Nachrichten aus und über Kuba
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Kuba leistet Widerstand
US-Blockade verschärft Lebensbedingungen der Bevölkerung. Doch Havanna findet Auswege.
Am Mittwoch und Donnerstag ist bei den Vereinten Nationen in New York erneut über die von den USA gegen Kuba verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade diskutiert worden. Die Vertreter zahlreicher Länder und internationaler Bündnisse verurteilten dabei den Wirtschaftskrieg. Für die am Donnerstag (Ortszeit, nach jW-Redaktionsschluss) vorgesehene Abstimmung wurde wieder mit einer breiten Mehrheit für die kubanische Position gerechnet.
Die jährliche Debatte in New York hatte diesmal besondere Bedeutung, denn US-Präsident Donald Trump hat die unter seinem Vorgänger Barack Obama vorgenommenen Lockerungen Schritt für Schritt zurückgefahren. Zudem wurden in den letzten Monaten neue Zwangsmaßnahmen verhängt, die Kuba von seinen Handelspartnern abschneiden und die Insel immer weiter isolieren sollen. Seit Juni dürfen keine US-Kreuzfahrtschiffe mehr auf Kuba anlegen, inzwischen sind auch zahlreiche Fluglinien betroffen. Die Gesellschaften Eurowings und KLM wollen ihre Flüge nach Havanna sogar ganz einstellen. Gleichzeitig werden Geldsendungen von Familien aus dem Ausland an ihre Angehörigen in Kuba immer schwieriger, weil sich Banken und Finanzinstitute der US-Blockadepolitik unterwerfen.
Im September wurde die Ölversorgung aus Venezuela aufgrund des Vorgehens Washingtons gegen Reedereien für mehrere Wochen unterbrochen. »Sie wollen uns das Licht, das Wasser und die Luft abdrehen«, warnte Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel damals in einer Sondersendung des kubanischen Fernsehens. Tatsächlich sind die Folgen der jüngsten US-Maßnahmen auf Kuba immer deutlicher zu spüren. In Geschäften bieten Regale, die noch vor einigen Monaten voll bestückt waren, heute nur den traurigen Anblick von rostendem Blech. Zwar sind die Preise auf den Bauernmärkten stabil, und auch die Versorgung mit den Grundnahrungsmitteln Reis, Bohnen und Brot über das staatlich subventionierte Bezugsheft (»Libreta«) ist sichergestellt, doch darüber hinaus ist die Lage kritisch. So werden Eier knapp, weil Tausende Hühner in den staatlichen Legebatterien die letzten Wochen mangels Futter nicht überlebt haben, wie Agrarfunktionäre in der allabendlichen Fernsehsendung »Mesa Redonda« (Runder Tisch) einräumen mussten.
Zumindest beim Verkehr hat sich die Lage dagegen wieder leicht entspannt. Viele Tankstellen waren aufgrund des Ausbleibens der Tanker geschlossen worden, Staatsangestellte gingen in Zwangsurlaub, um Treibstoff einzusparen und die öffentlichen Verkehrsmittel zu entlasten. Havannas Stadtbusse verkehren mittlerweile wieder, und für Entlastung sorgen auch die Anfang des Jahres aus Russland bezogenen gelben Minibusse, die auf Kuba »Gazellen« genannt werden – eine Anspielung auf den Hersteller »Gorkowski Awtomobilny Sawod«, dessen Name sich auf Spanisch »GAZ« abkürzt. Sie sind mit einem Preis von fünf Peso (ca. 20 Eurocent) pro Streckenabschnitt zwar deutlich teurer als der Stadtbus, stellen für die Habaneros jedoch oft die beste Option dar, um von A nach B zu kommen. Auch die im September wieder eingeführten Verkehrsinspektoren, eine Institution aus der »Sonderperiode« der 90er Jahre, bleiben weiterhin im Dienst. Sie halten staatliche Fahrzeuge an und »füllen« sie mit Passagieren.
Der Vergleich mit den 90er Jahren, als durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten in Europa quasi über Nacht 80 Prozent des kubanischen Außenhandels wegbrachen, liegt nahe. Doch die Wirtschaft ruht heute auf deutlich breiteren Schultern als damals. Kuba verfügt über einen gut entwickelten Tourismussektor, der auch in diesen schwierigen Tagen funktioniert. Hotels und private Restaurants blieben von der aktuellen Versorgungskrise weitgehend verschont, und die Touristenbusse der Linie »Víazul« fahren seit einigen Tagen wieder regulär. Die täglichen Stromabschaltungen, die den Alltag der 90er Jahre prägten, sind nicht zurückgekehrt. Heute kann das Land die Hälfte des benötigten Öls selbst fördern und ist daher deutlich weniger von Importen abhängig. Für hochwertige Fahrzeugtreibstoffe reicht die Qualität zwar nicht, jedoch wird die Stromversorgung über Schwerölkraftwerke abgesichert, die mit kubanischem Öl laufen.
Trotz der eingeschränkten Importe kommt auch der Internetausbau voran. Die Qualität von Havannas LTE-Netz hat mittlerweile die vieler deutscher Großstädte übertroffen, Downloadgeschwindigkeiten von bis zu 130 Mbit pro Sekunde, vor wenigen Jahren auf Kuba völlig unvorstellbar, sind dank modernster Technik aus China inzwischen möglich – und die Preise für die Nutzung sinken. Während Trump die Beziehungen zwischen Menschen in Kuba und den USA immer weiter einschränkt, tut Kubas Regierung ihr möglichstes, um das Land aus der Isolation zu holen und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Veröffentlichung |
Marcel Kunzmann, Havanna
junge Welt, 08.11.2019