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Tödlicher Boykott

US-Zahlungsdienstleister verhindert Spendensammlung für deutsch-kubanisches Projekt zu Wasseraufbereitung. Auftakt zu Soliaktion »Unblock Cuba«.


Hintergrund: Wasser in den Tropen

Sauberes Wasser, erfuhr Ingenieur Jürgen Holzhäuser auf seinen Reisen nach Nicaragua, Venezuela und Kuba, ist in tropischen Regionen ein extrem wertvolles Gut. Über kontaminiertes Wasser breiten sich unter anderem die Erreger von Cholera, Typhus, Hepatitis und anderen Krankheiten aus. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) trinken Millionen Menschen täglich verunreinigtes Wasser, und jährlich sterben über 1,5 Millionen Kinder daran. Zwar nehmen viele Kubanerinnen und Kubaner Leitungswasser zu sich, ohne zu Schaden zu kommen, doch für Kranke, Ältere, Kleinkinder und ausländische Besucher ist das nicht zu empfehlen. Holzhäuser ist überzeugt, ein von ihm entwickelter handlicher und kostengünstiger Entkeimer, der mit UV-C-Licht arbeitet, könnte nicht nur für bessere Trinkwasserqualität in Kuba sorgen, sondern auch für zahlreiche Menschen in anderen Ländern Lateinamerikas und Afrikas hilfreich sein.

Die Wasseraufbereitung durch UV-C-Licht ist nicht neu. Es ist eine anerkannte Methode, um Bakterien, Viren und Parasiten zu zerstören. Doch durch die niedrigen Anschaffungskosten von 15 bis 20 Euro, einfache Anwendung, geringen Stromverbrauch und eine geplante Produktion in Kuba könnte das von ihm in einem Video auf Youtube vorgestellte Gerät vielen Haushalten auch in anderen Teilen der Welt den Zugang zu reinem Trinkwasser garantieren. In etwa 20 bis 30 Minuten könnten damit rund zehn Liter entkeimt werden, was auch den Einsatz in Kindergärten, Schulen, Altenheimen und ländlichen Krankenstationen ermöglicht, erklärt Holzhäuser. Die Menge des desinfizierten Wassers ist dabei je nach Größe des Geräts variabel. Über die mit »Sanktionen gegen Kuba« begründete Einstellung seiner Kampagne auf der deutschen Spendenplattform ist der engagierte, mit Arbeits- und Entwicklungsprojekten in verschiedenen Ländern gut vertraute Maschinenbauingenieur auch deshalb empört, weil – so sagt er – »der Zugang zu reinem Wasser ein anerkanntes Menschenrecht ist«.

(vh)

Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel hat die US-Sanktionen gegen sein Land am Dienstag per Twitter als »völkermörderischen Akt« verurteilt. »Die Blockade ist grausam, sie ist hart, sie ist eine Maßnahme, die gegen das Volk, gegen Männer, Frauen und Kinder verhängt wird«, erinnerte der Staatschef an eine frühere Kritik des 2016 verstorbenen Revolutionsführers Fidel Castro. Darüber, wie aktuell Castros Anklage die Auswirkungen auf die Bevölkerung beschreibt, sowie über Möglichkeiten des Widerstands und der Solidarität geht es beim deutschen Auftakt für die Aktion »Unblock Cuba«, die an diesem Sonnabend ab 18.45 Uhr über einen Livestream auf der Webseite www.jungewelt.de verfolgt werden kann.

Wie die US-Blockade sich auch auf kleinste private Initiativen auswirkt, das zeigt der Fall des in Berlin lebenden Maschinenbauingenieurs Jürgen Holzhäuser. Eigentlich wollte der Konstrukteur nur kubanischen Familien eine kostengünstige Entkeimung von Trinkwasser ermöglichen. Dazu hat er ein Haushaltsgerät, das Wasser mittels UV-C-Licht aufbereitet, entwickelt, das er in Kuba zertifizieren und herstellen lassen möchte (siehe Spalte). Holzhäuser hat mit der Universität von Sancti Spíritus eine Kooperation zur weiteren Entwicklung des Gerätes vereinbart, das bei einem geschätzten Endpreis von 15 bis 20 Euro günstiger und effizienter wäre als die auf der Insel erhältlichen Importapparate. Zur Finanzierung des Projekts wurden Spenden über die in Berlin ansässige gemeinnützige Onlineplattform »Betterplace.me« eingeworben.

Nachdem die Sammelaktion angelaufen und bereits 2.800 Euro eingegangen waren, beendete die Plattform im September ohne Vorwarnung Holzhäusers Kampagne. Zur Begründung wurde ihm mitgeteilt, er habe »Spenden für den Einsatz in einem Land gesammelt, welches von internationalen Sanktionen betroffen ist«. Der Zahlungsdienstleister der Onlineplattform – es handelt sich laut Betterplace um das US-Unternehmen Stripe – unterstütze »Spendenausschüttung in diese Länder« nicht. »Sanktionsbestimmungen«, denen Stripe unterliege, würden dies nicht erlauben, »um beispielsweise die Finanzierung von Terrorismus und Geldwäsche zu verhindern«.

Auf jW-Nachfrage räumten die Plattformbetreiber ein, dass Kuba nicht »internationalen«, sondern ausschließlich einseitig verhängten US-Sanktionen unterliege. Betterplace erklärte, es distanziere sich von der US-Blockade und würde »gerne Projekte in Kuba unterstützen«. Man habe Holzhäusers Aktion kurzfristig beenden müssen, da andernfalls »unter Umständen weitere Kampagnen keinen Zugang zu ihren Geldern mehr gehabt« hätten, »auf die sie gerade vor dem Hintergrund der aktuell dringenden Probleme (z. B. in Moria) angewiesen waren«.

Betterplace, so eine Sprecherin, nutze den US-Dienst, weil es zur Zeit der Entwicklung der Plattform »leider keinen europäischen Anbieter« gegeben habe, der »ein vergleichbares technologisches Produkt anbieten konnte«. Das Unternehmen recherchiere aber, »ob es inzwischen andere geeignete Zahlungsdienstleister gibt«, versicherte die Sprecherin.

Washington kann diese Blockade von Spenden als weiteren Erfolg verbuchen. Mit dem 2009 gegründeten und bereits in 25 Ländern agierenden Onlinebezahldienst Stripe verfügen die USA neben Paypal über ein weiteres Instrument zur globalen extraterritorialen Durchsetzung der Blockade.

Seit der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower am 19. Oktober 1960 die ersten Sanktionen gegen Kuba verhängte, wurde die in der Weltgeschichte am längsten dauernde Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade ständig weiter verschärft. An deren von US-Staatssekretär Lester D. Mallory 1960 formulierten Zielen, »die Wirtschaft zu schwächen und Kuba Geld und Versorgung zu rauben, um Hunger, Elend, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu provozieren«, hat sich bis heute nichts geändert.

»Wir suchen ständig nach neuen Möglichkeiten, dem Land Finanzierungsquellen und Devisen zu entziehen«, kündigte Donald Trumps Sonderbeauftragter Elliott Abrams im vergangenen Jahr an. Die USA würden »die kubanische Wirtschaft erdrosseln«, drohte Abrams, ähnlich wie 60 Jahre zuvor Mallory.

Trotz weltweiter Proteste weitet das Trump-Regime die völkerrechtswidrigen Sanktionen unablässig aus. Seit Anfang 2019 habe die US-Regierung 121 neue Bestimmungen erlassen, um die Blockade zu verschärfen, zitierte die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina Díaz-Canel am 8. Oktober.

Seit einem Jahr versucht die US-Regierung Kuba komplett von Treibstofflieferungen abzuschneiden, unterbindet Überweisungen ausländischer Firmen und die Transaktionen von Banken. Nach dem Verbot von Reisen für US-Bürger folgte die Einschränkung von Geldsendungen an Angehörige auf der Insel. Am 23. September verschärfte Trump die als Relikt des Kalten Krieges geltenden Sanktionen ein weiteres Mal. Das State Department setzte 433 Immobilien, darunter Hotels der spanischen Ketten Meliá, Iberostar, H 10, Barceló und NH, auf eine Verbotsliste von Unterkünften für US-Bürger, denen zudem bei Strafandrohung untersagt wurde, Rum, Zigarren oder andere Waren aus Kuba mit nach Hause zu bringen.

Während die Einschränkungen für US-Bürger noch als symbolische Maßnahmen angesehen werden könnten, mit denen Trump um die Stimmen militanter Antikommunisten wirbt, ist die völkermörderische Absicht der Blockade bei deren Auswirkungen auf Gesundheit und Leben der kubanischen Bevölkerung unverkennbar. Inmitten der Coronapandemie verhindert Washington die Lieferung von Gesichtsmasken, Diagnosekits, Medikamenten, Hilfsgütern und sogar von Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten auf der Insel.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf

junge Welt, 17.10.2020