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Lula greift wieder an

Neue Etappe des Kampfes: Nach Freilassung tritt Brasiliens früherer Präsident vor Zehntausenden in Recife auf.

Luiz Inácio Lula da Silva ist wieder in seinem Element. 580 Tage lang war der Politiker in Einzelhaft, aus der er erst vor einer Woche vorläufig entlassen wurde. Am vergangenen Sonntag (Ortszeit) sprach Lula nun beim »Festival Lula Livre« im Zentrum von Recife, der Hauptstadt des nordöstlichen Bundesstaates Pernambuco, zu 200.000 Menschen, die dort seine Freilassung feierten. Der frühere Präsident (2003–2010) von der Arbeiterpartei PT forderte seine Anhänger auf, ihre Solidaritäts- nun in »eine viel größere Kampagne« zu verwandeln.

Der Kampf sei nicht beendet, betonte Lula. »Ich sehe, wie das Land ruiniert wird.« Die Politik der Regierung von Jair Bolsonaro nehme den Jungen die Zukunft und treffe besonders die Afrobrasilianer, die Indigenen, die Frauen und die LBGT-Personen. »Jede Minute des Lebens, die ich noch vor mir habe«, versprach der 74jährige, wolle er dazu nutzen, »um uns von dieser Bande von Milizionären zu befreien«, die das Land übernommen habe. Damit bezog sich Lula auf die engen Verbindungen des Clans des faschistischen Präsidenten Bolsonaro zu paramilitärischen, kriminellen Organisationen in Rio de Janeiro. Auf deren Konto geht mutmaßlich auch der Mord an der Stadträtin Marielle Franco von der linken PSOL und ihrem Fahrer Anderson Gomes am 14. März 2018. Bolsonaro ist direkt an der Behinderung der Aufklärung der Tathintergründe beteiligt.

Eine knappe Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, nach der Verurteilte erst nach Ausschöpfung aller Berufungsmöglichkeiten ins Gefängnis müssen, hatte zu Lulas Haftentlassung geführt. Im Kongress strebt die Rechte nun eine entsprechende Verfassungsänderung – eine Lex Lula – an. Die Fraktion der von Bolsonaro als Wahlvehikel genutzten Sozialliberalen Partei (PSL) ist allerdings mit internen Machtkämpfen beschäftigt und steht vor der Spaltung. Der Staatschef will nun mit der »Allianz für Brasilien« eine neue, ganz auf ihn und seine Söhne zugeschnittene Partei gründen.

Voraussichtlich noch in diesem Jahr entscheidet der Oberste Gerichtshof über einen Antrag der Verteidigung vom Dezember 2018, die Prozeße gegen Lula wegen Parteilichkeit des Richters für null und nichtig zu erklären. Es geht um die dubiose Rolle von Sérgio Moro, der Lula wegen Korruption verurteilt und so den Favoriten aus dem Rennen um die Präsidentschaft geworfen hatte. Nachdem er Bolsonaro den Weg zur Macht gebahnt hatte, wurde Moro mit dem Posten des Justizministers belohnt.

Enthüllungen des Portals The Intercept Brasil sollen, so fordern Lulas Anwälte, für die Entscheidung mit herangezogen werden. Aus geleakten Chats zwischen Richter Moro und Vertretern der Antikorruptionsbehörde aus den Jahren 2015 bis 2018 wird deutlich, wie dieser die Anklage gegen den Linkspolitiker anleitete. Die Beteiligten am Komplott haben sich bis heute nicht zur Echtheit der Dialoge geäußert, diese indirekt jedoch mehrfach bestätigt. Auch Recherchen der großen Medien zeigen, dass sie authentisch sind.

Auf Lulas erste öffentliche Auftritte nach der Haft hatte Bolsonaro mit der Drohung reagiert, gegen diesen das noch aus der Diktatur stammende Gesetz zur Nationalen Sicherheit anzuwenden. Die Warnung vor »staatsgefährdenden Handlungen« gilt den sozialen Bewegungen insgesamt. Mit Blick auf die Massenrevolte gegen die Folgen neoliberaler Politik im Nachbarland Chile droht Brasília vorbeugend mit Härte.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Hannah Lorenz

junge Welt, 19.11.2019