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»Klimawandel und Blockade sind eng verbunden«
Die kubanische Landwirtschaft zwischen Erfolgen und Herausforderungen. Ein Gespräch mit Ydael Jesús Pérez Brito.
In Kuba muss niemand Hunger leiden. Wie konnte das erreicht werden?
Das kann nur mit dem Sieg der Revolution erklärt werden. Zuvor gab es vor allem auf dem Land extreme Armut, das Land gehörte großen Privatgesellschaften, Konzernen und Großgrundbesitzern. Die Bodenreformen nach der Revolution haben das Land denjenigen übergeben, die es bearbeiten. Dadurch konnten wir sowohl den Ackerbau als auch die Viehwirtschaft und die industrielle Weiterverarbeitung weiterentwickeln. Bereits in den 1980er Jahren hatten wir Ernährungsniveaus wie in hochentwickelten Ländern. Das alles ging mit der Entwicklung der Gesundheit, der Bildung und so weiter einher, also der Entwicklung des gesamten Landes.
Wie sieht die Situation heute aus?
Durch die Aktualisierung unseres wirtschaftlich-sozialen Modells können wir die Landwirtschaft weiter stärken. Unserer Regierung geht es darum, Ernährungssouveränität als Teil der nationalen Souveränität zu erreichen. In Kuba gibt es heute etwa 5.000 Kooperativen und mehr als 400.000 Landbesitzende. Zusätzlich arbeiten wir daran, weniger importabhängig zu sein und mehr Lebensmittel zu exportieren. Wir haben eine klare soziale Zielvorgabe: Unsere Wirtschaft ist wichtig, aber es geht immer zuvorderst um den Schutz der Gesellschaft, der sozialen Entwicklung, der Steigerung der Lebensqualität.
Gleichzeitig leidet die kubanische Wirtschaft unter dem brutalen Wirtschaftskrieg der USA.
Ja, die Blockade stellt für uns die größte Einschränkung dar. Momentan haben wir große Probleme, was die Lebensmittelversorgung angeht. Unsere Landwirtschaft wäre ohne Blockade heute entwickelter. Und trotzdem produzieren wir weiterhin für das Volk. Der Klimawandel hat natürlich Auswirkungen auf unsere Landwirtschaft, aber die Blockadepolitik ist das größte Hindernis. Denn um auf den Klimawandel reagieren zu können, benötigen wir Investitionen.
Welche Maßnahmen ergreift die Regierung gegen die Folgen der Blockade?
Wir versuchen ständig, unsere Landwirtschaftspolitik zu verbessern. Wir investieren mit dem Ziel, unsere Effizienz zu erhöhen. Als im September und Oktober 2019 die Kraftstoffe knapp wurden, haben sich die Menschen gegenseitig geholfen. Das sind Dinge, die die Blockade nicht verhindern kann.
Ein weiteres Thema ist der Klimawandel. Schon heute leiden viele Länder unter seinen Folgen.
Der Klimawandel muss auf zwei Weisen angegangen werden: Auf der einen Seite geht es darum, ihn zu bekämpfen. Zweitens müssen wir schauen, wie wir unter den Bedingungen des Klimawandels produzieren. Als Teil des Wirtschaftsplans arbeiten wir zum Beispiel daran, weniger Wasser für die Landwirtschaft zu nutzen. Ein anderes Beispiel ist der Anbau anderer Pflanzen, die höhere Temperaturen oder einen höheren Salzgehalt im Wasser aushalten. Diese Maßnahmen könnten viel schneller umgesetzt werden, wenn die Blockade nicht wäre. Die Themen Klimawandel und Blockade sind auf Kuba eng miteinander verbunden.
Kann man davon sprechen, dass infolge der Blockade innovative Techniken in der kubanischen Landwirtschaft entwickelt wurden?
Der Umstand, dass wir weniger Mittel haben, bedeutet, dass wir Alternativen suchen müssen. Aber selbst wenn wir die Mittel hätten, würden wir zum Beispiel niemals eine komplett chemische Landwirtschaft betreiben. Für uns ist klar, dass Gesundheit an vorderster Stelle steht. Wir sind ein Land mit ausgeprägtem Bewusstsein und Gesundheitssystem, einem hohen Lebensniveau und einer hohen Lebenserwartung. Die Landwirtschaft muss auf einem Gleichgewicht zwischen dem Ökologischen und dem Chemischen basieren.
Worin bestehen heute die großen Herausforderungen für die kubanische Landwirtschaft?
Wir müssen unsere Produktion ankurbeln und weiter daran arbeiten, die nicht genutzten Ländereien zu bearbeiten. Es geht darum, unter den Herausforderungen des Klimawandels und der Blockade, weiterhin für die Bevölkerung zu produzieren, zu exportieren und gleichzeitig die Importe zu reduzieren, denn das bedeutet mehr Souveränität. Wir müssen die Versorgungslage verbessern, eine höhere Lebensmittelqualität erreichen. Souveränität bedeutet nicht nur, Lebensmittel zur Verfügung zu haben. Sie müssen finanziell zugänglich und qualitativ hochwertig sein.
Ydael Jesús Pérez Brito ist Erster Vizeminister im Landwirtschaftsministerium der Republik Kuba.
Veröffentlichung |
Interview: Frederic Schnatterer
junge Welt, 03.02.2020