Nachrichten aus und über Kuba
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Hintergrund: Inszenierte Proteste
Aus dem Ausland initiierte Massenproteste sind in Kuba selten, aber nicht neu. Als der Untergang der sozialistischen Länder Osteuropas und der Sowjetunion das Land Anfang der 1990er Jahre in seine bisher schwerste Versorgungskrise stürzte, erklärte US-Präsident George Bush senior, es werde in Kuba bald einen »Volksaufstand« geben, und er freue sich darauf, »als erster Präsident der USA, in den Straßen eines freien Havanna spazierenzugehen«. Im Oktober 1992 verschärfte der Kongress mit dem »Torricelli-Gesetz« die Blockade gegen Kuba. Das neue Gesetz sollte der Wirtschaft den Todesstoß versetzen und innerhalb weniger Wochen zum Sturz der Regierung führen, hoffte Bush.
Zu dem angekündigten Aufruhr kam es dann aber erst am 5. August 1994 unter seinem Nachfolger William Clinton. US-Propagandasender hatten angekündigt, dass aus Florida Schiffe nach Havanna kommen würden, und die Bevölkerung aufgefordert, sie an der Uferstraße Malecón zu erwarten. Da die Schiffe nicht kamen, begannen rund 200 junge Männer mit Steinen zu werfen. Fensterscheiben gingen zu Bruch, Plünderungen sowie Angriffe auf Passanten und Polizisten sorgten für Tumult. Fidel Castro stellte sich – unterstützt von Bauarbeitern und Anwohnern – den Randalierern entgegen und beendete damit den Spuk. US-Medien und Contras feiern den »Maleconazo« bis heute dennoch als Vorbild eines Aufstands für den Regime-Change.
Obwohl es bis zum vergangenen Sonntag keine vergleichbaren Zwischenfälle mehr gab, hat Washington die Planungen dafür nie aufgegeben. Der Schriftsteller und Universitätsprofessor Raúl Capote, der sich vor knapp 20 Jahren für die kubanische Staatssicherheit zum Schein von der CIA anheuern ließ, berichtet, dass er die US-Regierung nach der Inszenierung von Protesten »im Namen der kubanischen Bevölkerung« um eine Intervention bitten sollte, um »einen Übergang zur Demokratie ohne Chaos und Blutvergießen« zu ermöglichen. In seinem Buch »Der andere Mann in Havanna« beschreibt Capote, wie Drew Blakely, sein Verbindungsmann in der US-Interessenvertretung in Havanna, ihm nach der Erkrankung Fidel Castros im Juli 2006 in Pläne für einen »Volksaufstand« im historischen Zentrum von Havanna einweihte.
»Es ist für uns nicht notwendig, dass sich die ganze Innenstadt von Havanna erhebt. Es genügt, eine kleine Gruppe von Personen zu finden, die auf die Straße geht, um zu demonstrieren. Für uns wäre dies schon ausreichend, um die wichtigsten internationalen Medien dazu zu bringen, die Nachricht direkt zu verbreiten«, hatte ihm der CIA-Mann erklärt. Capote sollte dann über diese Medien an die Regierung der Vereinigten Staaten appellieren, aus »humanitären Gründen« auf der Insel zu intervenieren. (vh)
Veröffentlichung |
junge Welt, 14.07.2021