Nachrichten aus und über Kuba
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Tödlicher Boykott
US-Zahlungsdienstleister verhindert Spendensammlung für deutsch-kubanisches Projekt zu Wasseraufbereitung. Auftakt zu Soliaktion »Unblock Cuba«.
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Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel hat die US-Sanktionen gegen sein Land am Dienstag per Twitter als »völkermörderischen Akt« verurteilt. »Die Blockade ist grausam, sie ist hart, sie ist eine Maßnahme, die gegen das Volk, gegen Männer, Frauen und Kinder verhängt wird«, erinnerte der Staatschef an eine frühere Kritik des 2016 verstorbenen Revolutionsführers Fidel Castro. Darüber, wie aktuell Castros Anklage die Auswirkungen auf die Bevölkerung beschreibt, sowie über Möglichkeiten des Widerstands und der Solidarität geht es beim deutschen Auftakt für die Aktion »Unblock Cuba«, die an diesem Sonnabend ab 18.45 Uhr über einen Livestream auf der Webseite www.jungewelt.de verfolgt werden kann.
Wie die US-Blockade sich auch auf kleinste private Initiativen auswirkt, das zeigt der Fall des in Berlin lebenden Maschinenbauingenieurs Jürgen Holzhäuser. Eigentlich wollte der Konstrukteur nur kubanischen Familien eine kostengünstige Entkeimung von Trinkwasser ermöglichen. Dazu hat er ein Haushaltsgerät, das Wasser mittels UV-C-Licht aufbereitet, entwickelt, das er in Kuba zertifizieren und herstellen lassen möchte (siehe Spalte). Holzhäuser hat mit der Universität von Sancti Spíritus eine Kooperation zur weiteren Entwicklung des Gerätes vereinbart, das bei einem geschätzten Endpreis von 15 bis 20 Euro günstiger und effizienter wäre als die auf der Insel erhältlichen Importapparate. Zur Finanzierung des Projekts wurden Spenden über die in Berlin ansässige gemeinnützige Onlineplattform »Betterplace.me« eingeworben.
Nachdem die Sammelaktion angelaufen und bereits 2.800 Euro eingegangen waren, beendete die Plattform im September ohne Vorwarnung Holzhäusers Kampagne. Zur Begründung wurde ihm mitgeteilt, er habe »Spenden für den Einsatz in einem Land gesammelt, welches von internationalen Sanktionen betroffen ist«. Der Zahlungsdienstleister der Onlineplattform – es handelt sich laut Betterplace um das US-Unternehmen Stripe – unterstütze »Spendenausschüttung in diese Länder« nicht. »Sanktionsbestimmungen«, denen Stripe unterliege, würden dies nicht erlauben, »um beispielsweise die Finanzierung von Terrorismus und Geldwäsche zu verhindern«.
Auf jW-Nachfrage räumten die Plattformbetreiber ein, dass Kuba nicht »internationalen«, sondern ausschließlich einseitig verhängten US-Sanktionen unterliege. Betterplace erklärte, es distanziere sich von der US-Blockade und würde »gerne Projekte in Kuba unterstützen«. Man habe Holzhäusers Aktion kurzfristig beenden müssen, da andernfalls »unter Umständen weitere Kampagnen keinen Zugang zu ihren Geldern mehr gehabt« hätten, »auf die sie gerade vor dem Hintergrund der aktuell dringenden Probleme (z. B. in Moria) angewiesen waren«.
Betterplace, so eine Sprecherin, nutze den US-Dienst, weil es zur Zeit der Entwicklung der Plattform »leider keinen europäischen Anbieter« gegeben habe, der »ein vergleichbares technologisches Produkt anbieten konnte«. Das Unternehmen recherchiere aber, »ob es inzwischen andere geeignete Zahlungsdienstleister gibt«, versicherte die Sprecherin.
Washington kann diese Blockade von Spenden als weiteren Erfolg verbuchen. Mit dem 2009 gegründeten und bereits in 25 Ländern agierenden Onlinebezahldienst Stripe verfügen die USA neben Paypal über ein weiteres Instrument zur globalen extraterritorialen Durchsetzung der Blockade.
Seit der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower am 19. Oktober 1960 die ersten Sanktionen gegen Kuba verhängte, wurde die in der Weltgeschichte am längsten dauernde Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade ständig weiter verschärft. An deren von US-Staatssekretär Lester D. Mallory 1960 formulierten Zielen, »die Wirtschaft zu schwächen und Kuba Geld und Versorgung zu rauben, um Hunger, Elend, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu provozieren«, hat sich bis heute nichts geändert.
»Wir suchen ständig nach neuen Möglichkeiten, dem Land Finanzierungsquellen und Devisen zu entziehen«, kündigte Donald Trumps Sonderbeauftragter Elliott Abrams im vergangenen Jahr an. Die USA würden »die kubanische Wirtschaft erdrosseln«, drohte Abrams, ähnlich wie 60 Jahre zuvor Mallory.
Trotz weltweiter Proteste weitet das Trump-Regime die völkerrechtswidrigen Sanktionen unablässig aus. Seit Anfang 2019 habe die US-Regierung 121 neue Bestimmungen erlassen, um die Blockade zu verschärfen, zitierte die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina Díaz-Canel am 8. Oktober.
Seit einem Jahr versucht die US-Regierung Kuba komplett von Treibstofflieferungen abzuschneiden, unterbindet Überweisungen ausländischer Firmen und die Transaktionen von Banken. Nach dem Verbot von Reisen für US-Bürger folgte die Einschränkung von Geldsendungen an Angehörige auf der Insel. Am 23. September verschärfte Trump die als Relikt des Kalten Krieges geltenden Sanktionen ein weiteres Mal. Das State Department setzte 433 Immobilien, darunter Hotels der spanischen Ketten Meliá, Iberostar, H 10, Barceló und NH, auf eine Verbotsliste von Unterkünften für US-Bürger, denen zudem bei Strafandrohung untersagt wurde, Rum, Zigarren oder andere Waren aus Kuba mit nach Hause zu bringen.
Während die Einschränkungen für US-Bürger noch als symbolische Maßnahmen angesehen werden könnten, mit denen Trump um die Stimmen militanter Antikommunisten wirbt, ist die völkermörderische Absicht der Blockade bei deren Auswirkungen auf Gesundheit und Leben der kubanischen Bevölkerung unverkennbar. Inmitten der Coronapandemie verhindert Washington die Lieferung von Gesichtsmasken, Diagnosekits, Medikamenten, Hilfsgütern und sogar von Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten auf der Insel.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 17.10.2020