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Kassensturz in Kuba

Parallelwährungssystem wird zum Jahreswechsel abgeschafft. Spekulationsgeschäfte sollen mit spürbaren Strafen geahndet werden.

In Kuba wird zum Jahreswechsel mit der Abschaffung des doppelten Währungssystems auch die seit längerer Zeit angekündigte Aktualisierung des Wirtschaftsmodells eingeleitet. Präsident Miguel Díaz-Canel hatte am Donnerstag abend (Ortszeit) im staatlichen Fernsehen angekündigt, dass der bisher als »Moneda Nacional« bezeichnete kubanische Peso (CUP) mit einem festen Wechselkurs von 24 CUP zum US-Dollar ab 1. Januar 2021 das einzige Zahlungsmittel auf der Insel sein wird. Díaz-Canel bezeichnete die Neuordnung, die einer Abwertung gleichkommt, als »notwendig, um das Land voranzubringen«, räumte aber ein, dass sie »nicht die magische Lösung für alle in unserer Wirtschaft vorhandenen Probleme« und zudem »nicht ohne Risiken« sei. Zu den Gefahren gehöre vor allem die zu erwartende höhere Inflation, die aber durch eine Anhebung der Renten und Entgelte für Beschäftigte in staatlichen Unternehmen und Einrichtungen abgefedert werden solle. Wucherpreise und Spekulationen werde man zudem durch spürbare Strafen unterbinden, versicherte der Staatschef.

Die Ministerin für Arbeit und soziale Sicherheit, Marta Elena Feitó Cabrera, ergänzte am Sonnabend in der Fernsehsendung »Mesa Redonda«, dass durch die Maßnahmen auch »übermäßige Subventionen« beseitigt würden. Zugleich werde eine Änderung der Einkommensverteilung angestrebt. »Das Ziel ist es, Menschen zu subventionieren und nicht Produkte, um die Gleichmacherei zu vermeiden, die wir manchmal in der Gesellschaft haben«, sagte Feitó Cabrera. Trotzdem werde es weiterhin eine Gruppe von vollständig subventionierten Produkten – zum Beispiel für die Basisversorgung von Kindern, Diäten für Schwangere und chronisch Kranke sowie alle in Gesundheitszentren abgegebenen Medikamente – geben. Auch die »Libretta«, ein Heft zum Bezug von Grundnahrungsmitteln, solle zunächst beibehalten werden.

Insgesamt sind im kommenden Jahr 30 Milliarden CUP für Subventionen vorgesehen, von denen 17,8 Milliarden auf den Stromverbrauch entfallen. »Das hat aber seine Grenzen«, erklärte Marino Murillo, Leiter einer Kommission zur Umsetzung der wirtschaftspolitischen Richtlinien, in der Sendung. Er wies darauf hin, dass die Bevölkerung durch veränderte Preise auch dazu veranlasst werden solle, Strom zu sparen und mehr erneuerbare Energiequellen, etwa Solaranlagen, zu nutzen. »Heute wird in Kuba vor allem mit Strom und importiertem Gas gekocht. Wenn wir Elektrizität extrem billig machen und importiertes Gas teurer ist, werden immer mehr Bürger elektrisch kochen«, begründete Murillo die geplanten Erhöhungen der Stromtarife. Die Preise würden allerdings wie bisher verbrauchsabhängig gestaffelt sein, so dass 89 Prozent der Kunden weiter subventionierte Tarife hätten.

Löhne und Gehälter müssten die Hauptquelle für die Finanzierung des Konsums der Beschäftigten und ihrer Familien sein, betonten Feitó Cabrera, Murillo und die Ministerin für Finanzen und Preise, Meisi Bolaños Weiss, in der Sendung. Sie kündigten eine kräftige Entgelterhöhung für die 3,1 Millionen Beschäftigten im staatlichen Sektor und die Anhebung der Bezüge von 1,7 Millionen Sozialversicherungsrentnern an. Ausgehend von Kosten in Höhe von 1.528 CUP für einen Warenkorb, der die Versorgung mit dem Energiebedarf von 2.100 Kilokalorien pro Tag garantiert, werde der Mindestlohn auf künftig 2.100 CUP angehoben. Bei den Entgelten würden die unteren Lohn- und Gehaltsgruppen um teilweise mehr als das zehnfache, die Spitzeneinkommen um das 4,5- bis fünffache erhöht. Die Mindestrente beträgt künftig 1.528 CUP, auf bisherige über dem Minimum liegende Ruhestandsbezüge wird der Betrag aufgeschlagen. Zudem haben Bedürftige Anspruch auf Sozialhilfe in Höhe von 60 Prozent des Mindestlohnes plus weitere individuelle Leistungen.

Murillo erwartet ab Januar in Kuba »drei gleichzeitig auftretende Phänomene«, nämlich »ein Versorgungsdefizit, einen Anstieg der Einnahmen und einen Anstieg der Kosten«. Damit die Kaufkraft der Bevölkerung nicht sinke, komme es darauf an, dass der zu erwartende Preisanstieg durch Einkommens- und Rentensteigerungen gedeckt sei und nicht »außer Kontrolle gerate«, warnte er. »Wir müssen spekulativen Preisen, die in der Regel mit Kauf und Wiederverkauf verbunden sind, und Wucherpreisen gemeinsam entgegentreten«, forderte Murillo die Bevölkerung auf. Diese Erscheinungen führten bereits heute am häufigsten zu Beschwerden der Bürger.

Während die Ankündigungen in den Onlineausgaben kubanischer Medien kontrovers diskutiert werden, versicherte Staatschef Díaz-Canel, dass auch in Zukunft niemand in Kuba »schutzlos und auf der Strecke« bleibe. »Wir bekräftigen die Bedeutung und Wichtigkeit dieser Aufgabe, die das Land in eine bessere Lage versetzen wird, um die Transformationen durchzuführen, die die Aktualisierung unseres Wirtschafts- und Sozialmodells erfordert, auf der Grundlage der Gewährleistung der größtmöglichen Chancengleichheit, von Rechten und sozialer Gerechtigkeit für alle Kubaner, die nicht durch Egalitarismus, sondern durch Förderung des Interesses und der Motivation zur Arbeit möglich sein wird«, erklärte der Präsident.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 14.12.2020