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Der Druck wächst

In den USA werden Forderungen nach Aufhebung der Blockade gegen Kuba lauter. Biden-Regierung zögert aus Angst vor den Rechten.

Der neue Termin ist der 23. Juni. Um 10 Uhr New Yorker Ortszeit soll dann die UN-Vollversammlung einmal mehr per Resolution die von der US-Administration gegen Kuba verhängte Blockade verurteilen. Das Votum war ursprünglich bereits für den vergangenen Herbst vorgesehen gewesen, dann auf Mai verschoben worden. Nun wird also der Frühsommer ins Auge gefasst.

Über die Resolution zur »Notwendigkeit der Beendigung des von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzembargos« wird seit 1992 jedes Jahr in der Generalversammlung abgestimmt. Beim ersten Mal fand sie die Unterstützung von 59 Ländern bei drei Gegenstimmen und 71 Enthaltungen. Seither ist die Zahl der Stimmen für Kuba stetig größer geworden. Als das Papier 2019 zum bislang letzten Mal aufgerufen wurde, votierten 187 Länder für Kuba, drei - die USA, Israel und Bolsonaros Brasilien - stimmten dagegen, und zwei weitere - Kolumbien und die Ukraine - enthielten sich. Ein ähnliches oder noch klareres Ergebnis dürfte es auch bei der nächsten Abstimmung geben.

Ursache der aktuellen Hängepartie ist wie so oft die Coronaviruspandemie. Im vergangenen September hatten steigende Infektionszahlen den geplanten Ablauf der 75. Sitzungsperiode der UN-Vollversammlung gesprengt. Die Generaldebatte, der alljährliche Aufmarsch unzähliger Staats- und Regierungschefs in New York, musste ausfallen, die Statements wurden per Videobotschaft übertragen. In den folgenden Wochen war an eine reguläre Arbeit der Delegierten kaum zu denken, auch wenn man sich mit Videokonferenzen zu behelfen versuchte. Die für November vorgesehene Abstimmung über Dokument A/75/81, die Blockade-Resolution, fiel aus. Nachdem es zwischenzeitlich hieß, dass das Votum im Mai nachgeholt werden würde, ist nun also der Frühsommer vorgesehen. Das geht aus der am 20. April auf der UN-Homepage veröffentlichten Agenda hervor. Die Zeit für das amtierende Präsidium wird allmählich eng. Die letzte Sitzung soll nach jetzigem Stand am 16. Juli stattfinden - und schon zwei Monate später soll ein neues Präsidium die 76. Sitzungsperiode eröffnen.

Für Washington kommt die Verschiebung der Abstimmung über die Blockade ungelegen. Wäre sie wie geplant im vergangenen Jahr über die Bühne gegangen, als noch Donald Trump Chef im Weißen Haus gewesen war, hätte sich niemand Illusionen über die Haltung der USA gemacht. Doch seit dem 20. Januar heißt der US-Präsident Joseph Biden - und viele erwarten von ihm, auf den Kurs von Barack Obama zurückzukehren, der mit vorsichtigen Schritten gegenüber Kuba einen »Wandel durch Annäherung« initiiert hatte. 2016 stimmte die US-Delegation zum ersten und bislang einzigen Mal nicht mehr gegen die Resolution aus Kuba, sondern enthielt sich. US-Vizepräsident war damals niemand anderes als Biden.

Nun könnte er sich in seinem ersten Amtsjahr als Staatschef gleich zweimal dem Votum der »Weltgemeinschaft« gegen die Blockade gegenübersehen - denn neben der Abstimmung im Juni dürfte der Wirtschaftskrieg auch in der 76. Sitzungsperiode im Herbst wieder auf der Tagesordnung stehen. Die neue US-Administration versucht trotzdem, auf Zeit zu spielen. Eine Änderung der Kuba-Politik gehöre nicht zu den Prioritäten der Außenpolitik, erklärte Bidens Pressesprecherin Jennifer Psaki am 16. April in Washington.

Ein Grund dafür dürfte der anhaltende Druck der reaktionären Rechten sein. Die Tageszeitung New York Times etwa sieht einen Zusammenhang zwischen dem Zögern Bidens und seinem schlechten Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl in Florida. Dort hatte Trump 51,22 Prozent der Stimmen gewinnen können, obwohl Umfragen zuvor einen Erfolg Bidens prognostiziert hatten. Die Republikaner hatten ganz auf eine antikommunistische Kampagne gesetzt, nach der mit Biden ein »Trojanisches Pferd der Sozialisten« in das Weiße Haus einziehen würde. Das zog offenbar nicht nur im Wahlkampf. Einer im März vom Onlinemagazin Politico veröffentlichten Umfrage zufolge sprechen sich aktuell rund 66 Prozent der befragten »Cuban-Americans« in Florida gegen eine Lockerung der Blockade aus - während es vor sechs Jahren nur 36 Prozent waren. Vor diesem Hintergrund befürchten die Demokraten, dass ihnen eine Annäherung an Kuba bei den nächsten Wahlen schaden könnte. 2021 werden in Miami und weiteren Orten Floridas neue Bürgermeister und Stadträte gewählt. Außerdem steht in dem Bundesstaat eine Nachwahl für das Repräsentantenhaus an, nachdem am 6. April der demokratische Abgeordnete Alcee Hastings verstorben ist.

Trotzdem geht der Chef des kirchennahen Thinktanks »Washington Office on Latin America« (WOLA), Geoff Thale, von einer schrittweisen Normalisierung der Beziehungen zu Kuba aus. »Sie haben sich dazu während der Kampagne verpflichtet, und ich denke, dass sie das umsetzen werden. Zeitlich wird das davon abhängen, wie sie die Florida-Politik beurteilen und wie sich die Politik im Senat entwickelt«, sagte Thale am 28. März dem Internetportal The Hill, einer der führenden politischen Nachrichtenseiten der USA.

Anfang März wandten sich bereits 75 demokratische Kongressabgeordnete in einem Brief an Biden und forderten ihn auf, die »drakonische« Kuba-Politik der Trump-Administration aufzugeben, zur Diplomatie zurückzukehren und die vor fast 60 Jahren verhängte Blockade zu beenden. Dieser Schritt sei insbesondere vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie notwendig, so die Parlamentarier: »Mit der Unterzeichnung eines einzigen Dekrets haben Sie die Möglichkeit, diese Regularien auf den Stand des letzten Tags der Obama-Biden-Administration zurückzustellen. Wir fordern Sie respektvoll auf, dies ohne Verzögerung zu tun.«

Vor zu langem Warten warnt auch Carlos Lazo. Der aus Kuba stammende US-Amerikaner, der während des Irak-Krieges in der US-Armee Dienst tat, forderte Biden in einem ebenfalls Mitte März veröffentlichten offenen Brief auf, sein Wahlversprechen einzuhalten und die Blockade zu beenden. Es gehe darum, inmitten der Pandemie dem kubanischen Volk »die Hand der Solidarität« zu reichen. Der heute in Seattle als Lehrer arbeitende Lazo verweist auf eine noch an Trump gerichtete Onlineresolution mit der Forderung, die »wirtschaftlichen Restriktionen« gegen Kuba zumindest während der Pandemie auszusetzen. Sie wurde bislang von mehr als 17.000 Personen unterzeichnet. Mehrere tausend Menschen aus den USA und Kuba haben sich außerdem bisher an einer Fotoaktion auf der Homepage Noembargocuba.com beteiligt. Mit ihrem Gesicht senden sie eine Forderung an den Staatschef: »Präsident Biden, bitte beenden Sie das Embargo gegen Kuba!«

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Santiago Baez
junge Welt, 27.04.2021