Staatschef Iván Duque, ein ebenso ergebener Verbündeter der US-Regierung, reiste am Wochenende statt zum CELAC-Gipfel in die USA. In Lateinamerika geben mittlerweile andere Politiker den Ton an. Neben den Präsidenten Miguel Díaz-Canel (Kuba) und Nicolás Maduro (Venezuela) werden Andrés Manuel López Obrador (Mexiko), Luis Arce (Bolivien) und Pedro Castillo (Peru) zu neuen Wortführern und einflussreichen Akteuren.

Washington reagiert auf den drohenden Verlust seines Hinterhofs wie gewohnt. Zeitgleich mit Duques Ankunft in den USA traf der Oberkommandierende des Südkommandos der US-Streitkräfte (Southcom), Craig Faller, in Bogotá ein, um dort mit »führenden kolumbianischen Militärs die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit zu besprechen«. In Venezuela und anderen lateinamerikanischen Ländern wird das als Drohung verstanden. Ebenso wie der Auftritt von US-Präsident Joseph Biden am Dienstag in der UN-Generalversammlung, wo er die expansiven wirtschaftlichen und militärischen Allianzen Washingtons in der ganzen Welt verteidigte und erklärte, die USA behielten sich das Recht vor, »auf Angriffe gegen sie oder ihre Verbündeten auf jede Art und Weise zu reagieren, die sie für angemessen halten«.

Das wirkt eher hilflos. Ganz anders wurde eine Videobotschaft von Chinas Präsidenten Xi Jinping an die Gipfelteilnehmer aufgenommen, die lateinamerikanischen Staats- und Regierungschefs reagierten mit Beifall. Beijing hatte in der Region unter anderem damit gepunktet, dass es Impfstoffe, Medikamente und medizinische Ausrüstungen schickte, während Washington inmitten der Pandemie versuchte, die kubanische Wirtschaft zu strangulieren und zusätzliche Sanktionen gegen die sozialistische Inselrepublik sowie gegen Venezuela und Nicaragua verhängte. »Um einen echten Multilateralismus zu praktizieren und eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu erreichen, müssen wir für Gleichheit und Gerechtigkeit eintreten und uns einem schikanösen politischen Hegemonismus widersetzen«, formulierte die Nachrichtenagentur Xinhua die Botschaft Chinas an den CELAC-Gipfel.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 23.09.2021