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Radiogeschichte(n): Kubas Radio Reloj gilt als ältester aktiver Nachrichtensender.

Raum im Präsidentenpalast von Havanna
Missglückte Attacke: Raum im Präsidentenpalast von Havanna nach Angriff von Rebellen im März 1957
Foto: By Radio Reloj/wikimedia commons


Im Hintergrund tickt der Sekundenzeiger, zu jeder vollen Minute piept das Zeitzeichen, gefolgt von der Ansage der Uhrzeit und einem kurzen Morsezeichen für die Buchstaben »RR«. Radio Reloj, die »Radiouhr«, ist unter Kubas Rundfunkstationen einzigartig. Musik gibt es praktisch keine, lediglich eine Kurzmeldung nach der anderen, jede im Normalfall maximal eine Minute lang. Und dazwischen immer wieder die markante Ansage, 24 Stunden am Tag, zu empfangen in ganz Kuba auf UKW und Mittelwelle sowie weltweit im Internet.

Radio Reloj – im Volksmund auch als »Radio Tick-Tack« bekannt – gilt als der älteste noch zu empfangende Nachrichtensender der Welt. Schon 1947 war er als Ableger des Privatsenders CMQ gegründet worden. Eigentümer Goar Mestre nutzte ihn zur Zweitverwertung für die Nachrichten von CMQ. Dessen Meldungen wurden dem Format von Radio Reloj angepasst.

Am Nachmittag des 13. März 1957 schreckten die Hörer auf. Radio Reloj meldete den Sturz des Diktators Fulgencio Batista, der sich 1952 an die Macht geputscht hatte. Um 15.21 Uhr hatte José Antonio Echeverría, Vorsitzender des kubanischen Studentenverbandes FEU und Chef der Widerstandsgruppe »Revolutionäres Direktorium«, den Redakteuren eine Reihe von Meldungen übergeben, die diese zu verlesen hatten. Anschließend ergriff er selbst das Wort: »Volk von Kuba! In diesen Augenblicken wird der Diktator Fulgencio Batista revolutionär hingerichtet. In seinem eigenen Schlupfloch im Präsidentenpalast hat das Volk Kubas die Rechnung beglichen.«

Doch dazu kam es nicht. Parallel zu der Besetzung des Senders hatten etwa 50 Mitglieder des Direktoriums versucht, den Regierungssitz zu stürmen. Nur einer kleinen Gruppe gelang es, bis in das Gebäude vorzudringen. Ehe sie das Büro des Despoten erreicht hatten, war Batista bereits durch ein Fenster geflohen.

Geplant war, sich nach dem Sturz des Diktators auf das Gelände der Universität von Havanna zurückzuziehen und dort auszuharren, bis Fidel Castro mit den Guerilleros, die seit 1956 in der Sierra Maestra den Guerillakrieg führten, in der Hauptstadt eingetroffen wäre. Auch Echeverría versuchte, sich nach dem Ende der Besetzung von Radio Reloj zur Universität durchzuschlagen. Mit seinem Konvoi geriet er unweit des Campus in eine Polizeisperre und wurde bei dem folgenden Feuergefecht getötet.

Nach dem Sieg der Revolution 1959 stellten sich die Eigentümer von CMQ und Radio Reloj immer offener gegen die Regierung. Im März 1960 setzte sich Mestre in die USA ab, und die kubanischen Behörden enteigneten dessen Besitz und verstaatlichten am 12. September 1960 die Sender. Aus CMQ-TV wurde zunächst Canal 6, dann Cubavisión, das erste Programm des kubanischen Fernsehens. CMQ wurde zu Radio Liberación (Befreiung), bis es 1984 in Radio Rebelde aufging. Nur Radio Reloj sendet bis heute unter seinem alten Namen.

www.radioreloj.cu

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

André Scheer
junge Welt, 08.10.2020