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Nachrichten aus und über Kuba

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Fahrplan zur neuen Normalität

Nach den Restriktionen zur Eindämmung von Corona wird schrittweise das Wirtschaftsleben hochgefahren.

»Die Regierung hat gut reagiert«, sagt Yolanda Reyes Peña, »aber die Beschränkungen dauern nun schon viel zu lange.« Die 24-Jährige, die mit ihrer Mutter und dem älteren Bruder in Havanna wohnt, arbeitete vor Corona als Maniküristin in einem privaten Nagelstudio. Anfangs nahm sie den Lockdown als willkommene Pause, lebte von ihren Ersparnissen. Aber »die Sorge zu erkranken nimmt ab. Jetzt ist die größere Sorge: Wann kann ich wieder anfangen zu arbeiten? Wie wird mein Verdienst sein? Das Schlimmste ist die Ungewissheit.«

Die US-Regierung hat auch in der Coronazeit die Sanktionen weiter verschärft. Und der Einbruch des Tourismus macht der ohnehin kriselnden kubanischen Wirtschaft schwer zu schaffen. »Für Kuba ist der Tourismus eine der wichtigsten Einnahmequellen«, weiß Yedi López-Cotarelo. Der 47-Jährige arbeitet selbst seit zwölf Jahren als Touristenführer. »Seit Kuba seine Grenzen geschlossen hat, habe ich nicht mehr gearbeitet. Aktuell habe ich keine andere Einnahmequelle.« Wie Reyes lebt auch er vom Ersparten.

»Selbst ich, ein einfacher Handwerker, profitiere vom Tourismus«, sagt der Schreiner Gerardo Bauza* aus Centro Habana. »Denn meine Sachen wurden auch von Touristen gekauft. Jetzt, ohne Tourismus, verkaufe ich nichts.« Seit Beginn der Epidemie lebt der 58-Jährige mit seiner vierköpfigen Familie vom Gehalt der Tochter, die im Gesundheitswesen beschäftigt ist. Reyes wiederum hat Probleme, Pflegeprodukte und Utensilien für ihre Arbeit zu beziehen, seit die Flughäfen geschlossen sind. »In den Läden gibt es nichts. Alles ist importiert. Aber nicht durch den Staat, sondern durch Privatpersonen, die die Produkte aus anderen Ländern mitbringen und hier verkaufen.« Wenn man etwas finde, seien die Preise unverhältnismäßig hoch.

In der Versorgungskrise gewinnt ein Instrument an Bedeutung, dessen Abschaffung bereits diskutiert wurde: Die »Libreta« ist zu einem Symbol für Kubas Krisenstrategie geworden. Der Karibikstaat kann nicht mal eben milliardenschwere Staatshilfen auflegen; da sind die Rationierungsheftchen ein Weg, die angesichts der Versorgungsengpässe knappen Ressourcen gleichmäßig zu verteilen. »Ich bin mit der ›Libreta‹ aufgewachsen. Heute, mit meinen 58 Jahren, applaudiere ich ihr«, sagt Bauza. »Denn jetzt ist mir klar geworden, wie nötig und wie gerecht die ›Libreta‹ ist. Jeder erhält eine bestimmte Menge Reis, Bohnen, Speiseöl, Kaffee, Hühnchen. Alles ist kontrolliert. Gesegnet sei die ›Libreta‹!« Das sieht López-Cotarelo ähnlich: »Die ›Libreta‹ hilft allen Familien in Kuba. In gewisser Weise ist es eine Erleichterung zu wissen, dass es mit der ›Libreta‹ eine Reihe subventionierter Produkte gibt.« Aber sie reiche gerade einmal für den halben Monat.

Trotz der schwierigen Versorgungslage und der Abhängigkeit von den Einnahmen des Tourismus wird es nach Vorstellung der Regierung keine abrupte Öffnung des Reiseverkehrs geben. In der ersten Phase soll zunächst der nationale Tourismus wieder aufgenommen werden. Seit dem 1. Juli können auch ausländische Gäste wieder Urlaub auf Kuba machen, jedoch nur auf den Cayos (Inseln) im Norden und Süden des Landes - unter Einhaltung eines strikten Hygieneprotokolls. Die Flughäfen bleiben noch bis mindestens 1. August für kommerzielle Flüge geschlossen.

Noch mehr spitzt sich die bereits vor Corona schwierige Versorgungslage bei Lebensmitteln zu. »Wir Kubaner haben praktisch die gesamte Epidemie in Warteschlangen verbracht«, sagt López-Cotarelo. Drei, vier Mal die Woche stehe er stundenlang für Hühnchen, Zahnpasta, Speiseöl oder Hackfleisch an. Ein Problem, das auch Bauza kennt. Sieben, acht Stunden habe er zum Teil für bestimmte Produkte angestanden, erzählt er. Die langen Schlangen vor den Geschäften gelten als Hauptproblem für mögliche Ansteckungen. Um sich und ihre Mutter dieser Gefahr nicht auszusetzen, kauft Reyes »bei Weiterverkäufern«, wie sie sagt. »Die verkaufen aber alles zwei bis drei Mal so teuer wie im Laden.«

»Es wird ein sehr kontrollierter Tourismus sein, mit einem Touristen, der direkt ins Hotel geht, um den Strand zu genießen, also niemand, der herumläuft und Kunsthandwerk oder Souvenirs kauft. Ich werde davon also nichts haben«, glaubt Bauza und blickt skeptisch auf die kommenden Monate. Auch López-Cotarelo ist nicht viel zuversichtlicher. »Ich werde mir wohl etwas anderes suchen müssen, denn für den Moment kann man vom internationalen Tourismus nicht leben.«

Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 20.07.2020