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US-Blockade nimmt Kuba die Luft

Lektorin Ulrike Dorfmüller über die Petition der Kulturschaffenden an die Bundesregierung

Wie macht sich die US-Blockade gegen Kuba im Alltag, aber auch in Ihrem Arbeitsfeld, im Kultur- und Bildungsbereich, bemerkbar?

Die Beispiele für die Auswirkungen der US-Blockadepolitik sind sehr vielfältig. Da weniger Devisen verfügbar sind, wird weniger importiert. Und die wenigen Waren im Land sind schnell ausverkauft. Die Schlangen vor den Lebensmittelläden werden immer länger. Wegen Energie- und Benzinknappheit im September vergangenen Jahres hatten wir ein Semester lang verkürzte Vorlesungszeiten. Statt 90 Minuten konnten wir nur noch Seminare über 60 Minuten halten. Das hat den Seminarbetrieb empfindlich eingeschränkt. Aufgrund der leeren Staatskassen gibt es weniger Mittel für Projekte insgesamt. Der Transport ist sehr viel schwieriger geworden; die Leute können nicht mehr so einfach zu den Projekten hinkommen. Manchmal ist bereits schon die Klimatisierung der Räume eine Schwierigkeit. Dann müssen Veranstaltungen zum Teil abgesagt werden.

Trotz der leeren Staatskassen versucht die kubanische Regierung, Bildung und Künste nicht darunter leiden zu lassen, und unternimmt sogar Schritte, gerade diese Bereiche aufzustocken. So wurde im Sommer 2019 eine substanzielle Erhöhung der Gehälter in der Schul- und Hochschulbildung beschlossen und auch umgesetzt.

Nun haben Kulturschaffende eine Petition initiiert. Was hat es damit auf sich?

Initiiert hat die Petition eine Gruppe von Deutschen, die seit Jahren in Kuba beruflich tätig sind - im Kunstbereich, in der Kulturvermittlung, im akademischen Austausch. Wir haben in unserer täglichen Arbeit immer wieder festgestellt, wie sehr durch die US-Blockade die internationale Kooperation der Insel kompliziert bis unmöglich gemacht wird. Das betrifft zum Beispiel Geldüberweisungen, also einfach die finanzielle Abwicklung von Projekten. Es gibt kaum noch eine Bank, die Überweisungen nach Kuba durchführt. Das betrifft den Import von Geräten, von Gebrauchsgütern - all das ist teuer, kompliziert oder unmöglich. Das wiederum führt dazu, dass viele das Handtuch werfen. Man muss ein sehr dickes Fell entwickeln und einen langen Atem haben, um diese ganzen Beschwerlichkeiten, die die US-Blockade mit sich bringt, auf sich zu nehmen. Hinzu kommt, dass einige Institutionen gar keine neuen Projekte auf Kuba beginnen wollen, aus Angst, in Konflikt mit der US-Justiz zu geraten, denn die Bestimmungen der Blockade werden auch exterritorial gegenüber Drittstaaten angewandt. Vor diesem Hintergrund haben wir jetzt in der Coronakrise, wo es noch unerträglicher wurde, gesagt, wir müssen etwas unternehmen. Auf der einen Seite schickt Kuba in viele Länder dieser Welt Ärztemissionen, die helfen, und umgekehrt versucht die US-Administration, Kuba durch die Verschärfung der Blockade in die Knie zu zwingen. Als Zeugen dessen müssen wir etwas dagegen tun.

An wen richtet sich der Aufruf?

Unser Aufruf richtet sich an die Bundesregierung, sich insbesondere jetzt während ihrer EU-Ratspräsidentschaft ab Juli 2020 dafür einzusetzen, dass die US-Blockade gegen Kuba beendet wird, denn sie verstößt gegen geltendes internationales Recht. Und dass sie sich außerdem dafür einsetzt, dass auf EU-Ebene Instrumente geschaffen werden, um die US-Blockade zu unterlaufen, denn sie wird offiziell von der EU verurteilt. Es geht also darum, Regularien zu schaffen, um EU-Akteure wie Banken oder Unternehmen, die weiter mit Kuba Handel treiben möchten, effektiv vor den exterritorialen Auswirkungen der US-Blockade zu schützen. Das ist im Moment nicht der Fall.

Warum gerade jetzt?

Zum einen, weil der politische Hebel durch die EU-Ratspräsidentschaft gegeben ist. Zum anderen, weil sich die Situation in Kuba immer dramatischer zuspitzt. Seit über einem Jahr werden die Bestimmungen der US-Blockade ständig verschärft. Die Trump-Administration versucht mit aller Macht, Kuba von den letzten Devisenquellen, die die Insel noch hat, abzuschneiden. Es geht dabei wirklich darum, der Insel die Luft abzudrücken. Das spiegelt sich in der Versorgungslage der Bevölkerung, den jeden Tag länger werdenden Schlangen vor den Lebensmittelläden wider.

Sie haben prominente Erstunterzeichner*innen gefunden. Wer hat die Petition unterschrieben?

Wir haben unglaublich tolle Menschen gefunden, die unsere Petition unterstützen und sie unterzeichnet haben, Persönlichkeiten aus der Wissenschaft, der Kunst- und Kulturszene, den Medien. Zu den Erstunterzeichnern gehören Wim Wenders, Fatih Akin, Rolf Becker, Peter Lohmeyer, Robert Menasse, Volker Schlöndorff und Noam Chomsky. Das sind alles Leute, die Kuba persönlich kennen, die sich mit Kuba auskennen - und genau das gibt der Petition eine besondere Kraft.

Was geht es mit der Petition weiter?

Wir wollen in vier Wochen 50-000 Unterschriften sammeln, und wenn wir das schaffen, dem Petitionsausschuss überreichen. Dann würde man den Antrag im Parlament beraten. Falls wir das nicht schaffen, würden wir aber auch einen Erfolg darin sehen, dass das Thema überhaupt in den Medien und der Öffentlichkeit präsent ist und diskutiert wird - trotz Corona und Fokus auf anderen Themen. Auch wenn wir mit dieser einen Petition nicht gleich alles einreißen werden, was die US-Blockade betrifft, geht es darum, eine Stimme zu haben und einen Diskurs wachzuhalten. Auch das ändert bereits etwas.

Ulrike Dorfmüller lebt seit 2013 in Kubas Hauptstadt und arbeitet als DAAD-Lektorin an der Universität Havanna. Sie ist eine der Initiator*innen der Petition »Deutschland mit Europa: Für ein Ende der Blockade gegen Kuba«. Über Inhalt und Ansinnen der Petition sprach mit Dorfmüller für »nd« Andreas Knobloch.


Neues Deutschland, 23.06.2020