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Antikubanische Blase

So kommt auf den Höhn noch einer drauf: Wo Steinitz die humanitäre Intervention in Kultur und politischer Ideologie vollzieht, kann die durch die EU-Armee irgendwann einmal folgen. Bei strenger Äquidistanz.

Der schwarze Kanal
Foto: jW

Ein Matthias Höhn kommt nicht allein. Seine Aufforderung an Die Linke, »jenseits ausgedienter Freund-Feind-Bilder« netter zu NATO, EU-Truppen und Bundeswehr im Ausland zu sein, beantwortete deren Vorstand am 23. Januar mit einer markigen Antwort unter dem Titel »Keine Aufweichung friedenspolitischer Position« – ohne Erwähnung Höhns. Das ist nicht erstaunlich, denn Höhns Prinzip der »Äquidistanz« – »Alle sind an allem gleich schuld« oder »Die einen sagen so, die anderen so« – ist so etwas wie die Praxisformel für das Gremium. Also verabschiedete es auf Antrag der »Emanzipatorischen Linken«, einer Art Katja-Kipping-Stiftung, einen Beschluss zur Solidarität mit Kuba, in dem diese einerseits bekräftigt, andererseits die Äquidistanz zum Prinzip erhoben wird: Kuba hat demnach Bedarf an »Fortsetzung eines Dialogs« mit Kritikern und an »Demokratisierung«. Ulla Jelpke hat das am Donnerstag in jW zu Recht »vergiftete Solidarität« genannt.

Es lässt sich auch sagen: Einerseits der NATO Avancen machen, andererseits der kubanischen Regierung undemokratisches Verhalten und Missachtung der Menschenrechte unterstellen kommt zwei Eintrittskarten fürs Mitregieren gleich. Beides ergibt sich aus Höhns Prinzip.

In der Praxis geht es um die hohe Schule des parlamentarischen Verbiegens. Wer in der Opposition Regierung spielt, darf selbstverständlich imperialistische Aggression nicht imperialistische Aggression nennen. Deswegen bieten sich für Höhn bei einer EU-Armee »Einspar- und Abrüstungspotentiale« an, so dass er von den »humanitären Interventionen« der NATO oder der EU zum Export von Demokratie und Menschenrechten ruhig absehen kann. Analog heißt das für Kuba: Setzt gefälligst den »Dialog« fort und redet nicht über Kontras oder gar US-Politik. Was passiert aber, wenn nach dem hochmögenden Urteil des Linke-Parteivorstandes die »Demokratisierung« durch »Dialog« nicht vorankommt?

Das kann ungefähr ahnen, wer die Tageszeitung ND – Der Tag liest. Dort erläutert am Dienstag Kolumnist Matti Steinitz, früher Autor der sich links gebenden, radikal antikommunistischen Wochenzeitung Jungle World und Mitarbeiter der Universität Bielefeld, der Vorstandsbeschluss sei »ein guter Tabubruch«. Erstmals habe sich die Linkspartei »mit Kritiker*innen der kubanischen Regierung solidarisiert«. Das mag formal richtig sein, die Haltung selbst ist in der Partei nicht neu: Zur ewigen Distanzierung von sozialistischen Ländern gehörte bei Gelegenheit stets auch die von Kuba – ob Gabriele Zimmer im EU-Parlament oder die Charakterisierung Che Guevaras anlässlich seines 90. Geburtstags im Neuen Deutschland mit »Gewaltorgien, Mackertum und Heldenverehrung«. Steinitz triumphiert zu Recht und scheut folgerichtig die Kolportierung von Contra-Lügen nicht, wenn er zum Beispiel behauptet, der kubanische Kulturminister habe sich persönlich »an Übergriffen mit mehreren Verletzten gegen friedliche Demonstranten« beteiligt. Wörtlich zitiert er aus Kuba allein eine Bloggerin, die in einem von ihm selbst gegründeten Netzwerk mitarbeitet. Das heißt wohl »Blase«. Argumente sind ansonsten die Warnung, dass »die alten Reflexe hier in die Irre« führen – gemeint ist Solidarität mit der Kubanischen Revolution – und »der autoritäre Umgang des Staates mit den jungen Menschenrechtler*innen« dessen »Verunsicherung« bezeuge. Steinitz folgt den ältesten Reflexen antikommunistischer Propaganda. Warum Tatsachen, wenn es Meinungen gibt? So kommt auf den Höhn noch einer drauf: Wo Steinitz die humanitäre Intervention in Kultur und politischer Ideologie vollzieht, kann die durch die EU-Armee irgendwann einmal folgen. Bei strenger Äquidistanz.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Arnold Schölzel
junge Welt, 06.02.2021