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Washingtons langer Arm
Schweizer Banken machen sich zum Erfüllungsgehilfen der USA und verweigern Überweisungen an Kuba-Solidaritätsorganisationen.
Protestaktion vor der Bank Cler am Dienstag in Winterthur
Foto: privat
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Der lange Arm Washingtons reicht bis in die Chefetagen der einst für ihre Unabhängigkeit und Diskretion bekannten Schweizer Banken. Kunden der Basler Kantonalbank (BKB) und ihrer – bis vor einigen Jahren noch der Genossenschafts- und Gewerkschaftsbewegung nahestehenden – Tochter Bank Cler werfen den Instituten vor, sich zum Erfüllungsgehilfen der USA zu machen und die Blockade gegen Kuba umzusetzen. Nachdem die Regierung von Donald Trump die Sanktionen gegen die Insel mit dem erklärten Ziel verschärft hatte, deren Wirtschaft »zu erdrosseln«, haben beide Bankhäuser seit 2019 in mehreren Fällen inländische Überweisungen an Hilfs- und Solidaritätsorganisationen verweigert. In Zürich kündigte die Bank Cler der »Vereinigung Schweiz–Cuba« (VSC/ASC) sogar das Konto.
Auf einer Pressekonferenz in Bern klagten VSC/ASC-Vertreter René Lechleiter und der Berner Jurist Willi Egloff am Mittwoch die beiden Finanzinstitute an, damit »gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen«. Sie forderten vom Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, als oberste Aufsichtsbehörde das »rechtswidrige Gebaren zu beenden«. Am Vortag hatten betroffene Kunden in mehreren Städten vor Filialen der Institute bereits dagegen protestiert, dass durch eine erst jetzt bekanntgewordene Eskalation der extraterritorialen Auswirkungen der US-Sanktionen auch ihre Rechte als eidgenössische Bürger verletzt würden.
Die Banken hatten ihre Maßnahmen mit einer »zunehmenden Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften durch die US-Regierung« begründet und erklärt, ihre Geschäftspolitik wegen der »damit verbundenen Rechtsrisiken im internationalen Zahlungsverkehr« entsprechend angepasst zu haben. Es könne »nicht ausgeschlossen werden, dass innerschweizerische Transaktionen potentiell von den Sanktionsmaßnahmen betroffen sind, wenn die ausführende Bank Kenntnis hat, dass die Gelder an einen sanktionierten Staat gelangen«.
Diese Argumentation sei sowohl aus rechtlicher als auch aus staatspolitischer Sicht völlig unhaltbar, erklärte Rechtsanwalt Egloff. »Banken bieten öffentliche Leistungen an und haben nicht das Recht, diese Dienstleistungen einzelnen Personen oder Gruppen zu verweigern.« Möglicherweise stelle das Verhalten sogar eine strafbare Diskriminierung dar, sagte er. Die Veranstalter räumten vor der Presse ein, dass zwar auch die Großbank Credit Suisse seit 2014 inländische Überweisungen ablehne, wenn diese im Zusammenhang mit Kuba stünden, doch davon unterscheide sich der aktuelle Vorgang dadurch, dass die BKB wie die Bank Cler unter staatlicher Kontrolle stünden, mit Staatsgarantien arbeiten und einen gesetzlichen Leistungsauftrag haben.
Der Präsident der VSC-Sektion Basel, Samuel Wanitsch, wies die Aufsichtsbehörde darauf hin, dass es in den aktuellen Fällen »nicht um den Zahlungsverkehr nach Kuba, sondern um innerschweizerische Transaktionen« gehe. Er betonte aber zugleich, dass »die US-Blockade nach Auffassung der Vereinten Nationen völkerrechtswidrig ist und auch die Schweiz die Aufhebung der Sanktionen« fordere. Trotzdem sei der internationale Zahlungsverkehr nach Kuba seit längerer Zeit mit großen Hürden verbunden, und mittlerweile führe keine Schweizer Bank mehr uneingeschränkt Überweisungen dorthin aus, kritisierte Wanitsch.
Auch die Postfinance, ebenfalls eine Bank mit Staatsgarantie, hat den Zahlungsverkehr nach Kuba Mitte 2019 eingestellt. Davon ist unter anderem die 1992 gegründeten Hilfsorganisation »Medicuba Suisse« betroffen, die ihre humanitäre Unterstützung für das kubanische Gesundheitswesen seitdem nur noch aufgrund einer Ausnahmebewilligung weiterhin über Postfinance abwickeln kann. Dadurch, so der Arzt und Vizepräsident der Organisation, Franco Cavalli, habe die Organisation mit rund 1,5 Millionen Franken (1,4 Millionen Euro) ein Projekt unterstützen können, dass in Kuba für die epidemiologische Kontrolle aller Infektionen zuständig ist. »Wir konnten neue Laboratorien aufbauen und mit den modernsten Mitteln der mikrobiologischen Diagnostik ausstatten, was Kuba jetzt in die Lage versetzt, das diagnostische Material herzustellen, um Covid-19 zu diagnostizieren«, erklärte der Mediziner. Zur Zeit bestehe ein enger Kontakt mit den kubanischen Gesundheitsbehörden, um sie bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus zu unterstützen, verwies Cavalli auf weitere Projekte.
Doch auch Mitglieder und Unterstützer von Medicuba Suisse hatten mehrfach berichtet, dass ihre inländischen Beitrags- oder Spendenüberweisungen blockiert worden seien. VSC/ASC-Sprecher Lechleiter nannte es »ungeheuerlich, dass Schweizer Banken heimlich die in Franken erteilten Zahlungsaufträge an Konten von Schweizer Vereinen durchleuchten und unter Umständen nicht ausführen«. Die Bank Cler habe ihren Kunden zudem mit Wirkung vom 1. Januar 2020 mitgeteilt, dass »Daten, die ins Ausland gelangen, dort nicht mehr vom schweizerischen Recht geschützt« seien. »Wie gelangen Daten von Schweizer Konten ins Ausland? Wer beschnüffelt da wen? Und zu welchem Zweck?« hinterfragte Lechleiter die offenkundige Verletzung des berühmten eidgenössischen Bankgeheimnisses.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 29.10.2020