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Aktionen zum Arbeiterkampftag
In Kuba finden Aktionen zum Arbeiterkampftag wegen Coronakrise virtuell statt. Auch im Ausland Aktivitäten geplant.
In Kuba, wo seit dem Sieg der Revolution im Januar 1959 Jahr für Jahr die machtvollsten Maiveranstaltungen des amerikanischen Kontinents stattfanden, wird es am Freitag wegen der Coronakrise zum ersten Mal keine Großdemonstrationen auf den Straßen und Plätzen geben. Das Politbüro der KP Kubas hatte bereits am 31. März beschlossen, alle Massenveranstaltungen auszusetzen. Präsident Miguel Díaz-Canel empfahl daraufhin dem Gewerkschaftsdachverband »Central de Trabajadores de Cuba« (CTC), alternative Aktionen zu planen, mit denen die Werktätigen ihren Kampftag trotzdem für eine Demonstration der internationalen Solidarität nutzen können. Die Aktivitäten sollen dabei nicht auf das kubanische Staatsgebiet beschränkt sein.
Außerhalb der Insel planen zum Beispiel die mittlerweile rund 1.500 Mitglieder von 23 Medizinerbrigaden der Ärztebrigade »Henry Reeve«, die sich derzeit in 22 Ländern am Kampf gegen die Coronapandemie beteiligen, eigene Aktionen, berichtete das CTC-Zentralorgan Trabajadores am Montag. Auch kubanische Gesundheitsexperten, die ihre Arbeit bereits vor Ausbruch der Pandemie in anderen Ländern aufgenommen hatten, bereiten eigene Aktivitäten vor. Laut Santiago Badia González, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheitswesen (SNTS), sind derzeit mehr als 30.000 Mitglieder seiner Organisation auf Einsätzen im Ausland.
Viele von ihnen marschierten vor einem Jahr auf der Maidemonstration in Havanna noch in den ersten Reihen, als 60.000 Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger in weißen Kitteln den kilometerlangen Zug anführten. Sie trugen dabei die Fahnen der 68 Länder, in denen Kuba trotz der US-Blockade medizinische Missionen unterhielt und riefen: »Unseren Internationalismus und unsere Solidarität kann niemand blockieren.«
Diese Beschäftigten, die erneut ein Beispiel dafür lieferten, dass es eine solidarische Alternative zur Krise des kapitalistischen Gesundheitssystems, der neoliberalen Politik, zum Abbau von Beschäftigtenrechten und sozialen Leistungen gebe, verdienten auch in diesem Jahr besondere Anerkennung, erklärte CTC-Vorsitzender Ulises Guilarte. In einem Leitartikel für die Zeitung Trabajadores rief er die Gewerkschafter dazu auf, sich am 1. Mai mit Videobotschaften im Internet, in virtuellen Foren und mit Beiträgen in Netzwerken für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und die Beendigung der US-Blockade gegen sein Land zu engagieren. Zudem bedankte er sich für Grußbotschaften von mehr als 80 Gewerkschaftsorganisationen aus aller Welt, die beim CTC eingegangen sind.
Einen ersten Eindruck möglicher Onlineaktivitäten vermittelte am Dienstag ein »Internationales virtuelles Forum zum 1. Mai«, an dem sich Gewerkschafter aus Lateinamerika und Europa beteiligten. Dabei warnte der Generalsekretär des Weltgewerkschaftsbundes (WGB), George Mavrikos, davor, dass die Kapitalisten »die Pandemie ausnutzen werden, um die demokratischen Rechte und Freiheiten der Arbeiter und Völker drastisch einzuschränken«. Der Kapitalismus sei »anachronistisch und barbarisch. Die soziale Ungleichheit ist seine Matrix. Man kann ihn nicht menschlicher machen. Reformer, die eine Modernisierung des Ausbeutersystems als Lösung vorschlagen, werden zu Dienern der sozialen Ausbeutung«, erklärte Mavrikos, der auch ein führendes Mitglied der griechischen kommunistischen Partei KKE ist.
In seiner 1.-Mai-Ausgabe warnte Trabajadores indes davor, dass die Krise auch in Kuba zur Verletzung von Arbeitnehmerrechten führen könne. Die Zeitung forderte Beschäftigte im nichtstaatlichen Bereich, die jetzt wegen der Pandemie zu Hause bleiben, dazu auf, sich über ihre gesetzlichen Rechte zu informieren. Vertreter der Gewerkschaften hätten teilweise erhebliche Verstöße gegen die Regelung der Arbeitszeit sowie untertarifliche Bezahlung festgestellt. Im privaten Sektor würden jüngere Mitarbeiter oft ohne Arbeitsvertrag beschäftigt. Es bestehe die Gefahr, dass derartige Unregelmäßigkeiten und Verstöße fortbestehen, wenn sich die Situation wieder normalisiere, heißt es in einem Beitrag mit dem Titel »Tauscht Eure Gesundheit nicht für Geld ein«.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 30.04.2020