Nachrichten aus und über Kuba
Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.
MUSEO DEL HUMOR
San Antonio de los Baños, Kuba
José Luis López Palacios »Flüchtlinge«, Acryl auf Leinwand, 35 x 55 cm
Haus des Lachens
Das Museo del Humor in Kuba bietet außergewöhnliche Sammlungen der grafischen Satire.
Seit 1979 präsentiert das Museo del Humor in San Antonio de los Baños, 35 Kilometer von Kubas Hauptstadt Havanna entfernt, nationale und internationale Werkschauen für grafischen Humor. M&R sprach mit der Leiterin, Isel Chacón Díaz, über die Geschichte und die Besonderheiten des Museums sowie über die von ihm ins Leben gerufene Internationale Biennale und die Auswirkungen des US-Embargos auf die Kunst- und Kulturproduktion in Kuba.
Aristides Hernández Guerrero: |
Ángel Boligán Corbo: |
Yoemnis Batista del Toro: |
Was erwartet die Besucher im Museo del Humor, und was macht seine Sammlung so einzigartig?
Es gibt weltweit nicht viele Museen, die sich dem Humor verschrieben haben. Unser Haus öffnete am 17. März 1979 seine Pforten für Kuba und die Welt als einziges Museum unseres Landes, in dem Werke des grafischen Humors zu sehen sind. Wir verfügen über drei Sammlungen – »Kolonialismus«, »Republik« und »Revolution« – mit folgenden Genres und Kategorien: allgemeiner Humor, politische Satire, figurative Karikatur, Comic und Fotografie. Die Sammlung umfasst Tausende Werke von bekannten kubanischen und internationalen Künstlern. Auch die Villa del Ariguanabo, die sie beherbergt, ist mit ihrem neoklassizistischen Kolonialstil aus dem 19. Jahrhundert für sich allein schon eine Attraktion. Es ist das einzige lokale Baudenkmal, das San Antonio de los Baños als sein Eigen schätzen darf; in dem Haus herrscht ein ganz besonderer Geist. Seit 2011 veranstalten wir hier die nationale José-Luis-Posada-Ausstellung für bildende Kunst mit einem Wettbewerb des grafischen Humors. Derzeit ist eine Schau mit Personenkarikaturen von Juan David zu sehen, dem kubanischen Meister dieses Genres.
Ridha Ridha »Boxkorruption«, Digitaldruck auf Karton, 22 x 30 cm«
Gründer und erster Direktor des Museums war der Dramatiker, Publizist und Historiker Miguel ángel Miqueli. Welches Konzept schwebte ihm vor?
Am 3. Juli 1978 hatte es eine Versammlung im Haus der Geschichte von San Antonio de los Baños gegeben, auf der beschlossen wurde, dass die Stadt Austragungsort der Internationalen Biennale für Humor werden solle. Zum einen, weil sie die »Wiege der guten Humoristen« des Landes ist - hier wurden die beliebtesten Künstler des kreolischen politischen Humors geboren, darunter Eduardo Abela, René de la Nuez und Ofen Pérez -, zum anderen, weil in San Antonio de los Baños bereits am 20. Mai 1915 die erste Ausstellung mit Werken von Eduardo Abela und Manuel Alfonso stattfand, die, was die Entwicklung des grafischen Humors in Kuba angeht, Geschichte geschrieben hat. Daher ist San Antonio de los Baños stolz darauf, sich »Stadt des Humors« nennen zu dürfen. Mit unserem Museum ist dann ein Haus entstanden, in dem das Lachen leben darf. Für seine Gründung haben sich außer Miqueli auch Mitglieder des Hauses der Geschichte, Vertreter der Gemeinde und der Provinz, der Journalistenverband Kubas sowie Künstler und Kulturschaffende eingesetzt.
Ihr Museum bewahrt nicht nur das karikaturistische Erbe, sondern fördert auch seine Weiterentwicklung. Welche Bedeutung kommt der Internationalen Biennale dabei zu?
Der universelle Charakter und die Größe unserer Sammlung sind vor allem auf die Internationale Biennale als wichtigste und traditionsreiche Institution unseres Hauses zurückzuführen. Dass diese sich seit über 40 Jahren halten konnte, ist wiederum Künstlern aus der ganzen Welt zu verdanken, die für diese Schau ihre Arbeiten bereitstellen. Für die XXI. Biennale 2019 wurden mehr als 1.300 Zeichnungen aus 55 Ländern eingereicht. Neben den Wettbewerbsbeiträgen werden aber auch stets weitere interessante Arbeiten gezeigt, verschiedene Ehrungen vorgenommen, Veranstaltungen zu kunsttheoretischen Themen organisiert sowie spannende Kultur- und Freizeitaktivitäten angeboten. Man kann sagen, dass unser Museum auf allen Ebenen den Intellekt seiner Besucher erfreut.
Osvaldo Gutiérrez Gomez: »Bücher und Gewehre« |
Bei einigen Exponaten stellt sich ein Zustand makabrer Spannung ein. Zum Beispiel zeigt ein Cartoon mit dem Titel »Libros y rifles« (Bücher und Gewehre) einen Jungen, der leichter an Schusswaffen als an Bücher herankommt. Erreichen solche antimilitaristischen Botschaften noch die Jugend von heute?
»Libros y rifles« wurde auf der Biennale des Jahres 2019 unter anderem mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Unter den Besuchern waren viele junge Leute, sie würden ihre Stimme nicht für Arbeiten abgeben, die sie nicht verstehen oder mit denen sie nicht einverstanden wären. Es ist erstaunlich, wie selbst diejenigen, die normalerweise nicht viel mit Karikaturen zu tun haben oder über keine künstlerische Bildung verfügen, die Botschaften der Bilder sofort verstehen, über sie lachen oder sich darüber aufregen. Eine Karikatur verändert nicht die Welt, aber sie wirkt auf die Gedanken derer ein, die die Welt verändern können.
Was waren die prägenden Diskurse im vergangenen Jahr?
Es gab zahlreiche kritische Beiträge, beispielsweise über den Kampf für den Zugang zu Trinkwasser und Nahrungsmitteln, über Gesundheitsversorgung und Bildung, aber auch zu Themen wie der Gleichstellung der Geschlechter, Gewaltfreiheit und Umweltschutz. Kurz: Es ging um das Recht auf Leben. US-Präsident Donald Trump war die am häufigsten karikierte Person, und in der Abschlusserklärung hieß es dazu: »Die Beiträge haben nicht bloß die Wesenszüge von Trump herausgestellt, sondern auch seinen militaristischen und fremdenfeindlichen Kurs offengelegt. Seine Politik bringt uns nicht den Frieden, der zwischen den Völkern herrschen sollte, sondern führt uns an den Abgrund. Die Beiträge haben geholfen, diese globale Diktatur in ihrer ganzen Dimension zu betrachten.«
Gelungene Karikaturen zeigen mit wenigen Federstrichen gesellschaftliche Widersprüche auf – mal schreiend komisch, mal extrem bitter.. Können Sie Beispiele nennen?
Conrado Walter Massaguer: »Die dopplete Neun« |
Da es viele gibt und mir die Auswahl schwer fällt, möchte ich mich auf zwei Werke beschränken: »El doble nueve« (Die doppelte Neun) des kubanischen Künstlers Conrado Walter Massaguer zeigt jene Staatenlenker, die aktiv am Zweiten Weltkrieg beteiligt waren. Vier von ihnen spielen Domino: Hitler und Mussolini auf der einen und Churchill und Rossevelt auf der anderen Seite; Hirohito und Stalin sind nur als Beobachter anwesend. Das Werk »Ohne Titel« von Aristides Hernández Guerrero – ebenfalls ein kubanischer Künstler – ist wiederum ein satirischer Kommentar zu einem historischen Ereignis vom 14. Dezember 2008. Muntazer al-Zaidi, ein irakischer Journalist, warf damals bei einer Pressekonferenz in Bagdad seine Schuhe auf den US-Präsidenten George W. Bush. Das Bild erhielt auf der Biennale von 2009 den zweiten Preis in der Kategorie »Personenkarikatur« und zusätzlich den Publikumspreis.
Auf der XX. Biennale 2017 hat ein Cartoon mit dem Titel »Refugiados« (Flüchtlinge) von José Luis López Palacios den ersten Platz in der Kategorie »Politische Satire« belegt. Das Bild zeigt Menschen, die durch das an einer Wand hängende berühmte Gemälde »Guernica« von Pablo Picasso in ein Museum eindringen. Was bedeutet es?
José Luis erzählte uns, dass ihm »Guernica« in den Sinn gekommen sei, als er die dramatische Situation der Flüchtlinge darstellen wollte. Er wollte mit seinem Bild einen bescheidenen Beitrag zur Kritik an all den Imperialisten liefern, die das Chaos und die Zerstörung auf der Welt verursachen; er sagte: »Es ist fast so, als ob sie selbst diese Karikatur geschaffen hätten – ich habe sie nur gezeichnet.«
Im Selbstverständnis ihres Museums heißt es: »Humor war schon immer eine wirksame Waffe.« Ist der Einsatz dieser Waffe im Kampf für andere Verhältnisse heute wichtiger als in der Vergangenheit?
Ich bin von der Kraft des Humors überzeugt. Es kann uns die drängendsten Probleme unserer Zeit bewusst machen. Manche davon verändern sich im Laufe der Jahre, andere bleiben bestehen; allein die Art und Weise, wie sich manifestieren, und ihre Intensität ändert sich. Die komplexen Probleme unserer Gegenwart erzeugen viele ungewisse Folgen für die Menschheit. Bei deren Bewältigung kann Humor eine überaus wichtige Rolle spielen – nicht nur als Waffe, sondern auch in Form von Kunst.
Welche Auswirkungen haben die US-Sanktionen und die Blockade auf die Arbeit des Museums und auf die bildende Kunst in Kuba allgemein?
Die Folgen der Blockade machen sich auf vielfache Weise in unserer täglichen Arbeit bemerkbar. Es mangelt an technischer Ausrüstung, beispielsweise an Computern, Druckern und Scannern. Unsere Möglichkeiten zum Veröffentlichen sind eingeschränkt – kubanische Verleger mussten die Seitenzahlen ihrer Zeitungen und Magazine und die Anzahl der ausgaben pro Jahr reduzieren. Was unser Museum anbelangt, so fehlt es an Pinseln, Pappe und Papier wie auch an Gummihandschuhen, Scheren und Mundschutz. Aber wir geben nicht auf; es mangelt uns nicht an helfenden Händen. So sind unglaublich kreative Lösungen ersonnen worden, um die bestehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Die Künstler haben erstaunliche Techniken für ihre Kunstproduktion entwickelt, so dass wir bisher nicht eine Aktivität ausfallen lassen oder verschieben mussten.
Welche Kooperationen gibt es mit Künstlern und Museen aus anderen lateinamerikanischen Ländern und von anderen Kontinenten?
In jüngster Zeit haben wir mit den Cartónclub – Club de la caricatura latina in Mexiko und mit Partnern in Puerto Rico zusammengearbeitet. Von unserer Seite gab es Beiträge zur Biennale Luis d'Oliveira Guimerales in Portugal, wo in der Gemeinde Penela des Bezirks Coimbra bald ein Museum für Humor entstehen soll.
Sie digitalisieren gerade ihre Bilder. Können wir die Sammlung demnächst im Internet bewundern?
Natürlich ist es nicht möglich, alle Bilder unserer Sammlung auf einmal online zu stellen. Aber das wird nach und nach geschehen.
Welche Projekte sind für die nähere Zukunft geplant – vielleicht eine Jugendbiennale?
Seit 2008 kuratieren wir eine Ausstellung für Jugendliche mit dem Titel »El Loquito«. Das ist der Name einer zentralen Figur des grafischen Humors in Kuba. Die Veranstaltung richtet sich an junge Leute im Alter von 15 bis 35 Jahren. Wir möchten sie einladen, mit uns zu lachen und nachzudenken! Denn Humor, sagt Juan David, ist nicht nur ein Bedürfnis des Karikaturisten, sondern aller Menschen.
Link:
facebook.com/museodelhumorsab
Interview: Wanja Lange & Susann Witt-Stahl
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung
von Verlag und Redaktion
Melodie & Rhythmus, März 2020