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Mehrere Impfstoffkandidaten profitieren von langer Tradition der staatlichen Forschungszentren

Hintergrund

Wettlauf um Impfstoffe


Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) befinden sich derzeit 52 Impfstoffkandidaten gegen Covid-19 in der klinischen Erprobung. Zei von ihnen kommen aus Kuba.

Die Entwicklung eines Impfstoffes durchläuft üblicherweise drei klinische Testphasen. Unter normalen Umständen dauert diese Erprobung ein Jahrzehnt. Aufgrund der globalen Infektionslage wird dieser Zeitumfang derzeit radikal verkürzt, so dass die Wissenschaft zunächst eine Entwicklung in einem Jahr für möglich hielt. Da es in diesem Wettlauf aber auch um globale Marktanteile geht, unterlaufen die Hersteller derzeit selbst die angesetzte Prognose von zwölf bis 18 Monaten Entwicklungszeit.

Laut WHO befinden sich 13 Impfstoffkandidaten in der dritten und letzten Erprobungsphase. An der Spitze im Wettlauf um die Vermarktung der Vakzine liegt derzeit das Mainzer Unternehmen Biontech in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Multi Pfizer. Biontech/Pfizer wollen im nächsten Jahr 1,3 Milliarden Impfdosen herstellen. Dieser basiert auf der sogenannten Boten-RNA-Technologie. Der neuartige Ansatz setzt eine durchgehende extreme Kühlung des Impfstoffs bei Temperaturen von minus 70 Grad Celsius voraus.

Am 8. Dezember wurde im englischen Coventry der 90jährigen Margaret Keenan der Biontech-Impfstoff und damit das erste Covid-19-Vakzin weltweit verpasst. Auch Kanada und Bahrain haben den Biontech-Impfstoff mittlerweile zugelassen. Das Vakzin des chinesischen Herstellers Sinopharm wurde unterdessen in den Vereinigten Arabischen Emiraten zugelassen.

In einer Hinsicht hat der Biontech-Impfstoff seine durchschlagende Wirkung schon jetzt unter Beweis gestellt: Biontech-Gründer Ugur Sahin, zu Jahresbeginn noch der weitgehend unbekannte Leiter eines kleinen Startups im Mainzer Stadtteil Hechtsheim, gehört mit einem Vermögen von fünf Milliarden Euro mittlerweile zu den 500 reichsten Menschen der Welt. (tk)


Kuba verfügt über viel Erfahrung im Bereich der Impfstoffentwicklung. 1991 konnte das Finlay-Institut erstmals einen Wirkstoff gegen Meningokokken vorstellen, welche zuvor Hunderte von Kindern auf der Insel durch Hirnhautentzündung zu Tode gebracht hatten. Später wurde in dem heute in Instututo Finlay de Vacunas (IFV) umbenannten Forschungszentrum der erste synthetische Impfstoff überhaupt entwickelt. Das Präparat schützt Kleinkinder vor Meningitis, die in den sogenannten Entwicklungsländern jährlich mehrere hunderttausend Opfer fordert. Grundlage für den Stoff ist ein Zuckermolekül. Vermutlich nicht nur deswegen ist die Bereitschaft in der kubanischen Bevölkerung, sich an klinischen Studien zu beteiligen, seitdem überdurchschnittlich hoch.


Diese Erfahrung kommt Kuba derzeit in der Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen zugute. Die beiden ersten Kandidaten, »Soberana 1« und »Soberana 2«, befinden sich in der ersten Testphase, in der das Vakzin an einer kleinen Gruppe von Probanden auf Nebenwirkungen geprüft wird. Der Direktor des IFV, Vicente Vérez, drückte jedoch gegenüber der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina die Hoffnung aus, dass insbesondere »Soberana 2« möglicherweise noch vor Jahresende in die zweite Phase übergehen könnte. In dieser wird der Impfstoff auf seine Wirksamkeit geprüft. Ein praktisches Problem stellt die für März anvisierte dritte Testphase dar, in der der Impfstoff an etwa 30.000 Menschen auf seine immunisierende Wirkung erprobt werden muss. Die Karibikinsel, die seit Beginn der Pandemie nur eine vierstellige Zahl an Coronafällen verzeichnet, bietet für diese Tests möglicherweise nicht die ausreichend hohe Ansteckungsrate. Daher laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, die Studien in anderen Ländern mit hoher Coronainzidenz durchzuführen. Weit weg müsste man dazu wohl nicht, gehören doch Lateinamerika und die Karibik zu den am stärksten von Covid-19 betroffenen Regionen der Welt.


Neben »Soberana 1« und »Soberana 2« entwickelt Kuba derzeit auch einen Nasensprayimpfstoff mit dem Namen »Mambisa«. Dessen Ansatz, die Verabreichung intranasal zu vollziehen, ist weltweit einzigartig. Darüber hinaus befindet sich mit dem Impfstoff »Abdala« ein viertes kubanisches Vakzin in der Entwicklung.


Abgesehen von den Impfstoffen wendet Kuba Eigenentwicklungen wie das Medikament »Interferon B« bei der Behandlung von Covid-19-Patienten an. Die Wirksamkeit des Antikörperpräparats »Itolizumab« für die Bekämpfung der coronatypischen Symptome wird derzeit in Gebieten mit erhöhter Coronainzidenz wie Brasilien, Mexiko und den USA getestet.


Nicht erst seit Corona orientieren sich die Anstrengungen der kubanischen Biotechnologie überwiegend an den Bedürfnissen der sogenannten Entwicklungsländer. So überrascht es nicht, dass die Panamerikanische Gesundheitsorganisation kürzlich ankündigte, den kubanischen »Soberana«-Impfstoff sofort nach dessen Zulassung in großen Mengen in den Ländern der Region verbreiten zu wollen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Tobias Kriele

junge Welt, 14.12.2020